Protocol of the Session on November 1, 2020

Gegebenenfalls müssen auch flexible Unterrichtszeiten umgesetzt werden – natürlich neben einer weiteren Digitalisierung unseres Schulalltages.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN, der FDP und den GRÜNEN]

Herr Regierender Bürgermeister, einen kleinen Moment! – Herr Abgeordneter Lindemann! Ein Zwischenruf ist das eine, andauernd dazwischenzurufen und hier zu versuchen, eine Rede sozusagen zu unterdrücken, das geht nicht. Ich rufe Sie hiermit förmlich zur Ordnung.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Die sozialen Folgen unseres Handelns zu bedenken, ist wichtig. Wir müssen sie im Blick haben, und genauso wichtig ist es, über die Folgen für unsere Wirtschaft zu sprechen. Unternehmen zu helfen, heißt im Übrigen auch, Arbeitsplätze zu retten und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu helfen. Immer wieder bekomme ich Zuschriften mit Fragen, warum es denn nötig ist, Millionen bis zu Milliarden an Unternehmen auszugeben. Ja, es geht genau darum. Es geht darum, unsere Wirtschaft zu stabilisieren und natürlich auch jenseits der großen Unternehmen vor allen Dingen etwas für die kleinen und Kleinstselbstständigen, für die Soloselbstständigen, viele gerade auch aus dem Kulturbereich, zu tun.

Wir konnten in dieser Woche zwischen Bund und Ländern verabreden, dass noch mal 7 bis 10 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, für schnelle und unbüro

kratische Hilfe, indem die bestehenden Auszahlungssysteme genutzt werden und darüber von Unternehmen neue Anträge gestellt werden. Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern erhalten 75 Prozent des Umsatzes des Vergleichsmonats des Vorjahres. Also wer aus dem November 2019 seine Umsätze nachweisen kann, bekommt sie zu 75 Prozent ersetzt. Und wir werden selbstverständlich darüber hinaus sehen, was Berlin noch tun muss, wo wir nachsteuern müssen – bei den Vereinen, im Kulturbereich – und wo durch das Agieren des Bundes noch Lücken sind. Wir werden das im Senat miteinander beraten.

Darüber hinaus, lassen Sie mich auch das sagen, ist die Kurzarbeit das wichtigste Instrument, um Arbeitslosigkeit zu verhindern und Arbeitsplätze zu retten.

[Carsten Ubbelohde (AfD): Ruinös ist das!]

Ich habe an dieser Stelle noch einmal eine Bitte an den Bund. Angesichts der großen Hilfen für die Unternehmen, Hunderte Milliarden – das finde ich gut und richtig, keine Kritik an der Stelle –, bitte ich aber, auch noch mal auf der Bundesebene zu prüfen, ob das Kurzarbeitergeld nicht wenigstens temporär ab dem ersten Monat auf 70 Prozent aufgestockt werden kann. Gerade dort, wo niedrige Löhne gezahlt werden, ist es für ein gutes Leben und Überleben so wichtig, vom ersten Tag an Hilfe und Unterstützung zu bekommen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ja, die Pandemie wird uns noch weiter beschäftigen. Ein weiterer wichtiger Punkt auch für die nächsten Monate wird es sein, wie unsere Maßnahmen kontrolliert werden und wie Tests eingesetzt werden. Bis Medikamente und Impfungen zur Verfügung stehen, werden wir sicherlich viele weitere neue Schritte gehen müssen und Erfahrungen sammeln auch in Bezug auf die Schnelltests, die uns jetzt erst oder jetzt schon – je nachdem, wie man es sieht – zur Verfügung stehen. Ich will aber an dieser Stelle warnen: Die Schnelltests kein Allheilmittel, sie sind ein Baustein. Sie sind ein Baustein, um wieder ein Stück Freiheit zurückzugewinnen. Es ist aber eine schwierige Handhabung. Das, was der Name suggeriert, „Schnelltest“, jeder kann mal zwischen Tür und Angel schnell einen Test machen und dann sehen, ob er in ein Konzert oder zu einem Fußballspiel gehen kann, das ist ein großer Trugschluss.

Fachpersonal wird auch mit Schnelltests umzugehen haben. Wir wissen noch nicht, wie viele Kapazitäten uns in den nächsten Monaten zur Verfügung stehen. Wir werden uns zu Beginn dieser Testverfahren auf diejenigen konzentrieren, die wir ganz besonders im Blick haben müssen, auf Ältere, auf Menschen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, auf Menschen mit Vorerkrankungen, auf Menschen, die wir dringend zur Aufrechterhaltung unseres öffentlichen Lebens und der Sicherheit brauchen wie Polizei und Feuerwehr. Darauf werden wir uns beschränken.

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Natürlich bleibt auch die Kontaktnachverfolgung wichtig. Bundesweit ist es schwer. Wir hatten eine Videokonferenz der Bürgermeister der zehn größten Städte. Es gibt keine Unterschiede. Alle haben die gleichen Probleme. Das Problem ist nicht, dass wir nicht einstellen wollen. Das Problem ist nicht, dass wir kein Geld dafür zur Verfügung stellen wollen. Das Problem ist, dass wir nicht in dem Maß, wie wir Unterstützung und Fachpersonal brauchen, es uns einfach herbeibeschließen können. Die Menschen sind nicht da. Insofern müssen wir flexibel handeln, müssen wir unsere Gesundheitsämter mit den unterschiedlichsten Maßnahmen unterstützen. Ja, wir stellen weiter ein. Wir verteilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Verwaltungen in die Gesundheitsämter. Die Bundesbehörden helfen uns mit Mitarbeitern. Referendare werden mit eingesetzt. Ja, ich kann es mir an dieser Stelle nicht verkneifen: Ich glaube, ist eine gute, eine großartige Hilfe des Bundes, dass er bundesweit, aber eben auch in Berlin die Bundeswehr mit einsetzt und uns unterstützt.

[Beifall]

Das sind gute und qualifizierte Leute, die uns schon so oft geholfen haben. Schon in der Flüchtlingskrise haben sie uns geholfen und haben die Infrastruktur mit aufgebaut. Es sind Leute, die in Berlin leben und arbeiten und hier ihre Familien haben, Menschen, die helfen wollen. Ich kann nicht verstehen, wie man aus ideologischen Gründen in einer Krise, einer Gesundheitskrise, diese Hilfe nicht annimmt. Das muss aufhören.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der AfD und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Aber auch hier ist Eigenverantwortung gefragt und Unterstützung, damit es eine Entlastung in diesen sehr angespannten Bereichen gibt. Es muss doch selbstverständlich sein, nach den Monaten der Diskussion und Aufklärung, dass die Menschen im Falle eines positiven Tests zu Hause bleiben und von allein mögliche Kontaktpersonen über dieses Testergebnis informieren. Braucht man dafür wirklich die Aufforderung des Amtsarztes?

Die Ämter werden weiter die Kontaktketten nachverfolgen. Sie werden weiter informieren, aber es geht darum, dass wir jetzt alle mithelfen, dass wir alle Eigenverantwortung zeigen, dass wir auch unkonventionelle Wege gehen. Ich will jetzt ein kleines Beispiel nennen, wieder nur einen Baustein, der aber helfen kann. Das Bezirksamt Mitte hat für Tests einen Anhänger angeschafft. Praktisch ist es mit diesem Anhänger möglich, eine mobile Teststation im Bezirk zu organisieren. Man kann diesen später als mobile Impfstation nutzen. Es ist ein kleiner Baustein, der helfen kann. Warum orientieren sich nicht alle an solchen Maßnahmen? Es kann doch nicht im Ernst am Geld oder am Personal liegen, so etwas einzurichten. Wenn es am Geld und am Personal liegt, dann werden wir vonseiten des Landes helfen. Wir brauchen solche Unterstützung. Ich glaube, es ist wichtig und richtig.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Ich will an dieser Stelle noch etwas ansprechen, von dem ich hoffe, dass Sie vielleicht auch über Ihre politische Arbeit, über andere Gremien oder über Kontakte zur Bundesebene mithelfen können: Ich glaube, dass wir eine Chance, die wir im Zusammenhang mit der Corona-App haben, nicht vertrödeln und nicht vertändeln sollten. Wir haben die technischen Möglichkeiten. Wir haben 20 Millionen Menschen, die sich diese App heruntergeladen haben. Es geht darum, unsere Gesundheitsämter zu entlasten.

[Gunnar Lindemann (AfD): Alles Staatsüberwachung!]

Es geht darum, schnell zu reagieren. Wir haben in manchen Bereichen in die Grundrechte eingegriffen. Hier an der Stelle, wo wir die Möglichkeit haben, schnell zu helfen, nutzen wir sie nicht aus Sorge davor, dass es mit dem Datenschutz Probleme geben könnte. – Ich nehme den Datenschutz ernst. Ich bin mir aber sicher, wenn ich allein die Resonanz unserer Start-ups in Berlin sehe, was es alles für technische Möglichkeiten gibt, kann man dem Datenschutz nachkommen, aber man kann mit der App deutlich mehr machen und deutlich schneller helfen, als wir es jetzt tun. Wir dürfen in einer Krise, wo es um Leben und Tod geht, solche Chancen nicht vertun. Wir müssen sie nutzen. Jeder muss sie nutzen. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Stephan Standfuß (CDU) und Henner Schmidt (FDP)]

Wenn die Regeln, die wir jetzt miteinander beschlossen haben, morgen in Kraft treten, werden viele auch erwarten, dass wir sie weiter stark kontrollieren. Unsere Berliner Polizei wird gemeinsam mit der Bundespolizei und den Ordnungsämtern dafür sorgen, dass diese Regeln umgesetzt werden. Wir werden in den Gaststätten, in den öffentlichen Einrichtungen, in den Straßen kontrollieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ordnungsämter sind entsprechend geschult. Ich sage hier auch ganz klar, es gibt zurzeit Wichtigeres als die Kontrolle der Parkraumbewirtschaftung.

[Beifall]

Aber auch an dieser Stelle sage ich wieder ganz eindeutig: Politik kann und muss einen Rahmen setzen. Dafür sind wir gewählt. Dafür sind wir da. Wir können Institutionen ausstatten. Wir können Regeln aufstellen. Jeder Einzelne ist gefordert, sie mitzutragen. Es ist eindeutig: Dieser Monat November ist der Monat der Eigenverantwortung. Wir können und wollen eine Stadt mit fast 4 Millionen Einwohnern nicht lückenlos überwachen. Wir können nicht und wir wollen nicht vor jedes Wohnzimmer einen Polizisten stellen.

[Jeannette Auricht (AfD): Na Gott sei Dank! ]

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Kein Ministerpräsident, niemand in der Politik kann das, selbst wenn er noch so kraftvoll und bestimmt in den letzten Wochen aufgetreten ist.

[Ronald Gläser (AfD): Wäre ja auch noch schöner!]

Wir alle sind darauf angewiesen, dass wir von den Bürgerinnen und Bürgern unterstützt werden, dass wir gemeinsam diese Situation ernst nehmen. Wer diese weltweite Krise mit über einer Million Toten nicht ernst nimmt, der hat auch in den letzten Wochen nichts verstanden. Wer jetzt noch behauptet, demokratisch gewählte Parlamente, hier in unserem Land, hier in unserer Demokratie, würden diese Coronakrise für eine „Coronadiktatur“ nutzen – mein Gott, was sind das für dumme Reden.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN, der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Genauso dümmlich sind ständige Vergleiche mit der Grippe und den Grippetoten. Ja, das stimmt, an einer Grippe kann man sterben.

[Carsten Ubbelohde (AfD): So, wie die WHO das macht!]

Was macht das besser? Was macht das besser, wenn wir die Situation im Zusammenhang mit der Coronapandemie betrachten? Ist es wirklich immer noch ein gutes Argument zu sagen, ja, man kann auch an einer Grippe sterben, wenn die eigene Familie und die eigenen Freunde betroffen sind? Wollen wir nicht, dass wir allen, auch wenn man an anderen Krankheiten sterben kann, helfen, so gut es geht, durch diese Coronazeit zu kommen? Wollen wir nicht alle Leben retten?

Es geht nicht darum, ernsten und seriösen Debatten auszuweichen. Nein, denen muss sich die Politik stellen. Das tun wir auch. Wir müssen darüber diskutieren, wie die Aufgabe von Gerichten, von Parlamenten und Regierungen sind. Wir müssen über den sensiblen Umgang und den Schutz unserer Grundrechte reden. Für diese Auseinandersetzung, für diese ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Krise, ist es nicht nötig, Veganköchen oder Reichsflaggenträgern hinterherzulaufen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN, der CDU und der FDP]

Jeder muss wissen, was er tut.

Ich weiß, ich mute, wir muten wieder vielen Menschen viel zu. Allen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, der Kanzlerin, uns allen im Senat ist es schwergefallen, das zu beschließen, was jetzt auf dem Tisch liegt. Aber unsere Überzeugung ist: Es geht nicht anders.

[Christian Goiny (CDU): Alternativlos!]

Unsere Maßnahmen sind auf den November beschränkt. Ich habe es in den letzten Tagen schon einmal gesagt und wiederhole es hier: Ich kann nichts versprechen, aber ich

bin sicher, wir haben die Chance auf eine gemeinsame schöne Adventszeit mit unseren Freunden und der Familie. Jetzt gemeinsam solidarisch und entschlossen die Maßnahmen tragen und umsetzen – darum geht es, und wir haben es in der Hand. Wir alle sehnen uns nach Normalität und nach Sicherheit, und Sicherheit wird es nicht durch kurzfristige Klageerfolge geben, mit denen die einen versuchen, aus unserem Konzept, aus dem Maßnahmenmix, den wir miteinander verabredet haben, Bausteine herauszubrechen, um zu sehen, ob man nicht sich selbst doch noch ein Stück Freiheit erstreiten kann.

Viele haben die Möglichkeiten, auf Veranstaltungen zu gehen, in Gaststätten oder in Hotels zu gehen, in den letzten Wochen gar nicht genutzt, obwohl sie es hätten tun können. Sie haben diese Möglichkeiten gar nicht genutzt, weil sie nicht sicher waren, wie die Situation ist, wie gefährlich Corona ist, weil sie nichts riskieren wollten.

[Marc Vallendar (AfD): Angstmacherei!]

Es ist jetzt unsere gemeinsame Aufgabe, durch unser besonnenes Handeln die Infektionsgefahr zu minimieren und den Berlinerinnen und Berlinern Sicherheit zu geben; Sicherheit zu geben für ein wieder unbeschwertes Zusammenleben, für Kinobesuche und Theaterbesuche, für den Besuch bei Freunden, in der Kneipe oder beim Sport. Es geht darum, Sicherheit zu geben für die ganze Vielfalt unserer fantastischen Stadt, die wir alle wieder erleben wollen. Ich gebe es zu: Ich kann es kaum erwarten.

Ich weiß: Gemeinsam werden wir durch diese Krise kommen, denn wir haben schon einmal gezeigt, dass wir es können. Wir haben es schon einmal geschafft im Frühjahr und haben mit unseren Maßnahmen und unserer Verantwortung, die jeder für sich angenommen hat, so viel erreicht, und wir können wieder viel erreichen. Wir tun das für die Gesundheit unserer Familien, für die Gesundheit unserer Arbeitskollegen und Freunde, wir tun das für die Berlinerinnen und Berliner, wir tun das für unsere Heimatstadt Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Wir kommen zur Aussprache mit einer Redezeit von bis zu 15 Minuten pro Fraktion. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Bitte schön, Herr Dregger!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am Montag bekam ich folgende Nachricht: Lieber Herr Dregger! Meine Mutter liegt in der Park-Klinik im Sterben, und meine Frau und ich haben gerade erfahren, dass wir auf das SARS-CoV-2-Virus positiv getestet wurden. Momentan sind wir am Limit