Ich möchte allen danken, die diesen Weg mitgetragen haben, natürlich im Gesundheitswesen, aber auch in den Schulen, in den Kitas, den Lehrerinnen und Lehrern, den Erzieherinnen und Erziehern, den Verwaltungen. Ich möchte aber darüber hinaus auch den Familien, den Geschäftsleuten danken, allen, die Konzepte erarbeitet haben und die uns deshalb auch mit ihren Ideen, mit ihrer Kreativität so viel ermöglicht haben. Ein großes Dankeschön von uns. Sie haben es mitgetragen.
Sie haben mit dazu beigetragen, dass nicht nur vielen Menschen gut geholfen werden konnte, dass nicht nur viele Menschen gerettet werden konnten, sondern sie haben dazu beigetragen, dass Berlin im Sommer trotz der Belastung eine lebens- und liebenswerte Stadt war.
Umso schwerer, ja bitter, ist es jetzt, erneut um Hilfe und Solidarität zu bitten, aber es muss sein. Die Entwicklung um uns herum ist eindeutig. Überall um uns herum, in ganz Europa, ist der Lockdown schon beschlossen oder kündigt sich an. Sperrstunden sind beschlossen, Ausgangssperren.
Wir haben einen dramatischen Anstieg von Infektionen in fast allen Ländern und leider auch wieder deutlich mehr Todesopfer. In Brüssel, unserer Partnerstadt, direkt vor unserer Haustür, mehren sich die schlimmsten Meldungen. Bald sollen dort alle Intensivbetten belegt sein. Es sind kaum Beatmungsgeräte vorhanden. Lebenswichtige Behandlungen für Erkrankte jenseits von Covid werden verschoben. Ich will kein Brüssel in Berlin. Ich will kein Bergamo. Ich möchte keine Bilder von Kühllastern mit Verstorbenen, die durch New York fahren, wie wir sie im Frühjahr gesehen haben. Ich möchte so etwas nicht für Berlin.
Genau darum geht es, jetzt zu handeln, nicht irgendwann, wenn es zu spät ist. Es ist wichtig, dass wir in der vergangenen Woche eine Verabredung treffen konnten, die bundesweit getragen wird, von allen Bundesländern. Ob Thüringen, ob Bayern, ob Mecklenburg-Vorpommern oder NRW oder Baden-Württemberg, alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten wussten, es ist wichtig, jetzt gemeinsam zu handeln.
Alle Bundesländer haben die gleichen Probleme, erst recht alle Großstädte. Wir sehen es aber auch in Berlin. Da gibt es nichts wegzudiskutieren, über nichts hinwegzusehen. Auch bei uns gehen die Zahlen rasant nach oben. Auch bei uns werden die Intensivbetten immer stärker genutzt. Auch bei uns gehen leider die Todeszahlen nach oben. Ja, meine Damen und Herren, deswegen jetzt handeln. Aber wenn man im Detail nachfragt und mit vielen Betroffenen spricht – ich vermute, Ihnen geht es auch so –, bekommt man oft die Antwort: Aber wir sind doch nicht das Problem. Wir haben doch alles gemacht. Wir haben doch jedes Konzept umgesetzt. Sport war kein Problem, weil alle Regeln beachtet werden. In der Kultur – wunderbar – Belüftungssysteme und Zugangsregeln und Onlinetickets. Die verhindern doch, dass es zu Infektionen kommt. Und erst recht im privaten Bereich hält sich jeder an die Regeln, die wir gemeinsam miteinander formuliert haben. – Wie kommt es denn dann zu den Zahlen?
[Gunnar Lindemann (AfD): Es wird ja auch mehr getestet! Je mehr getestet wird, desto höher die Zahlen!]
Ja, es kommt weiterhin von Kontakten. Es ist so. Auch dort, wo Regeln in den Veranstaltungen selbst gut beachtet und umgesetzt werden, gibt es auf dem Weg dorthin und danach, am Rande der Veranstaltung Begegnungen und Kontakte. Wir wissen, das ist das Problem. Es geht tatsächlich wieder darum. Dazu gibt es nicht zwei Meinungen, nicht nur in der Politik nicht, sondern auch in der Wissenschaft nicht. Es geht darum, Kontakte zu vermeiden. Das Perfide an dieser Krise ist: Jetzt, wo wir einander so dringend brauchen, noch mehr brauchen, müssen wir auf Distanz gehen. Gemeinsam allein sein, so sind wir nicht gewohnt zu leben. Keine digitale Verbindung kann das ausgleichen. Aber was einfach klingt, will man kaum wahrhaben und ist auch schwer umzusetzen. Es geht darum, zu Hause zu bleiben. Kontakte müssen vermieden werden. Kontakte meiden heißt, Infektionen verhindern. Deswegen haben wir viele Maßnahmen auf der Bundesebene beschlossen, die wir auch im Senat übernommen haben. Kultur- und Freizeiteinrichtungen sind zum größten Teil ab morgen wieder geschlossen. Viele Dienstleistungen, die nicht zwingend erbracht werden müssen, nicht zwingend gebraucht werden, werden eingeschränkt,
erst recht die Gastronomie und damit einhergehend, wir wissen es alle, auch die Hotellerie und der Tourismusbereich.
Ich fordere die Unternehmerinnen und Unternehmer auf, zu prüfen, ob es nicht wieder möglich ist, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstärkt im Homeoffice arbeiten. Es geht darum, tatsächlich auch in den Haushalten wieder zu Einschränkungen zu kommen, und das ist besonders bitter. Ja, nur noch zwei Haushalte oder ein Haushalt plus zwei weitere Personen sollen sich im privaten Rahmen treffen. Das dient dem Ziel, eben Kontakte zu vermeiden. Der wichtigste Satz in den Beschlüssen von Bund und Ländern ist: Jede Person ist angehalten, die Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts auf das absolute Minimum zu reduzieren.
Ich appelliere an alle Berlinerinnen und Berliner an dieser Stelle: Nehmen Sie diese Regeln ernst, tragen Sie den Mund-Nasen-Schutz in den Bürohäusern, in den Verkehrsmitteln, in den Geschäften!
Warten Sie nicht, bis irgendwelche Straßen auf irgendwelchen Listen als mögliche Infektionsherde genannt werden! Es ist eigentlich ganz einfach: Überall dort, wo es eng wird und wo man keinen Abstand halten kann, im privaten wie im öffentlichen Rahmen, überall dort muss es sein, überall dort muss man die Maske tragen.
Ich weiß, dass jeder auch mal einen Fehler macht. Jeder ist auch mal nachlässig und kommt einem anderen mal zu nahe, man setzt die Maske mal ein paar Sekunden zu spät auf. Das ist menschlich. Das ist so, aber es bleibt wichtig, dass alle sich bewusst machen, wie wichtig die Regeln unseres Zusammenlebens jetzt sind, und überall dort, wo wir es in der Hand haben und wo wir selbst entscheiden können, kommt es darauf an, auch wirklich zu sagen: Besuche finden jetzt nicht statt, ich bleibe zu Hause.
Wir hoffen, damit in den kommenden vier Wochen die Infektionsdynamik zu durchbrechen, am besten sogar zurückzudrängen. Auch deshalb – das will ich an dieser Stelle ganz klar betonen – sind in vielen Bereichen so harte Einschnitte nötig, weil allen Ministerpräsidentinnen
und Ministerpräsidenten, aber auch mir ganz persönlich eines ganz wichtig war, nämlich dass wir so weit und so viel wie möglich für unsere Kinder ermöglichen. Die Kinder sind in einer besonderen Situation, und wir haben wieder im Senat, als wir die Maßnahmen beschlossen haben, darauf geachtet, dass wir einerseits in der bundesweiten Verständigung bleiben, aber andererseits darauf reagieren, dass wir in einer Großstadt auch besondere Situationen haben. Deswegen war es uns wichtig, den Zoo oder den Tierpark offenzuhalten, die Büchereien offenzuhalten, ein kulturelles Angebot insbesondere auch für Kinder und Jugendliche machen zu können oder Sport in kleinen Gruppen für Kinder zu ermöglichen. Ich glaube, dass das wichtig bleibt.
Aber das Wichtigste für uns alle war – und wir haben darüber auch im Senat lange diskutiert –, dass die Schulen und Kitas offenbleiben.
Und wir haben auch gelernt, wir haben gelernt aus dem Frühjahr. Im Frühjahr haben wir sehr schnell die Schulen und Kitas geschlossen. Ja, das war auch der Stand der Beratung und der wissenschaftlichen Erkenntnis, oder vielleicht kann man auch in so einer neuen Krisensituation schlichtweg sagen, dass wir auch noch nicht ganz genau wussten, wo und wie man gut und sachgerecht reagieren muss. Heute wissen wir mehr. Wir wissen, dass von den Kindern wohl kein besonderes Infektionsrisiko ausgeht. Wir wissen, dass auch Kinder erkranken können, auch schwer erkranken können, aber nicht in dem Maße wie Erwachsene.
Wir wissen aber noch etwas: Wir wissen um die sozialen Folgen, wenn Kita und Schule geschlossen werden. Wir haben erlebt, was es auslöst, wenn Kinder nicht in die Schule gehen können, wenn ihre Familien eben nicht alles auffangen können, was in der Schule geleistet wird. Kinder brauchen ihre Freiräume, sie brauchen ihre Freunde, ja, aber sie brauchen auch die Unterstützung durch Erzieher und Lehrerinnen und Lehrer.
Und wir haben noch etwas im Frühjahr erlebt und daraus Lehren gezogen, und ich sage das auch wieder ganz persönlich: Ich hätte es nicht für möglich gehalten und finde es erschütternd, dass ganz eindeutig abzulesen ist, wie die Gewalt gegen Frauen und Kinder zunimmt in einer Ausnahmesituation, wo Kinder nicht in die Kita und in die Schule gehen können. Es ist ein unerträglicher Zustand, und wir dürfen so etwas nicht erneut zulassen.
[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP – Beifall von Thorsten Weiß (AfD) – Stefanie Remlinger (GRÜNE): Nicht mal da klatscht die AfD! – Zurufe von der AfD]
Ich will mich deswegen natürlich bei den Lehrerinnen und Lehrern und bei vielen sozialen Organisationen bedanken, bei vielen, die in dieser Ausnahmesituation im Frühjahr ansprechbar waren und die durch ihr Engagement viel aufgefangen haben. Und wir haben uns darauf eingestellt. Die Wissenschaft hat uns gesagt: Ihr müsst damit rechnen, dass in den Wintermonaten, wo wir nicht mehr so viel draußen erleben können und wo wir in die geschlossenen Räume gehen, dann vor allen Dingen auch in der Schule vieles an weiteren Maßnahmen nötig ist.
Wir haben uns mit den Belüftungssystemen auseinandergesetzt. In einem Stufenplan, den Frau Scheeres zusammen mit vielen Fachleuten erarbeitet hat,
gibt es entsprechende technische Ausstattungen in den Unterrichtsräumen, die Maskenpflicht für die älteren Jahrgänge und weitere Hygienemaßnahmen.
Gegebenenfalls müssen auch flexible Unterrichtszeiten umgesetzt werden – natürlich neben einer weiteren Digitalisierung unseres Schulalltages.