Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen; sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein. Ansonsten werden die Fragen zurückverwiesen. Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in einer Runde nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht mindestens eine Zusatzfrage dem anfragenden Mitglied zu, eine weitere Zusatzfrage kann auch von einem anderen Mitglied des Hauses gestellt werden. Frage und Nachfragen werden von den Sitzplätzen aus gestellt. Als Erstes rufe ich auf für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Isenberg. – Bitte schön, Herr Isenberg!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat, wie die Vorbereitungen zur Berliner Impfstrategie ausschauen, und auch danach, nach welcher Priorität die Bevölkerung in welchem Zeitrahmen geimpft werden wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Isenberg! Meine Damen und Herren! In dieser Pandemie ist das tatsächlich ein Hoffnungsschimmer, es ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Ich glaube, das ist die einzige Hoffnung, die wir in dieser Phase haben, dass mit diesen ganzen Anstrengungen, die diese Pandemie für viele Menschen mitbringt, sich auch tatsächlich die Lebenssituation wieder etwas normalisiert. Sie wissen alle, dass wir eine Immunisierung von 70 Prozent brauchen, um eine Herdenimmunität herzustellen, und deswegen sind nun mal die beiden Impfstoffe, die gerade avisiert sind und auf die wir händeringend warten, natürlich ein Hoffnungsschimmer. Wir haben einige Eckdaten, die tatsächlich noch nicht stehen, aber wir sind sehr weit in der Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Und wir sind natürlich sehr froh, dass wir jetzt in der Situation sind, dass zwei Hersteller in ihren Studien mit der Antragstellung so weit sind, dass wir hoffentlich schon dieses Jahr, aber spätestens im Januar auch mit Lieferungen von Impfdosen rechnen können. Wir in Berlin bereiten uns seit Wochen vor, um diese Impfung dann auch vornehmen zu können.
Normalerweise denkt man, das Thema Impfen ist im Gesundheitswesen ganz normal – warum ist es jetzt so komplex? – Weil dieser erste Impfstoff – und wir reden in Berlin vom Impfstoff B, das bedeutet Biontech – innovativ und auch komplex ist, das heißt, dass die Lagerungsbedingungen sehr komplex sind – minus 80 Grad –, sodass die nationale Impfstrategie vorsieht, dass wir zwei Phasen haben werden. In der ersten Phase müssen wir erstens mit einem geringen Umfang von Impfdosen rechnen und zweitens mit dieser komplexen Lagerung umgehen.
Deswegen haben Bund und Länder verabredet, dass die erste Phase der Impfung über Impfzentren stattfinden wird, das richten die Länder ein. Wir haben das Thema am Dienstag im Senat erörtert und haben die sechs Impfzentren für Berlin verabredet. Sie sind sehr gut in Berlin verteilt, das werden Massenimpfungen werden.
Ihre Frage: Wer soll zuerst geimpft werden? – ist tatsächlich eine sehr wichtige Frage, denn eins wissen wir: dass die Impfstoffdosen, die wir noch dieses Jahr bekommen könnten, nicht für die gesamte Bevölkerung reichen werden. Dazu warten wir händeringend auf die Empfehlung der Ständigen Impfkommission gemeinsam mit dem Ethikrat und der Leopoldina. Sie haben mit einem Positionspapier Zielgruppen definiert, aber die Priorisierung noch nicht vorgenommen. Wir wollen uns aber auf alle
Sie kennen die Gruppen, die im Raum stehen: die über 75-jährigen Menschen sind im Fokus, natürlich auch Menschen, die Vorerkrankungen haben, aber vor allem auch das Personal in den Krankenhäusern, aber auch im Bereich der Pflege steht hier sehr stark im Fokus. Wir warten händeringend auf diese Priorisierung, denn nur damit können wir loslegen, und wir warten auch händeringend auf ein Terminierungssystem, das bundeseinheitlich kommen soll, denn wir müssen ja auch diese Termine machen können. Es soll bundeseinheitlich zwischen Bundesgesundheitsministerium und KBV ein System entwickelt werden. Das sind die beiden Grundvoraussetzungen für den Start.
Was das Herrichten der Impfzentren angeht, bin ich sehr zuversichtlich. Dort haben wir Herrn Broemme in bewährter Form beauftragt, der ist mit den Planerinnen und Planern sehr fortgeschritten, sodass ich da eine zügige Umsetzung erwarte. Auch die Bereitschaft des Personals, diese Impfungen durchzuführen, ist in der Stadt enorm hoch, das ist etwas Positives in dieser Pandemie. Sowohl mit der KV als auch mit den Hilfsorganisationen sind wir in sehr enger Abstimmung, damit wir diese Mammutaufgabe, diese gute Aufgabe für diese Stadt auch personell stemmen können. – Danke schön!
Meine Nachfrage wäre konkret: Wie viele Menschen werden in der ersten Phase, über die Sie gerade berichtet haben, denn geimpft werden, und wie lange wird es vorbehaltlich der Verfügbarkeit der Impfstoffe dauern, bis dann beispielsweise 70 Prozent der Berlinerinnen und Berliner geimpft sein könnten?
Vom Bundesgesundheitsministerium sind Zahlen für die Länder genannt worden. Bei Impfstoff A – Astrazeneca – rechnen wir mit einem Maximum von 200 000 Impfungen; bei Impfstoff B, bei dem wir eher sehen, dass etwas
kommen wird, ist die Spanne zwischen 250 000 und 635 000. Wir bereiten uns auf 635 000 vor, denn wir wollen auch für den Best Case vorbereitet sein. Ja, und wenn man dann weiß, dass pro Person zwei Impfungen erforderlich sein werden, können wir damit rechnen, dass wir ungefähr die Hälfte an Menschen impfen können.
Da die Zahl der Impfdosen uns absolut noch nicht bekannt ist, planen wir, ehrlich gesagt, auch ohne diese Zahl zu haben, aber wir rechnen insgesamt mit 400 000 Impfungen in diesen Impfzentren. Das sind natürlich Größenordnungen. Wie gesagt: Die konkrete Zahl ist einfach noch nicht bekannt.
Ja, ich bin wieder da! – Frau Senatorin! Mich würde interessieren: Wenn wir dann spätestens im Januar so weit sind, dass wir auf Zielgruppen wie über 75-Jährige, Gesundheitsberufe oder auch Menschen mit Vorerkrankungen je nach STIKO-, Leopoldina- und EthikratHinweis zugehen können – wie wir vorhaben, eine möglichst große Impfbereitschaft zu erzielen. – Danke!
Ja, das wird entscheidend sein, wie hoch die Impfbereitschaft am Ende sein wird. Wir bereiten uns auf das Maximale vor, aber es ist eine freiwillige Impfung, und wir sind davon abhängig, dass die Menschen dieses Angebot auch annehmen. Die Impfbereitschaft kann man, denke ich, am besten erhöhen, indem man viel informiert und aufklärt, deswegen haben wir als Länder auch das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert oder gebeten, eine bundeseinheitliche Impfkampagne durchzuführen. Ich denke, es ist nicht gut, wenn jedes Land für sich eine Kampagne führt, es ist schon eine nationale Angelegenheit. Das hat auch schon gefruchtet, wir haben die ersten Hinweise des Bundesgesundheitsministeriums bekommen, wo wir Partner genannt haben von den Ländern, damit diese Kampagne gemeinsam von Bund und Ländern starten wird. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Bundesgesundheitsministerium sehr zügig damit startet.
Wir werden natürlich auch Hotlines haben, um weitergehende Fragen zu beantworten, die die Bürgerinnen und Bürger haben. Ich glaube, wir sind alle mit in der Pflicht, aufzuklären, warum diese Impfung für die Bewältigung dieser Pandemie von hoher Bedeutung ist. Information
und Aufklärung – das sind die beiden Mittel, die wir in der Hand haben, um die Impfbereitschaft möglichst hoch zu halten. Laut der letzten Schätzung der Expertenkommissionen, die ich kenne, wären 60 Prozent der Bevölkerung bereit, sich impfen zu lassen. Das ist schon mal eine gute Quote, aber noch höher ist natürlich noch besser.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat zur Blockadehaltung von Senator Dr. Behrendt, dass Anträge für Forschungsvorhaben über Wochen liegen bleiben: Warum bremst die Senatsverwaltung die Spitzenforschung, auf die wir doch in Berlin so stolz sind, bei der Entwicklung von Coronaimpfstoffen, für die Tierversuche leider unumgänglich sind?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Grasse! Erst einmal haben Sie recht: Wir haben Spitzenforschung in Berlin, und ich glaube, das ist eine hervorragende Entwicklung, für die wir alle gemeinsam in den letzten Jahren viel getan haben, und das sollten wir auch weiterhin unterstützen.
Zweitens: Es ist richtig, dass wir sehr sensibel mit dem ganzen Bereich der Tierversuche umgehen und genau hinsehen, wie das umgesetzt wird. Ich habe – nicht jetzt durch die aktuelle Situation, sondern schon in den letzten zwei, drei Jahren – mir immer wieder auch vor Ort ein Bild gemacht durch direkte Besuche beim MDC in Buch, dem Campus Charité Mitte und dem Einstein-Zentrum für alternative Methoden in der biomedizinischen Forschung.
In den letzten Jahren habe ich mir vor Ort angeschaut, wie sich auch in diesem Bereich der Forschung etwas verändert und wie sich neue Möglichkeiten erschließen, Versuchsreihen zu gestalten. Es gibt wirklich hervorragende Ansätze für Alternativen zu Tierversuchen, die umgesetzt werden: Bei den Tieren, die eingesetzt werden, versucht man, die Belastung zu vermeiden – mit hervor
ragenden Ergebnissen –, und es werden auch deutlich weniger Tiere eingesetzt, als das in früheren Jahren nötig war.
Und ich möchte noch etwas hinzufügen: Ich freue mich sehr darüber, dass wir tatsächlich auch eine Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben, die damit ganz anders umgeht als in früheren Jahrzehnten und sich sehr bewusst ist, dass das hier auch in der öffentlichen Diskussion ein sehr sensibler Bereich ist, in dem man anders handeln muss als in früheren Jahren. Das finde ich gut und unterstütze das auch.
Aber – jetzt kommt das Aber – es gehört zur Wahrheit dazu: So gut diese Ansätze sind, wir können noch nicht in allen Bereichen komplett auf Tierversuche verzichten.
Das ist leider so. Es ist bedauerlich, aber es ist leider noch so, auch Stand der Wissenschaft und Forschung. Insofern sind wir jetzt genau an diesem Punkt, wo wir die Kommissionen, die den Einsatz von Tierversuchen bewerten, gut organisieren müssen, damit wir einerseits dem Tierwohl gerecht werden und andererseits aber auch weiter Spitzenforschung ermöglichen. In dieser Phase sind wir jetzt gerade. Die beteiligten Verwaltungen sind dazu in enger Abstimmung. Ich kann Ihnen sagen, wir werden da auch sehr schnell ein vernünftiges Ergebnis haben. Unter zwei Gesichtspunkten ist das allen Mitgliedern des Senats auch wichtig, dass wir da vorankommen.
Erstens: Wir wollen, noch einmal, Spitzenforschung weiter ermöglichen und unterstützen. Zweitens: Das ist vielleicht nicht das wichtigste Argument, aber für mich ist es ein wichtiges Argument, dass mit diesem Bereich von Wissenschaft und Forschung Arbeitsplätze und Investitionen verbunden sind. Dort, wo wir in den letzten Jahren am meisten an Investitionstätigkeit verbunden mit konkretem Arbeitsplatzaufbau erreichen konnten, hat es immer eine Schnittstelle zu Wissenschaft und Forschung gegeben, ausnahmslos, ob Bayer, Siemens oder andere, die zu uns gekommen sind. Sie suchen die Schnittstelle zu Wissenschaft und Forschung. Wir dürfen nicht riskieren, dass es dort zu einem Abbruch kommt. Im Gegenteil, es muss stetig nach oben gehen.
Zweitens ist mir besonders wichtig, dass wir gerade in dieser Phase dieses Gesundheitsrisikos und der Pandemiebekämpfung doch auch wissenschaftliche Erkenntnisse weiter brauchen. Es ist doch aufsehenerregend, dass wir es wahrscheinlich schaffen, innerhalb von 15, 16 Monaten gemeinsamer internationaler wissenschaftlicher
Arbeit zu einem Impfstoff zu kommen. Daran müssen wir doch weiter ein Interesse haben. Es ist eben, noch einmal, leider im Moment nur durch den Einsatz von Tierversuchen möglich, die in diesem Bereich noch unabdingbar sind. Insofern haben wir alle ein Interesse daran, dass es in diesem Bereich weiter vorangeht, aber mit dem nötigen Augenmaß und der Sensibilität. Das werden wir auch gemeinsam so formulieren, dass es einerseits dem Tierwohl gerecht und der Tierschutz berücksichtigt wird und andererseits Wissenschaft und Forschung weiter gut arbeiten können in unser aller Interesse.