Protocol of the Session on September 17, 2020

Er hat den Senat

kriminalisiert, Frau Präsidentin!

Senat – Schleusertätigkeit!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Schmidberger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass alle, die hier lautstark fordern, eine Subjektförderung

(Harald Laatsch)

einzuführen, sich angucken sollten, wie gut das in Paris geklappt hat. Dort haben wir jetzt Banlieues, dort haben wir quasi Wohngettos, und dort hat auch die Subjektförderung dazu geführt, dass die Mieten einfach mal erhöht wurden und die Vermieter diesen Zuschuss sehr gern entgegengenommen haben. Deswegen glaube ich, dass das für Berlin nicht infrage kommt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Harald Laatsch (AfD): Das sieht in Berlin ganz anders aus!]

Gestern hatte ich das Vergnügen und durfte auf einem sehr konstruktiven Podium mit Vertretern der Banken, der Immobilienwirtschaft und der Wissenschaft sitzen. Der Moderator fragte dann auch den Professor für Immobilienwirtschaft, in welchen Städten denn bisher das Prinzip von Angebot und Nachfrage – ohne Regulierung, nur durch Neubau allein – schon mal gut funktioniert hat.

[Ronald Gläser (AfD): In jeder!]

Wissen Sie, was er gesagt hat? – In den Neunzigerjahren in Berlin, Dresden, Leipzig und zeitweise auch noch mal in Hamburg! – Dann war aber Stille im Raum, und das war auch zu erwarten, denn es gibt keine große Stadt in Deutschland, wo dieses Konzept langfristig zu einem ausgeglichenen Markt geführt hätte. Nirgends hat ein unregulierter Markt es verhindert, dass die Miet- und Bodenpreise durch die Decke gingen. Im Gegenteil! Das nämlich ist genau der Punkt: Seit vielen Jahren haben wir in Deutschland die Entwicklung, dass ein Wohnungsmarkt entsteht, dessen Wohnungen zunehmend an der Börse gehandelt werden und als Anlageobjekte fungieren. So ein Wohnungsmarkt kann es auch nicht schaffen, die breiten Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen.

Das ist unser Job hier als Koalition. Nicht nur deshalb haben wir auch aus der Geschichte gelernt und wiederholen die Fehler alter Regierungen nicht, egal, wie laut die Opposition das hier auch noch einfordern mag. Mit uns gibt es keinen Ausverkauf von Flächen mehr, keinen Ausverkauf der kommunalen Wohnungen mehr und keinen sozialen Wohnungsbau in der Art der alten Berliner Förderung mehr, der den Investoren, aber nicht den Mietern nutzt und unseren Landeshaushalt bis heute extrem belastet. Das sind alte Pfade, die in die wohnungspolitische Sackgasse geführt haben. Da wollen wir nicht hin als Rot-Rot-Grün.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Auch wenn das von einigen hier negiert wird, die Neubauzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Es wird viel gebaut in der Stadt. Letztes Jahr lag die Zahl der Fertigstellungen bei 19 000 Wohnungen. Im Jahr 2018 waren es übrigens 16 700. Aber leider wird eben oft am Bedarf vorbei gebaut. Aktuell haben wir die Situation, dass 18,5 Prozent der Neubauwohnungen als Eigentumswohnungen

geplant werden. 2017 hingegen waren es noch 30,7 Prozent. Sie sehen, die Tendenz geht etwas runter. Es steht also fest, dass es in Berlin an Eigentumswohnungen und teuren Mietwohnungen nicht fehlt, aber an Wohnungen im bezahlbaren Segment. Deshalb ist der Vorstoß der Initiative, von den jährlich zu fördernden 12 500 Wohnungen, die sie fordert, nur 5 000 für den sozialen Wohnungsbau zu reservieren, für uns nicht weitgehend genug. Genau andersherum wäre ein Schuh daraus geworden.

Beim Vorschlag der Initiative fällt übrigens auch auf, dass zum Beispiel die Mietpreis- und Belegungsbindung nur 30 Jahre gelten soll, beziehungsweise steht in dem Text, es solle eine 20-jährige Mietpreisbindung gelten und dann noch einmal zehn Jahre eine gedeckelte Miete, was auch immer genau das heißen mag. Damit fängt das Spiel der geförderten Wohnungen doch immer wieder von vorne an. Das hat mein Kollege Herr Nelken auch schon wunderbar beschrieben, und das kennen wir doch leider. Wir haben gerade mal 90 000 alte Sozialwohnungen, und jeden Tag fallen viele aus der Bindung. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir, wenn wir stärker mit den landeseigenen Gesellschaften und Genossenschaften kooperieren, nachhaltige Lösungen hinbekommen, die die Wohnungsknappheit wirklich abbauen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für uns Grüne ist der neue Weg im StEP Wohnen 2030 genau der, den wir gehen wollen. Dort ist das Ziel formuliert, dass bis dahin jede zweite Neubauwohnung von unseren landeseigenen Wohnungsunternehmen, von Stiftungen, von Wohnungsbaugenossenschaften und anderen gemeinwohlorientierten Bauträgern errichtet wird. Die landeseigenen haben auch etwas vorzuweisen, muss man sagen. Zwischen 2016 und 2019 haben die Gesellschaften 19 435 Bestandswohnungen angekauft, und es ist nun mal so, dass man im verdichteten Innenstadtbereich nicht mehr so viel bauen kann, auch wenn das bestimmte Herren hier nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Und wir haben 12 275 Wohnungen neu errichtet. Das geht genau in die richtige Richtung, aber natürlich reicht das uns allen noch lange nicht.

Dass eine aktive Liegenschaftspolitik die Voraussetzung für einen bedarfsgerechten Neubau ist, darin sind wir uns alle einig, und es freut mich, das heute zu hören. Aber statt Grundstücksverkäufen wollen wir eben den Aufbau einer strategischen Bodenreserve als Garanten für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung. Aus diesem Grund hat die Koalition auch einen Bodenankaufsfonds auf den Weg gebracht, und ich freue mich schon sehr, wenn wir damit bald viele wichtige Projekte auf den Weg bringen.

Ja, es braucht neue Wege für Berlin, aktuell gilt das aber vor allem beim Thema Vergabepraxis für öffentliche Flächen. Gerade bei der Liegenschaftspolitik lohnt sich der Blick nach Hamburg und München, wo inzwischen

die Ermittlung der Bodenwerte anhand des Residualwertverfahrens stattfindet. Das bedeutet: Je mehr soziale Nutzung dort angegeben wird, desto niedriger ist auch die Pacht. Bei den heutigen Bodenpreisen wären das richtige und wichtige neue Wege für Berlin, denn nur so kann langfristig gewährleistet werden, dass gemeinwohlorientierte Träger sich die Bewirtschaftung von landeseigenen Flächen auch leisten können.

Wie schön, dass das sogar die Kollegen der CDU heute so sehen. Ich bin auch der Meinung, dass wir da gerne zusammenarbeiten könnten, denn wichtig ist doch: Die Genossenschaften könnten bis zu 6 000 Wohnungen pro Jahr schaffen. Das ist ein Potenzial, dass wir doch jetzt nutzen müssen.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Deshalb erwarte ich übrigens auch bei den 16 Stadtquartieren, die gerade vom Senat entwickelt werden, dass dabei die Gemeinwohlorientierten auch angemessen berücksichtigt werden. Das ist nämlich eine Win-winSituation für die ganze Stadt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Langfristig brauchen wir neben der Bereitstellung von Grundstücken durch Erbbaurechtsvergaben, auch den Ausbau der Genossenschaftsförderung –

Frau Kollegin! Sie müssten zum Schluss kommen.

Ja. – und auch die Erweiterung für Transferbezieher zum Beispiel durch Bürgschaften. Das sind wichtige Parameter, um ein Bündnis mit den Gemeinwohlorientierten zu schließen. Das wäre wirklich mal ein neuer Weg für Berlin, der uns noch weiterbringt. Wir wollen zusammen mit der Stadtgesellschaft die Stadt bauen und nicht gegen sie. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Förster das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir mal zu dem, was nach den Redebeiträgen meiner Vorredner noch übrig geblieben ist.

Kollegin Schmidberger! Da ist am Anfang das Stichwort Paris gefallen, und dass Sie nicht so leben möchten, wie

in Paris: soziale Segmentierung, Gettobildung etc. Dann darf ich aber mal daran erinnern: Wer hat denn Paris Jahrzehnte regiert? – Das waren die Sozialisten. Paris wurde immer links regiert. Das zeigt doch eindeutig: Paris macht es falsch. Linke können nicht bauen und wohnen. Das geht nicht zusammen. Das sage ich an dieser Stelle ganz klar.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wenn Sie an der Stelle sagen: Es gäbe keinen funktionierenden Mietmarkt, dann schauen Sie doch einmal in die Tabelle, die zum Beispiel die Wirtschaftswoche einmal im Vierteljahr veröffentlicht.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Da sind deutsche Städte mit einem Pfeil nach oben und mit einem Pfeil nach unten. Sie werden genauso viele Leute in Deutschland finden, deren Immobilien an Wert erheblich verloren haben, weil die Städte zum Beispiel im Ruhrgebiet, in Teilen des Saarlandes, in Hessen, in Rheinland-Pfalz, in Niedersachsen, in strukturschwachen Gegenden, in großen Teilen Ostdeutschlands an Wert verloren haben. Das zeigt, dass das Modell Angebot und Nachfrage funktioniert.

Das ist auch manchmal der negative Teil für diejenigen, die die Häuser haben, wenn es nach unten geht. Aber es funktioniert auch. Dort, wo weniger Nachfrage ist, sinken die Preise. Das heißt im umgekehrten Fall: Wenn man zu wenig Angebote hat und der Markt verknappt wird, dann wird es teurer. Deswegen hilft am Ende nur: bauen, bauen, bauen. Das wäre auch die Lösung für Berlin, um das an der Stelle ganz klar zu sagen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD]

Letzten Endes ist viel über das geredet worden, was die Fraktionen wollen. Ich will an der Stelle noch auf drei, vier Punkte eingehen, die die Initiative hier vorgetragen hat. Ich will ganz ausdrücklich sagen: In etlichen Punkten teilen wir die Analyse. Es gibt auch Punkte, da sehen wir es anders, Stichwort Subjekt-Objekt-Förderung. Man kann nicht einerseits den Schuldenstand West-Berlins kritisieren, der in die Vereinigung eingebracht wurde – wie es Kollege Nelken übrigens zu Recht immer tut – und dann aber gleichzeitig den alten Wohnungsbau in diesem Stile fortführen wollen.

Dann geht nur: bedarfsgerecht zu fördern, für die Person die dann bedürftig ist, und nicht wieder Sozialpaläste hinzusetzen, die dann am Ende die Allgemeinheit bezahlen muss.

[Beifall bei der FDP]

Dann hatten wir in der Anhörung von „Neue Wege für Berlin“ zu Kenntnis nehmen dürfen, dass sie auch drei

(Katrin Schmidberger)

Punkte angesprochen haben, die heute hier noch gar nicht zur Debatte standen.

Der erste Punkt ist das Thema Verhältnis Land und Bezirke. Es ist auch noch mal in der Anhörung sehr deutlich geworden, dass das fehlende Durchgriffsrecht – auch der Landesverwaltung – in die Bezirke hinein viele Projekte verhindert und dass wir mit der Abschaffung der Fachaufsicht einen großen Fehler gemacht haben. Das sage ich auch als langjähriger Bezirksverordneter, der aus einem Bezirk kommt – Treptow-Köpenick –, wo Gott sei Dank noch gebaut wird. Wenn wir aber erleben, dass die grün regierten Innenstadtbezirke lieber um jeden Gartenzwerg und um jede halb vertrocknete Pappel kämpfen, anstelle mal eine Nachverdichtung in einem Innenhof zuzulassen, dann läuft etwas falsch. Da wäre eigentlich der Senat dringend gefordert ein- und endlich auch mal durchzugreifen.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Carsten Schatz (LINKE) – Zuruf von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Das geht eben nicht. Solange man solche Typen wie Florian Schmidt hat, würde es dringender eine gesamtstädtische Steuerung bedürfen, damit auch in solchen Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg noch Wohnraum geschaffen werden kann. Die Leute brauchen doch auch dort Wohnungen. Es kann doch nicht sein, dass hier einige durchgeknallte Typen in dieser Stadt meinen, sie können alleine bestimmen, wo gebaut werden kann und wo nicht. Das kann ja wohl nicht wahr sein!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD]

Als zweiter Punkt – und da ist auch viel Wahres dran –hat die Initiative darauf hingewiesen, dass auch die ausufernde Bürgerbeteiligung zunehmend dazu führt, dass Projekte auf die lange Bank geschoben oder gar nicht realisiert werden. Auch da ist etwas dran. Natürlich ist es sinnvoll, wenn ein Bauherr – egal ob städtisch, genossenschaftlich, privat – vorher das Gespräch sucht, um möglicherweise Klagen, Beschwerden und Ähnliches im Nachhinein zu minimieren. Vollkommen sinnvoll das so zu tun. Wenn aber am Ende alle Varianten auf dem Tisch liegen und auch die entsprechende Debatte geführt wird, muss auch mal entschieden werden, muss gebaut werden dürfen. Da können nicht jahrzehntelange Prozesse, Klagen und Ähnliches diese Vorhaben verhindern. Das geht auch nicht, das ist ausgeufert, und das geht in die falsche Richtung. Das muss ich an dieser Stelle auch ganz klar sagen.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Jarasch?