Protocol of the Session on December 10, 2020

Besonders dramatisch finde ich die Situation im Bereich der Gesundheitsverwaltung. Hierzu muss man mal sagen:

Wir haben von Anfang an signalisiert, dass wir alle Maßnahmen zur Finanzierung der Gesundheitsausstattung und der betreffenden Maßnahmen mittragen. Von den 2 000 angekündigten Intensivbetten, die uns die Gesundheitssenatorin versprochen hat, fehlen nach dem Stand der Informationen vom heutigen Tage noch 300. Die Zahl ist nicht erfüllt. Wir haben im Mai bei der Besichtigung des Coronabehandlungszentrums bereits erkannt, dass das Personal in den Pflegeeinrichtungen, in den Krankenhäusern und für das Behandlungszentrum fehlt. Jetzt sagt die Senatorin: Oh, das ist schwierig. Wir müssen mal gucken, dass wir welche finden. – Auch hier ist im Grunde genommen nichts passiert.

Hinsichtlich der Finanzierung der Impfzentren muss man feststellen, dass das Geld bis Mai da ist, aber die Frage, wie es danach im nächsten Jahr weiterlaufen soll, konnte uns die Gesundheitssenatorin auch nicht beantworten. Auch hier muss man einfach sagen, dass das ein fahrlässiger Umgang mit der Gesundheit der Menschen ist. Dass dann die Senatorin jedes Mal, wenn jemand auch nur irgendwie in den Verdacht gerät, hier in dieser Stadt noch zu feiern, sofort loskreischt, Coronazeit sei keine Partyzeit, aber die Pflegeheime und die Betreuungsheime für Senioren in dieser Stadt sich zu einem Coronahotspot entwickelt haben, das ist ein ganz persönliches Versagen der Gesundheitssenatorin, denn wir haben als CDUFraktion darauf seit März hingewiesen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Von daher ist es schon ein bisschen merkwürdig, dass ausgerechnet der Regierende Bürgermeister diese Arbeit der Gesundheitssenatorin in dieser Stadt auch noch lobt, denn im Grunde genommen ist sie nach wie vor nicht in der Lage, auch nur mal irgendeine Zahl zu nennen. Sie kann auch nicht auf irgendeine konkrete Nachfrage antworten. Wir haben das jetzt mehrfach in Parlamentsausschüssen erlebt, und die Situation, die wir in der Gesundheitsversorgung dieser Stadt sehen, ist ja auch entsprechend. Wir warten jedes Mal auf Antworten zu den Fragen, die wir haben, und ich glaube, das ist langsam auch für diese Stadt nicht mehr verkraftbar, eine Gesundheitssenatorin zu haben, die nicht in der Lage ist, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, das Personal zur Verfügung zu stellen, die entsprechenden Beschaffungen zu tätigen und andere wichtige Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung in dieser Stadt sicherzustellen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Stefan Förster (FDP) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Dann noch einmal das Thema Qualitätskontrolle. Ich weiß nicht, wer von Ihnen das heute gelesen hat: Die Gewerkschaft der Polizei hat darauf aufmerksam gemacht, dass es offensichtlich eine wachsende Unruhe innerhalb der Polizeibehörde gibt, weil da möglicherweise nicht zertifizierte FFP2-Masken im Umlauf sind. Ich finde, das darf auch nicht sein, dass diejenigen, die

mit an vorderster Front gerade auch mit den uneinsichtigen Menschen in dieser Stadt ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzen, offensichtlich im Unklaren darüber gelassen werden, ob die Schutzausstattung, die ihnen zur Verfügung gestellt wird, auch den erforderlichen Standards entspricht. Auch hier erwarten wir schnellstens vom Senat entsprechende Antworten und eine Klärung des Sachverhalts.

Dieser Haushalt ist in der Finanzierung der Maßnahmen, die ich eben aufgezählt habe, notwendig und richtig. Er ist allerdings auch unvollständig. Viele Dinge fehlen, wie wir mit unseren Änderungsanträgen auch deutlich gemacht haben, und wir glauben schon, dass wir beim Thema der Schuldenaufnahme noch weitere Zugeständnisse machen müssen, aber die sind bisher aus unserer Sicht durch das Handeln des Senats und der Koalitionsfraktionen nicht belegt.

Eine persönliche Bemerkung möchte ich noch als haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion machen, weil heute mein geschätzter Kollege Florian Graf seine letzte Plenarsitzung hat. Lieber Florian, ich möchte von dieser Stelle noch mal ganz persönlich als haushaltspolitischer Sprecher Danke sagen für die hervorragende Zusammenarbeit mit dir als Fraktionsvorsitzender und als haushaltspolitischer Sprecher, wo wir als CDU-Fraktion, denke ich mal, in den letzten Jahren viel gemeinsam und erfolgreich arbeiten konnten. Ich fand, das war eine großartige, eine schöne Zeit der Zusammenarbeit mit dir. Ich möchte dir auch ganz persönlich von dieser Stelle alles Gute wünschen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Schneider das Wort.

[Christian Gräff (CDU): Wo ist denn eigentlich Herr Saleh? – Zurufe von der SPD: Da sitzt er und arbeitet!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Florian Graf! Der Kollege Goiny hat das gesagt, was ich nicht wiederholen will: Toi, toi, toi! Das war eine sehr kollegiale und professionelle Zusammenarbeit in der Vergangenheit und auch jetzt in der Gegenwart.

Ich will den anderen Wortbeiträgen nicht vorgreifen, will mich auch nicht dazu erklären, ob wir möglicherweise, die Industrie- und Handelskammer hat das wohl heute wieder gemutmaßt, durch Kreditaufnahme irgendwelche Lieblingsprojekte von Rot-Rot-Grün finanzieren. Da sollte man, ich stelle anheim, vielleicht einmal genauer

(Christian Goiny)

hinsehen, bevor man solche Nachrichten in die Öffentlichkeit setzt. Das ist nämlich nicht der Fall.

Ich will zu einem anderen Thema sprechen und möchte hier eine Lanze brechen für eine Wortmeldung des Fraktionsvorsitzenden der CDU im Deutschen Bundestag, den ich von dieser Stelle

[Paul Fresdorf (FDP): Herzlich grüße!]

in anderem Zusammenhang schon einmal kritisiert habe. Nahtlos anschließend an das, was ich heute früh gesagt habe: Es ist Aufgabe des Parlaments, nicht nur aus Eitelkeitsgründen, sondern darüber hinaus, andere Gremien, denen diese Verfassungslegitimation fehlt, darauf hinzuweisen, wo Haushalte beschlossen werden. Ich stimme mit Herrn Brinkhaus nicht überein, wenn er der Meinung ist, auch der finanzpolitische Sprecher der CDU, die Länder würden ihren Beitrag nicht leisten. Dazu hat der Kollege Zillich das gesagt, was auch für die SPDFraktion gilt. Aber dass ein Fraktionsvorsitzender eines Parlaments daran erinnert, dass milliardenschwere Beschlüsse in den Parlamenten getroffen werden und nicht woanders, das unterstütze ich ausdrücklich. Das ist nämlich seine Aufgabe.

Zweiter Punkt: Auch darauf ist hingewiesen worden: Ausgerechnet die Bundesländer, die sozusagen Berlin einen relativ saloppen Umgang mit Kreditaufnahmen bescheinigen, tun sich hier in besonderer Weise hervor, zum Beispiel Bayern. Die müssen nach meiner Einschätzung coronabedingte Mindereinnahmen von 5 Milliarden Euro ausgleichen und haben 40 Milliarden Euro Kredit aufgenommen. Insoweit brauchen wir an dieser Stelle keine Belehrungen, auch wenn die Kreditaufnahme jeden Haushalts- und Finanzpolitiker schmerzen muss – und auch schmerzt, selbst den finanzpolitischen Sprecher der Linksfraktion. Denn das ist kein Selbstzweck, Kreditaufnahme ist kein Selbstzweck,

[Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

aber so funktioniert der Kapitalismus. Es gibt kein Wirtschaftsunternehmen, das ohne Kreditaufnahmen den Konzern steuert, das ist sogar eine Stellgröße, auch für Berlin. Wir haben eine echte Marktmacht mit unserer Schuldenlast bei Prolongationen und können dort, so krude das klingt, Vorteile heben. Auch ein Staatswesen, insbesondere in einer Krisensituation kann um Kreditaufnahmen nicht herumkommen.

Deshalb bleibe ich bei meiner Einschätzung, die ich hier beim ersten Nachtragshaushalt schon vorgetragen habe: Wie sich Berlin hier verhält, ist moderat, und es ist vorausschauend. Warum ist das so? – Wir haben bei uns in der Fraktion häufig über den Preis von Entscheidungen diskutiert. Über den menschlichen Preis und das Risiko ist heute früh in der Aktuellen Stunde erschöpfend geredet worden. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Deshalb rede ich über den fiskalischen Preis. Warum musste sich diese Koalition, in dem Punkt auch mit Unterstützung der

CDU-Fraktion, darauf verständigen, noch einmal zusätzliche Kredite von derzeit 500 Millionen Euro aufzunehmen und dem Haus heute hier vorzuschlagen? – Das hat einzig und allein damit zu tun, dass es einen zweiten Lockdown gab, erstens, und dass dieser zweite Lockdown zweitens – noch 30 Sekunden, das kann nicht ganz stimmen, ich habe die Absicht, 15 Minuten zu reden – nicht einen Monat dauerte, sondern mutmaßlich mehrere Monate dauern wird. Das muss dann natürlich reflektiert werden. Auch da gebe ich dem Kollegen Zillich recht: Was noch gar nicht abgebildet ist – ich habe meine Zweifel, ob das mit einer Vermögensabgabe oder einer Zwangshypothek wie beim Lastenausgleich in den Jahren 1945 bis 1949 abschließend ausdiskutiert ist –, aber das von vornherein zu verwerfen, mutmaßlich ideologisch verbrämt, das ist auch nur Reflex. Das ist keine Politik, das ist Reflex.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der LINKEN]

Fazit ist, die gesamten Förderkulissen des zweiten Lockdowns waren auf einen Monat ausgerichtet. Ich erinnere mal an Helge Schneider, nicht, weil er mein Namensvetter ist, sondern weil er mir spontan einfällt, der dafür geworben hat, nicht die Novembereinnahmen, sondern die Jahresdurchschnittseinnahmen heranzuziehen, weil er im November halt keine Auftritt hatte. Bis in diese kleinste Kulissenunterstützung war die Verheißung in der Bevölkerung: In einem Monat haben wir es geschafft. – Heute, das ist klar und absehbar, wird sich das über diese Zeitachse hinausstrecken. Insofern ist das eine mit dem anderen in einer engen Kausalitätsbeziehung. Warum erwähne ich das? –

[Stefan Förster (FDP): Das frage ich mich auch!]

Weil wir auch einen Auflagenbeschluss in diesem Haushaltsgesetz als Annex beschließen werden, den wir heute hier vorschlagen, der den Senat auffordert, im Fall des Falles, dass er mit dem, was unsere Einschätzungsprärogative übersteigt, dann mit einem dritten Nachtragshaushalt erneut an das Haus heranzutreten. Ich erwähne das aber insbesondere aus juristischen Gründen.

[Karsten Woldeit (AfD): Oh!]

Es entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers, nicht dem Willen des Gesetzgebers, weitere LockdownMaßnahmen durchzuführen, die sich abseits von § 28a Infektionsschutzgesetz des Bundes abspielen. Es ist also gerade nicht der Freifahrtschein inkonsequent anzusteuern, das ist damit dezidiert nicht gemeint, sondern die vorausschauende Analyse, dass wir noch nicht überblicken können, dass wir noch nicht wissen, wem wir helfen müssen, wen wir unterstützen müssen. Die Befürchtung, die wir gemeinsam haben, das muss man hier auch ernsthaft diskutieren, deshalb erteilte ich den Reflexen hier, ohne uns in der Sache zu positionieren oder auch nur vorzupositionieren, eine Absage. Das ist doch nicht klar, was da auf uns zukommt. Da können wir alle nur raten.

Aber die Aussetzung der Insolvenzbeantragungspflicht, die Verlängerung des Kurzarbeitergelds, die verschafft uns zunächst einmal Luft für eine gesellschaftliche Befundung, die danach abgerechnet wird. Die dann zum nächsten Weihnachtsfest auf die Politik in Deutschland zukommt. Ich befürchte, dass wir in vielen Sektoren zu kurz springen, ob das nun Wirtschaftssektoren wie die Gastronomie anbelangt, die das koppeln mit ihrer internen Befundung: Warum sind wir eigentlich adressiert? – oder andere Sektoren, das können wir alles noch nicht einschätzen. Aber hier stehen Marktumwälzungen bevor oder Bereinigungsprozesse, mit dem Risiko, dass ganze Innenstädte verwaist dastehen. Gerade für eine Stadt wie Berlin – jetzt mögen mal die Kulturpolitiker bitte weghören, weil das sehr rufschädigend für mich ist –, wo die Kultur und das Laissez-faire lebensprägend sind, ein echter Wirtschaftsfaktor sind – guck mich ja nicht an, Kollege Lederer! –, muss uns das doch zu denken geben, wenn wir hier nicht massiv unterstützen und wenn wir jetzt schon der Einschätzung sind, wir können noch gar nicht abschätzen, wo das am Ende des Tages hinführt.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ja, wunderbar. – Eine Wahrheit auszusprechen, auch wenn sie an meinem Ruf knabbert, kann ja nicht schädlich sein. Darauf muss sich Politik vorbereiten, ohne sich in irgendwelche Spielchen zu verhakeln: Wie viel muss der Bund geben, wie viel gibt das Land und dergleichen mehr.

[Bürgermeister Dr. Klaus Lederer: Ist eindeutig ruferhöhend!]

Aber nur aus deiner Perspektive, mein Lieber!

Ich will noch einen Punkt ansprechen und das nicht in die Länge ziehen. Die korrespondierende Situation, dass jetzt sozusagen ohne Parlamentsbefassung Milliardenentscheidungen vorgeprägt, vorveranlasst werden, die möchten wir zugestellt wissen. Das anbelangt jetzt den Sonderfall diverser Vertragsabschlüsse in der Exekutive. Ich will das hier nicht in die Länge ziehen,

[Zuruf von der LINKEN: Doch, doch!]

aber die Haushaltspolitiker wissen das, und zwar betrifft es den Verkehrssektor.

[Zuruf von der LINKEN: Wir hören Ihnen gerne zu!]

Wenn der Senat der Auffassung ist, er könne 2,7 Milliarden Euro ohne Parlamentsbefassung und ohne Rückendeckung aller drei Koalitionsfraktionen und möglicherweise Stellungnahme der Oppositionsfraktionen einplanen,

[Oliver Friederici (CDU): So nicht!]

dann ist das eine Fehlsichtigkeit. Das tragen wir nicht mit. Das muss hier einmal so deutlich ausgesprochen werden. Das gehört hier ins Parlament. Diese Entscheidungsmacht, die der Senat sich und uns zumutet, macht mehr aus als der gesamte Wirtschafts- und Justizetat

zusammen. Nach dieser Logik könnten wir in die beiden Kopfkapitel Verpflichtungsermächtigungen eintragen, und den Rest macht dann der Senat titelscharf. Das ist ein Modell, das in Skandinavien erprobt wird; da spricht einiges dafür. Jochen Esser war jemand, der in diese Richtung überlegt hat. Aber das ist nicht reale Politik und nicht reale Balancierung von exekutiver und legislativer Machtbeschränkung und -verschränkung. – Das wollte ich hier einmal so deutlich sagen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU und der LINKEN]

Für die SPD-Fraktion erkläre ich ein Weiteres sehr deutlich: Wir haben durchaus Hinweise bekommen, die die Familienförderung betreffen. Das sei Bundesangelegenheit etc. pp. – Ich will es einmal so formulieren: Es gibt Hinweise, die veritabler sind als andere. In diesem Punkt ist es eine klare politische Sortierung der SPD-Fraktion und der Koalition. Es ist absehbar, auch wenn es uns allen nicht gefällt – man hat es dem Regierenden Bürgermeister und auch der Kanzlerin gestern angemerkt; wer will schon seine Stadt, sein Land in eine solche Situation führen, was aber nun einmal zur Führung gehört in der Notsituation –, dass wir im Januar, möglicherweise auch im Dezember in eine Situation der besonderen Belastung von Familien kommen. Und da ist die Erwartungshaltung vollkommen klar: Ich möchte keinen Zettel aus dem Senat bekommen, dass etwas nicht geht, sondern eine rosa Schleife um ein Paket, dass der Senat dann in Pressekonferenzen verkündet, wie gut er es hinbekommen hat, in diesen Situationen Familien mit besonderer Belastung zu unterstützen. – Das ist für uns essenziell. Ich sehe mich außerstande, einer Entsperrungsvorlage im Hauptausschuss zuzustimmen, die das nicht abbildet,

[Beifall bei der SPD – Paul Fresdorf (FDP): Er sieht genau, wer klatscht!]

es sei denn, die SPD-Fraktion kommt da zu einer anderen Entscheidung, was ich nicht prognostiziere.

Weil jetzt alles gesagt wurde, nur nicht von jedem, verkneife ich es mir auch in dieser Rederunde – ich habe ja noch ein paar; der Senator spricht auch noch, da haben wir noch einmal 15 Minuten Zeit, dann haben wir auch noch den Untersuchungsausschuss zu bereden –, doch noch einmal auf das ein oder andere einzugehen, was mir eigentlich seit ein paar Monaten auf den Nägeln brennt. Aber bisher läuft das hier für meine Verhältnisse sehr harmonisch,

[Lachen von Danny Freymark (CDU)]

und deshalb will ich hier einen Punkt setzen: Der Haushalt ist folgerichtig, schön ist er nicht.