Protocol of the Session on October 1, 2020

Darauf möchte ich gerne kurz exemplarisch eingehen – leider hat Frau Scheeres den Saal gerade verlassen, als wir angefangen haben, über den Datenschutz zu reden, ich will keinen Zusammenhang herstellen, aber es ist traurig, dass sie nicht da ist. Nehmen wir einmal das Thema digitale Bildung. Ich weiß, glaube ich, dass wir alle wollen, dass unsere Schulen weiter im Regularbetrieb laufen. Wir möchten alle, dass unsere Schülerinnen und Schüler in die Schule gehen können. Wir möchten unsere Eltern dabei unterstützen, und dafür brauchen wir digitale Bildung.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Stephan Standfuß (CDU)]

Ich stelle mir die Frage, was denn für digitale Angebote wichtig ist – wir haben auch das E-Government angesprochen, aber ich bleibe erst mal bei der Bildung. Das interessiert mich auch persönlich sehr, das interessiert auch die CDU-Fraktion sehr: Dafür brauche ich einen sicheren Datenschutz im Bereich der Bildung. Da interessiert mich, was der Senat hier mit der Datenschutzbeauftragten macht. Wird die denn eingebunden? Wird die denn in die Applikationen eingebunden, die entwickelt werden? Wird die in die Beschaffung von Endgeräten eingebunden, die gekauft werden? Wird sie proaktiv eingebunden? Wird sie gefragt? Wird auf ihre Hinweise Rücksicht genommen? – Ich spoilere ein klein wenig: Nein, das passiert nicht.

Das habe ich mir im KTDat-Ausschuss erlaubt, bei der zuständigen Staatssekretärin abzufragen, ob die Endgeräte, die Applikationen, die dort laufen, und auch die Applikationen im Lernraum Berlin datenschutzkonform

seien. Das war ein für mich bisher ein einmaliger Vorgang: Die Staatssekretärin verweigerte die Auskunft.

[Tom Schreiber (SPD): Was?]

Die Staatssekretärin – Sie waren dabei, Herr Kohlmeier – verweigert die Auskunft und sagt: Diese Frage wird Sie nicht beantworten. – Ich habe ich mir also erlaubt, eine Schriftliche Anfrage zu stellen und die Datenschutzbeauftragte selber zu fragen, ob Sie denn beteiligt worden ist. Ich erspare Ihnen, das im Detail vorzulesen, wobei es wirklich spannend ist. Ich kann Ihnen nur sagen, dass der Lernraum Berlin nach heutigem Stand nicht datenschutzkonform ist. Die Datenschutzbeauftragte ist nicht in die Entwicklung weiterer Applikationen eingebunden. Die Datenschutzbeauftragte ist nicht in den Erwerb und die Applikation der Endgeräte eingebunden. Die Datenschutzbeauftragte wird vollkommen rausgehalten.

Wir erwarten vollkommen zu Recht von Unternehmen, dass sie datenschutzkonform handeln, das erwarte ich aber auch von diesem Senat. Deswegen müssen wir darauf immer ein Augenmerk legen, dass wir nicht nur in Sonntagsreden sagen, Datenschutz sei ganz wichtig, sondern bitte auch im eigenen Handeln, hier auch im Handeln des Senats, das zu berücksichtigen und umzusetzen. Dazu fordere ich den Senat auf – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Fresdorf?

Sehr gerne!

Herr Fresdorf, bitte!

Lieber Kollege Stettner! Vielen Dank für diese Möglichkeit der Nachfrage! Wenn ich Ihre Ausführungen so höre, würden Sie dann die Einschätzung mit mir teilen, dass das Thema dem Senat von Berlin, bzw. zumindest der Bildungsverwaltung, ziemlich egal ist?

Herr Stettner!

Wenn wir feststellen, dass wir schon vor Monaten und länger nachgefragt haben, warum die Datenschutzbeauftragte nicht beteiligt wird, das im Ausschuss auch leidenschaftlich diskutiert haben, dass ein halbes Jahr lang keine Besserung erfolgte und dass wir wissen, dass wir

im März auf die Schließung unserer Schulen miserabel vorbereitet waren und wir alles dafür tun wollten, jetzt gut vorbereitet zu sein, und in diesem Bereich nicht nachgearbeitet wurde, dann kann man das leider nur so ausdrücken.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Schlüsselburg das Wort!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Smoltczyk! In der Psychologie sagt man, dass man positiv gekleidete Ich-Botschaften versenden soll, deswegen will ich es an der Stelle so formulieren: Ich freue mich, dass der Senat bis eben zumindest durch den Stadtentwicklungssenator und jetzt durch den Innensenator hier vertreten ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Bericht retrograd ist. Wir reden hier vor allem über den bunten Strauß an datenschutzrechtlichen Themen, die im Jahr 2018 stattgefunden haben.

Erlauben Sie mir aber auch, für meine Fraktion an dieser Stelle noch mal Danke zu sagen, Frau Smoltczyk! Dank Ihnen und Ihrer Behörde – Sie haben vor dem Hintergrund eines enorm gewachsenen Workloads auch für die Koordination internationaler Fälle aufgrund der DSGVO und der Hauptstadtfunktion Berlins viel zu tun. Ihre tägliche Arbeit ist im Zeitalter der Digitalisierung unverzichtbar!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wir haben in den von Ihnen monierten Punkten ein paar, auf die ich gerne an dieser Stelle im Plenum eingehen möchte. Wir haben eine Never ending Story im Bereich des mangelnden Datenschutzes bei den Polizeibehörden. In dem konkreten Bericht geht es um die Drohbriefe, die mit Daten aus polizeilichen Datenbanken entstanden sind und an Menschen aus der „linken Szene“ versendet wurden. Das ist leider immer noch ein sehr aktuelles Thema, wie die Vorgänge um den sogenannten NSU 2.0 jüngst gezeigt haben.

So lange Anne Helm, Janine Wissler oder sonst irgendjemand Drohungen aufgrund der illegalen Verwendung von polizeilichen Daten erhalten, dürfen wir keine Ruhe geben, bis der Datenschutz durchgesetzt ist und rechtsextreme Strukturen in der Polizei aufgedeckt und konsequent der Strafverfolgung zugeführt werden.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir haben das weitere Never-ending-Story-Problem der Verarbeitung personengebundener Hinweise in polizeili

chen Datenbanken. Parlamentarische Anfragen haben jüngst wieder gezeigt, dass Mitarbeitende der Berliner Polizei mehr als 100 Datenbanken des Landes und des Bundes haben, auf die sie zugreifen können. Es existieren 49 verschiedene personengebundene Hinweise und allein 30 000 Einträge in zehn Jahren beim Merkmal der Betäubungsmittelkonsumentin oder des Betäubungsmittelkonsumenten. Ich vermute, hier wird vor allem eine Kifferdatenbank geführt und jedenfalls auch eine Kriminalisierung von Menschen vorgenommen, die im Rahmen der zulässigen Eigenbedarfsmenge Cannabis konsumieren. – Das ist ein Beispiel, an dem man illustrieren kann und sollte, dass wir hier möglicherweise ein Problem haben: dass es einerseits einen gesetzgeberischen Kompromiss gibt, aber andererseits immer noch zu einer massenhaften, datengestützten Kriminalisierung von Menschen kommt.

Ich bin der Auffassung, dass wir hier inzwischen ein zu großes Ausmaß haben und wir mit Unterstützung der Datenschutzbeauftragten gucken müssen, die nicht erforderlichen Datenbanken im Polizeibereich zu löschen. Ferner sollten wir dafür sorgen, dass die Zugangsbeschränkungen und die Zugriffe kontrolliert werden. Es kann nicht sein, dass es immer wieder dazu kommt, dass sich Beamte in POLIKS einloggen und dann einem anderen Kollegen aus unterschiedlichen Gründen erlauben, unter dieser Kennung zu recherchieren oder zu arbeiten. So kann niemand mehr nachvollziehen, wer wann was erfragt oder eingetragen hat. Das ist dann ein Datenschutzproblem, im Zweifel aber auch ein Problem für die Dienstaufsicht, für die Gerichte und, ja, auch für die parlamentarische Kontrolle, weil uns das Journal in POLIKS dann überhaupt nichts mehr bringt, wenn es darum geht, das Handeln nachvollziehbar zu machen.

Einen weiteren Punkt will ich ansprechen: Sie haben sich ja auch dem Pilotprojekt der sogenannten intelligenten Videoüberwachung am Bahnhof Südkreuz gewidmet. Vielen Dank dafür! – Das ist ein sehr erheblicher Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wir als Linke haben das Projekt stets abgelehnt, auch weil wir finden, dass die Grundannahme falsch ist. Im Kern geht es darum, dass wir mehr echte – also nicht nur gefühlte – Sicherheit dadurch erreichen, dass wir vor allem für mehr Personal sorgen. Denn im Zweifelsfall kommt die Kamera nicht vom Mast herunter und hilft jemandem, der möglicherweise Opfer einer Straftat zu werden droht. Für die Verfolgung ist es sicherlich ein Thema, über das wir reden können, aber ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es zuallererst darum gehen muss, dass es gar nicht erst zu schädigenden Ereignissen kommt.

Wenn wir dann festgestellt haben, dass bei diesem Pilotprojekt zwischen 80 000 und 100 000 Personen zu Unrecht biometrisch erfasst wurden und diese Technik sehr fehleranfällig ist, dann habe ich doch erhebliche Zweifel, ob dieses Projekt unter den derzeitigen technischen

(Dirk Stettner)

Bedingungen tatsächlich zu mehr Sicherheit führt; auf jeden Fall führt es zu mehr Unsicherheit bei der Frage des Datenschutzes. Vor dem Hintergrund der aktuellen Hygienebestimmungen ist es sowieso eine sinnfreie Veranstaltung. Ich glaube, hier sollten wir dringend weiter nachgucken.

Zu den anderen Themen kommen wir heute noch in der Tagesordnung. Deswegen will ich an dieser Stelle schließen und freue mich dann auch auf die Beratung des Datenschutzberichts 2019 und später 2020, weil ich glaube, dass wir gerade unter den Pandemiebedingungen ganz genau hingucken müssen, was im Bereich des Datenschutzes passiert oder nicht passiert ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Gläser das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte, liebe Frau Smoltczyk! Auch ich möchte mich bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern für die Arbeit bedanken, die Sie für unsere Stadt leisten. – Die Datenschutzbeauftragte bemängelt eine Reihe von Datenschutzverstößen in verschiedenen Bereichen der Berliner Verwaltung. Die Ausführungen des Senats dazu, über die wir heute sprechen, sind in der Regel überzeugend. Entweder wurden schon Veränderungen vorgenommen, oder dies erscheint nicht nötig. Allerdings – das möchte ich an dieser Stelle auch sagen – fallen die Ausführungen sehr dürftig aus. Der Senat hat sich zu vielen Punkten überhaupt nicht geäußert. In der Synopse, die wir bekommen haben, findet sich erst auf Seite 40 oder 45 ein Kommentar des Senats.

Regelrecht bizarr sind die Äußerungen des Senats zu einem Aspekt im Informationsfreiheitsgesetz; Herr Kohlmeier hat bereits darauf hingewiesen: Die Frau Datenschutzbeauftragte ist gleichzeitig auch die Informationsfreiheitsbeauftragte. Da geht es um Ausführungen zum Thema Justiz. Sie bemängelt dort – aus meiner Sicht zu Recht –, dass eine Internetseite namens richterscore.com bestimmte Daten nicht bekommt. Die Betreiber dieser Internetseite wollen eine Bewertungsplattform für Richter aufbauen und bitten deswegen um die Herausgabe von Daten der Richter und von Informationen, an welchen Gerichten diese welche Dinge bearbeiten. Der Senat weigert sich, diese Daten herauszugeben, und zwar mit einer ausgesprochen bizarren Begründung. Ich zitiere einmal mit Ihrer geschätzten Erlaubnis, Frau Präsidentin, aus dem Schreiben des Senats:

Die verlangten personenbezogenen Daten

also die Daten der Richter –

liegen … nicht in zusammengefasster und vollständiger Form und vor allem nicht elektronisch vor. Sie befinden sich vielmehr in einer Anzahl von papiergeführten Akten …, die der Anzahl der … Richter entspricht, also etwa 1 600.

Zitat Ende. Weiter heißt es in den Ausführungen des Senats, die Zusammenstellung dieser Daten würde etwa einen Monat dauern. – Mehr muss man nicht wissen über den Zustand der Digitalisierung in unserer Stadt.

[Beifall bei der AfD]

Ich möchte Ihnen abschließend noch eine Anregung für Ihren nächsten Bericht mit auf den Weg geben; Herr Kollege Schlüsselburg hat das auch schon getan. Ich erwarte, dass Sie sich mit den Vorgängen beim Verfassungsschutz beschäftigen. Da hatten wir in der letzten Sitzung des Ausschusses für Verfassungsschutz den Chef dieser Behörde zu Gast, der uns erklärte, dass jetzt das Bildmaterial zu den Demonstrationen am 29. August – derjenigen von Staatenlos.info und vor allem derjenigen der „Querdenker“ – ausgewertet wird und dass er schon 2 500 bis 3 000 Rechtsextremisten anhand dieses Bildmaterials identifiziert habe. – Ich konnte es gar nicht glauben. Und: Die Auswertung werde noch länger dauern, weil noch so viel mehr Bildmaterial da sei. – Da frage ich mich: Wie viele Personen werden für die Auswertung von Fotos von Demonstrationen eingesetzt? Geschieht das eigentlich auch bei linksradikalen Demonstrationen in diesem Umfang? Und vor allem: Setzt der Senat hier möglicherweise illegalerweise eine Bilderkennungssoftware ein, um die Teilnehmer von Demonstrationen zu identifizieren, zu speichern und das mit anderen Datenbanken zu verknüpfen? – Entsprechende Anfragen habe ich an den Senat gestellt und warte noch auf die Antworten. Aber ich erwarte, dass sich die Datenschutzbeauftragte mit diesem Skandal befasst. Wir werden den Senat nicht so davonkommen lassen, wenn friedliche Demonstranten massenhaft gefilmt und gespeichert werden. Das darf es in unserer Stadt nicht geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Abgeordneter Ziller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte mit einem Dank beginnen, einem Dank an die Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Arbeit im Jahr 2018 und in den Folgejahren. Es ist ja manchmal mühsam, mit den Unternehmen, aber insbesondere mit der Berliner Landesverwaltung das Thema Datenschutz zu diskutieren. – Insofern danke für die Mühe und Geduld, die Sie immer wieder aufbringen!

(Sebastian Schlüsselburg)

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]

Der Kollege Kohlmeier hat schon darauf hingewiesen, dass wir zumindest mit dem letzten Haushalt Ihre Behörde ein wenig aufgestockt haben. Das war, glaube ich, angemessen. Wir haben es noch nicht geschafft – ich will das mit dem nächsten Punkt begründen, es aber vorab sagen –, Ihnen an manchen Stellen mehr Power zu geben, um voranzukommen. Meine Fraktion und ich sind davon überzeugt, dass wir mit Bußgeldern auch gegen Landesunternehmen Ihnen den nötigen Druck geben könnten, damit, ohne das Bußgeld einzusetzen, die Landesunternehmen den Datenschutz möglicherweise ernster nehmen als bisher. Ich weiß gar nicht, wer von den Kollegen es schon angesprochen hat: Es ist bezeichnend, dass der Senat in der Debatte quasi nicht vertreten ist.

[Karsten Woldeit (AfD): Der Innensenator ist hier!]

Ja, ich habe Herrn Geisel gesehen, aber darüber hinaus sind die Kolleginnen und Kollegen nicht da. Ich will an dem Punkt sagen, dass ich glaube, dass es beim Datenschutz so nicht weitergehen kann.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dirk Stettner (CDU)]