Protocol of the Session on March 23, 2017

Wir müssen feststellen, dass nicht alle Maßnahmen in der Vergangenheit zu den gewünschten Ergebnissen geführt haben. Gute Überlegungen und Ansätze wurden übersehen oder nicht ausreichend ernst genommen. Die Sparpolitik von fast zwei Jahrzehnten an der öffentlichen Infrastruktur hat unseren Schulen nicht gutgetan. Es ist viel zu tun in unserer Stadt. Ob Kinder- und Familienarmut, Hauptstadt der Alleinerziehenden oder schlicht die erfreulich rasant wachsende Anzahl von Kindern, dies alles sind gesellschaftliche Realitäten, mit denen sich auch die Berliner Bildungspolitik auseinandersetzen muss. Den großen Berg an Arbeit, der vor uns liegt, sind wir als R2G bereits angegangen. Unser Koalitionsvertrag bietet ein anspruchsvolles Programm für die nächsten fünf Jahre, aber auch in fünf Jahren werden wir nicht alle Probleme gelöst haben.

Die Opposition versucht heute einen großen Skandal aufzudecken. Das ist einfach nur lächerlich. Dass wir bei den Bildungsrankings immer wieder auf den letzten Plätzen landen, ist keine Neuigkeit. Die Ausgangsbedingungen, die wir hier in Berlin haben, sind nun mal anders als in anderen Bundesländern. Dass die Opposition schlechte Bewertungen zum Anlass nimmt, um die Regierung zu kritisieren und gelegentlich auch zu beschimpfen, ist okay. Wir haben das auch gemacht. Liebe Opposition! Aber mal ganz ehrlich: Sie haben kein Konzept, wie wir die rote Laterne abgeben könnten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – (Stefan Franz Kerker) Holger Krestel (FDP): Wir koalieren wenigstens nicht mit der roten Laterne!]

Das haben fünf Jahre CDU-Regierungsbeteiligung eindeutig gezeigt. Anstatt innovative Ansätze zu entwickeln, betreibt die CDU wie eh und je schlicht Klientelpolitik in Reinkultur. Ihnen geht es nur um Ihre Gymnasialklientel. Die negativen Folgen von Armut für die Lebenschancen von Kindern interessieren Sie einen feuchten Kehricht. Dabei ist der CDU entgangen, dass auch Gymnasien Probleme haben, wie die aktuellen Ergebnisse der BerlinStudie zeigen. Die CDU hat zehn Jahre lang blockiert und verhindert – wichtige Zeit, die den Kindern unserer Stadt verlorengegangen ist.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Beifall von Sebastian Czaja (FDP)]

Ihre beliebte Forderung nach einer Abschaffung der MSA-Prüfung hat so einen langen Bart, und frau kann es inzwischen schon nicht mehr hören.

[Bettina König (SPD): Das stimmt!]

Als ob das Wohl und die Zukunft der Kinder dieser Stadt von der Frage einer MSA-Prüfung im Gymnasium abhingen! Fast 35 Prozent der Jugendlichen an den ISS schaffen den MSA nicht. Vielleicht sollten Sie sich hierzu mal Gedanken machen und überlegen, wie wir diesen Schülerinnen und Schülern zu einem besseren Bildungserfolg verhelfen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Stattdessen tragen Sie Ihre Forderung nach einer Abschaffung der MSA-Prüfung wie eine Monstranz an Fronleichnam vor sich her. Übrigens führen CDU und FDP hier einen Scheinkampf, weil ihnen sonst nichts einfällt. Dem Berliner Gymnasium will keine der an der Koalition beteiligten Fraktionen an die Existenz. Alles andere sind einfach nur Fake-News, und es ist postfaktisch. Wer sich nicht ernsthaft an der bildungspolitischen Debatte beteiligt, von dem erwarte ich auch nichts weiter in den nächsten Jahren.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen – –

Ich glaube nicht, dass das substanziell sein wird.

[Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Ah! von der CDU – Zurufe von der CDU, der AfD und der FDP]

Na, das weiß man vorher nicht.

Wir als rot-rot-grüne Koalition machen es uns nicht so einfach wie Sie. Dass Schulen Unterstützung brauchen, dass wir Schulen mit Problemen haben und hier dringend Konzepte und Ideen benötigt werden, das sucht man bei Ihnen vergebens. Weder in Ihrem reaktionären Wahlprogramm von 2016 noch in Ihren Anträgen findet man dazu etwas.

[Oliver Friederici (CDU): Sie wollen umerziehen! – Weitere Zurufe von der CDU]

Auf der Populismus- und Klientelschiene können Sie gut fahren, aber Lösungsansätze für die sozialen Probleme unserer Stadt haben Sie keine.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Sie wollen lieber Schulnoten beibehalten, statt über neue Methoden des Lernens und Lehrens nachzudenken. Sie bleiben lieber bei der guten alten Vorstellung hängen, dass Schule selektiert und siebt: Die Guten auf das Gymnasium und die Schlechten irgendwo anders hin! Hauptsache sie stören nicht und sind weg.

[Thorsten Weiß (AfD): Sie sind ein Geisterfahrer! – Kurt Wansner (CDU): Unverschämtheit!]

Ja, auch wir werden uns als Koalition mit den Gymnasien beschäftigen. Auch dort gibt es Probleme, die wir angehen müssen. Ich sage aber auch: Die Gymnasien müssen sich der Inklusion und der Integration von Flüchtlingen stellen und die Heterogenität ihrer Schülerschaft annehmen. Da müssen wir ran.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir als Koalition beschäftigen uns im Gegensatz zu Ihnen mit den Ursachen von Schulabbruch, Schuldistanz und Bildungsarmut. Das ist aber in den letzten Jahren zu wenig in den Fokus genommen worden. Deswegen müssen Bildungspolitik und insbesondere Schulpolitik eine neue Brille aufsetzen und die Kinder in ihrer Lebenswelt mehr in den Blick nehmen. R2G lässt die Schulen nicht allein.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Das ist das Problem!]

Gezielte Projekte zur Verminderung und Vermeidung von Schuldistanz wie etwa die Kleinklassen wird die Koalition voranbringen. Sie wird auch die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule verbessern und die Familien unterstützen.

Die Untersuchungen zu den Gemeinschaftsschulen haben es gezeigt. Frau Kittler hat darauf hingewiesen. Dort, wo eine positive Einstellung zur Schüler/-innen/schaft besteht, wo neue Formen des Lehrens und Lernens ausprobiert werden, wo individuell auf jedes Kind geschaut wird

und versucht wird, ihm gerecht zu werden, sind auch die Lernerfolge des einzelnen Kindes sehr viel höher.

[Henner Schmidt (FDP): Das wäre auch mal was für Sie!]

Die entscheidende Frage ist aus meiner Sicht, wie an Berliner Schulen gelernt wird – dass also der Blick nach innen gerichtet wird und nicht nach außen. Wie können Schulen in ihrer Entwicklung positiv unterstützt werden? Darauf richtet R2G in den nächsten Jahren seinen Fokus. Welche Qualität hat der Unterricht? Wir müssen miteinander diskutieren, wie in unseren Schulen gelernt wird. Daraus ergeben sich dann weitere Schritte. Es gibt in Berlin sehr innovative Schulen, die neue Wege gehen und an denen Kinder und Jugendliche erfolgreich lernen. Von diesen müssen wir alle lernen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Lernen ist ein aktiver, ganz individueller Prozess, der in jedem Kind und in jedem Kopf eines Menschen anders stattfindet. Jedes Kind braucht also die Möglichkeit, eigene Wege zu entwickeln, und kein vorgefertigtes Schema. Ich selbst habe dabei sehr viel von engagierten Sonderpädagogen/Sonderpädagoginnen gelernt, für die es ganz normal ist, andere Wege zu gehen. Wenn der eine nicht funktioniert, dann muss etwas anderes probiert werden. So entsteht ein ganz individueller Blick auf ein Kind. Strukturreformen erhöhen nicht den Bildungserfolg von Kindern, wenn sie nicht mit einer Verbesserung der Lernsituation verbunden sind. Rot-Rot-Grün legt hier den richtigen Schwerpunkt der Weiterentwicklung der Berliner Schulen und wird damit erfolgreicher sein als die Schulpolitik eines längst vergangenen Jahrtausends, in dem sich CDU und FDP immer noch befinden. Rot-RotGrün befindet sich am Puls der Zeit und geht in dieser Stadt Probleme an – für unsere Kinder und Jugendlichen –, und das ist gut so. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt der Kollege Fresdorf das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Burkert-Eulitz! Ich kann das so nicht stehenlassen. Sie haben ausgeführt, uns seien die Schülerinnen und Schüler in Berlin egal, wir wollten die Schlechten aussieben und uns nur um Eliten kümmern. Das ist absoluter Blödsinn, den Sie hier geäußert haben, und das kann man einfach so nicht stehenlassen.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Wir wollen eine Bildungspolitik fernab von ideologischen Scheuklappen. Dass Ihnen die Gymnasien egal sind, beweisen Sie doch nachhaltig, indem Sie in Ihrem Koalitionsvertrag schreiben, dass die Bezirke aufgefordert werden sollen, nur noch Gemeinschaftsschulen zu bauen. Was hat das für Folgen? Das Musterraumkonzept kann auf Gymnasien nicht angewandt werden, weil sie nicht neu gebaut werden. Damit hängen Sie einen ganzen Schultyp ab und lassen ihn fernab von modernen Raumgestaltungsmöglichkeiten und modernen Unterrichtsformen.

[Bettina König (SPD): Das ist eine Lüge!]

Das ist das Ziel, das Sie haben.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Sie wollen diesen ungeliebten Schultyp fernab wegschieben, haben Ihre ideologischen Scheuklappen auf und wollen Ihre Gleichmacherei in der Stadt immer weiter auf die Spitze treiben. Das werden Sie mit uns nicht machen können.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Udo Wolf (LINKE): Keine Ahnung, aber eine Meinung!]

Wollen Sie erwidern, Frau Kollegin? – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Fresdorf! Ich weiß gar nicht, woher Sie Ihre Informationen haben. Wir haben es nirgendwo aufgeschrieben. Im Koalitionsvertrag steht dazu auch nichts. Ich habe Ihnen vorhin genau zugehört. Sie haben zwar am Anfang stark darauf fokussiert, dass Sie sich um die abgehängten Kinder in dieser Stadt kümmern wollen und der FDP soziale Bildungspolitik wichtig ist. Ich habe auch Ihr Wahlprogramm gelesen. Ich habe auf Ihre Webseite geschaut. Ich habe Ihnen heute gut zugehört. Irgendwelche inhaltlichen Dinge haben Sie hier nicht vorgetragen,

[Bettina König (SPD): Eben!]

keine Ideen, wie Sie die Schule voranbringen wollen. Ich habe nicht gehört, wie Sie den abgehängten Schulen helfen wollen. Vielleicht hat es jemand anders hier im Raum gehört?

[Sebastian Czaja (FDP): Ja, ich!]

Ich habe es jedenfalls nicht gehört.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für den Senat hat jetzt Frau Senatorin Scheeres das Wort. – Bitte schön!

(Marianne Burkert-Eulitz)