Protocol of the Session on March 23, 2017

Frau Kittler! Sie werden das wahrscheinlich in der SED gelernt haben!

[Carola Bluhm (LINKE): Die Geschäftsordnung kennen Sie auch nicht!]

Eine weitere dringend zu bearbeitende Baustelle ist das Berliner Abitur – das wurde auch schon angesprochen –,

dessen Wert von Jahr zu Jahr massiv sinkt. Wenn die Deutsche Lehrergewerkschaft fordert, das Berliner Abitur nicht mehr anerkennen zu lassen, dann brennt die Hütte, und dann wird es Zeit zu handeln!

[Regina Kittler (LINKE): Von welcher Lehrerqualifizierung reden Sie?]

Und die Anforderungen an die Abiturienten wurden weiter und weiter gesenkt. Wenn man sich das anschaut: In Zehlendorf-Steglitz oder in Charlottenburg-Wilmersdorf machen bis zu 75 Prozent der Schüler Abitur. Glauben Sie denn wirklich, dass von diesen 75 Prozent alle das Zeug zum Studieren haben? Ich kann Ihnen als gelernter Versicherungskaufmann und Ausbilder für Versicherungsfachleute eines sagen: Nein! – Viele von den heutigen Abiturienten sind mit einer kaufmännischen Ausbildung schon vielfach überfordert. Darum suggerieren Sie bitte diesen Schülern nicht etwas, was nicht existiert.

Neben diesen inhaltlichen und infrastrukturellen Problemen kommen noch grundsätzliche Probleme hinzu. Viele Kinder in Berlin sind stark übergewichtig. Der Unterricht in Berlin legt zu wenig Wert auf die Vermittlung von Ökonomie und betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen. Ein erheblicher Teil der Berliner Kinder in Berlin lernt zu Hause kaum bis gar kein Deutsch. Das kann ich Ihnen als Weddinger bestätigen. Bildung ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Ausweg für muslimische Frauen und Mädchen, der dauerhaften Unterdrückung durch männliche Verwandte zu entgehen. Da sollten Sie einmal ansetzen!

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kittler?

Ich brauche meine Zeit!

[Unruhe bei der LINKEN]

Das heißt also Nein?

Ja, die Zeit ist mir zu schade dafür. – Übergewicht ist eine um sich greifende Krankheit, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Dabei sind schlechter gebildete Schichten deutlich häufiger und intensiver betroffen als gut gebildete Schichten. Das hängt offensichtlich damit zusammen, dass diese sich mehr Zeit in der Erziehung ihrer Kinder nehmen und sich diese Zeit auch nehmen wollen. Hier hat die Politik zumindest in Teilen die Möglichkeit gegenzusteuern. Gesundes Essen in den Schulkantinen und die Verbannung von stark zuckerhaltigen

und fetten Speisen und Getränken, das wäre ein Konzept. Dabei kommt es auch gar nicht auf das Label „Bio“ und „Vegetarisch“ an. Diese Produkte sind nämlich oftmals gar nicht gesünder.

[Regina Kittler (LINKE): Wovon redet der Mann?]

Unterrichtsfächer wie Ökonomie, die Grundkenntnisse der Betriebswirtschaft anbieten, tun dringend not. Ich bin im Übrigen froh, dass auch die FDP das so sieht, lieber Kollege Fresdorf. – Herzlichen Glückwunsch an die Fraktion der FDP! Sie haben offensichtlich nach Tegel ein zweites Thema aufgetan.

[Heiterkeit bei der AfD]

Wir werden die Einführung eines solchen Schulfachs jedenfalls unterstützen. In anderen Ländern wie den USA ist ein solches Fach übrigens schon seit Jahrzehnten Realität, und eine erfolgreiche Teilnahme an diesem Fach ist eine zwingende Voraussetzung für das Erreichen des USHighschool-Diploms.

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Gerade für Schüler der 10. Klasse wäre das ein wichtiger Baustein der Schulbildung in Vorbereitung auf eine mögliche Ausbildung. Ein Großteil der Menschen in unserem Land versteht übrigens von Ökonomie und Finanzen leider herzlich wenig, was die Notwendigkeit dieses Faches noch einmal unterstreicht. Selbst Angela Merkel machte in einem Interview vor einigen Jahren deutlich, dass ihr zumindest zur damaligen Zeit der Unterschied zwischen Brutto und Netto nicht ganz klar war. Aber gut – auch heute verwechselt sie ja Analphabeten mit vermeintlichen Fachkräften.

[Beifall bei der AfD]

Was diesem Senat fehlt, ist eine bildungspolitische Vision für diese Stadt, die die kommende Generation für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts fit macht. Sie diskutieren und fordern türkischen und arabischen Sprachunterricht an Berliner Schulen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Canan Bayram (GRÜNE): Ja!]

Angesichts der derzeitigen Entwicklung in der Türkei lässt sich eine solche Forderung mit vernünftigen Argumenten gar nicht mehr nachvollziehen. Aber das ist Ihre Klientelpolitik, die Sie immer wieder gerne betrieben. Bloß nicht zukunftsgerichtet agieren!

[Zuruf von Dr. Maja Lasić (SPD)]

Eine wirklich zukunftsweisende Vision wäre das Einführen eines verpflichtenden zwei- bis dreiwöchigen Aufenthalts im englischsprachigen Raum für alle Schüler der 10. Klasse, um die englischsprachige und kulturelle Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Bei der Ausarbeitung eines solchen mittel- bis längerfristigen Ziels stehen wir Ihnen als AfD-Fraktion gerne zur Verfügung.

[Beifall bei der AfD – Lachen bei der LINKEN]

Zu guter Letzt gibt es aber noch eine wesentliche Mammutaufgabe, es ist die Wiedereinführung des Leistungsgedankens in den Schulen. Die Ideologie der Achtundsechzigergeneration von Leistungsfeindlichkeit muss wieder aus unserer Gesellschaft verschwinden. Unser Land ist nicht durch das Ausbremsen von Talenten und dem permanenten Absenken des Bildungsniveaus, wie Sie es derzeit betreiben, groß geworden.

[Beifall bei der AfD]

Herr Kollege! Sie kommen bitte zum Ende!

Wie bitte?

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Okay. – Dann komme ich zum Schluss.

[Zuruf: Die Redezeit ist abgelaufen!]

Sie sind hier nicht im Präsidium!

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Einer meiner inspirierendsten Lehrer war mein amerikanischer Geschichtslehrer David Vaughn, der das Lebens- und Lernmotto hatte: Carpe diem! Nutze den Tag! – Lassen Sie uns den Tag nutzen für sinnvolle Dinge und nicht für ideologischen Schwachsinn! – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Dann machen wir es mal der Reihe nach: Herr Gelbhaar! Den Zwischenruf „Dann hau doch ab!“ rüge ich. Das ist hier nicht unser Niveau.

Herr Kollege! Und die Formulierung „ideologischer Schwachsinn“ – das muss ich Ihnen sagen – ist es auch nicht. Auch das rüge ich.

[Georg Pazderski (AfD): Wollen Sie das nicht mal da drüben rügen?]

Frau Burkert-Eulitz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt erst mal wieder zum Thema zurück.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Der Bildungserfolg der Berliner Kinder und Jugendlichen ist nicht so, wie wir das alle wollen. Wenn die Opposition sagt, dass sich in dieser Stadt nichts bewegt, dann ist das schlicht Realitätsverweigerung.

[Heiko Melzer (CDU): Es geht um Ihre Realitätsverweigerung!]

In Sachen Bildungspolitik ist viel passiert. Es wurde gestritten und entschieden, erfolgreich und weniger erfolgreich. Ob PISA, Schulreform, Kitabildungsprogramm, Lehrerbildungsgesetz, hier hat sich viel bewegt. Ich sage als Grüne, die lange auf der Oppositionsbank saß: Auch eine gute Oppositionspolitik kann wichtige Impulse setzen,

[Beifall bei den GRÜNEN und der AfD]

aber dies vermisse ich bei Ihnen in der heutigen Opposition.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir müssen feststellen, dass nicht alle Maßnahmen in der Vergangenheit zu den gewünschten Ergebnissen geführt haben. Gute Überlegungen und Ansätze wurden übersehen oder nicht ausreichend ernst genommen. Die Sparpolitik von fast zwei Jahrzehnten an der öffentlichen Infrastruktur hat unseren Schulen nicht gutgetan. Es ist viel zu tun in unserer Stadt. Ob Kinder- und Familienarmut, Hauptstadt der Alleinerziehenden oder schlicht die erfreulich rasant wachsende Anzahl von Kindern, dies alles sind gesellschaftliche Realitäten, mit denen sich auch die Berliner Bildungspolitik auseinandersetzen muss. Den großen Berg an Arbeit, der vor uns liegt, sind wir als R2G bereits angegangen. Unser Koalitionsvertrag bietet ein anspruchsvolles Programm für die nächsten fünf Jahre, aber auch in fünf Jahren werden wir nicht alle Probleme gelöst haben.