Berlin ist in der Lage, bei der Familienzusammenführung zu helfen, und es ist auch in der Lage, bei der Aufnahme aus humanitären Gründen gemäß § 22 Aufenthaltsgesetz zu helfen. Das ist auch wesentlicher Inhalt unseres Antrags. Kollegin Jarasch hat das erläutert. Mit dem Antrag werden wir die vom Senat verfolgte Linie hier in diesem Haus auch noch einmal bekräftigen, und ich glaube, das ist für die Debatte auch hilfreich.
Damit auch hier kein Missverständnis aufkommt: Dass wir aufnahmebereit sind, heißt nicht, dass wir uns an irgendeinem Überbietungswettbewerb beteiligen. Das werden wir nicht tun. Es kam von irgendwoher die Forderung, wir sollten in Deutschland alle 13 000 von dort hier aufnehmen, weil die Humanität das gebietet. Ich kann nur sagen: Vorsicht vor solchen absurden Überhöhungen! Sie
widersprechen dem Prinzip der europäischen Solidarität, erschweren das gemeinsame Vorgehen in der EU und bestätigen tatsächlich nur die Verweigerer in den Visegrád-Staaten. Davor sollten wir uns hüten.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Maik Penn (CDU)]
Sowohl bei Soforthilfemaßnahmen als auch bei der Suche nach langfristigen Lösungen ist die europäische Dimension essenziell. Der Schlüssel für tatsächliche langfristige Verbesserungen liegt in Brüssel, nicht in Deutschland und erst recht nicht in Berlin. – Ich habe leider nur noch 60 Sekunden Redezeit. –
Weil die europäische Dimension leider keine einfache Antwort bietet, sondern viele Fragen aufwirft, kann ich jetzt wegen der Kürze der Zeit nur noch wenige Stichworte anführen. Zunächst mal ist gar nicht ausgemacht, dass Griechenland die Geflüchteten überhaupt auf das Festland lässt, geschweige denn in andere EU-Länder ausreisen lässt. Da ist es noch nicht mal allein die Sorge, das Feuerlegen könnte Schule machen,
Es ist tatsächlich ein Interesse der griechischen Regierung, nicht ein Signal an die Türkei auszusenden, Griechenland als das perfekte Transitland für die EU anzusehen. Diese Interessen und diese Souveränität Griechenlands müssen wir zunächst einmal respektieren, und deswegen bedarf es einer Übereinkunft mit Griechenland über die Unterstützungsmaßnahmen für die Flüchtlinge, und diese Übereinkunft sollten wir als EU so schnell wie möglich anstreben.
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege! – Übrigens haben Sie durch das Zulassen der Zwischenfrage ein bisschen an Redezeit gewonnen.
Stimmen Sie mir nicht zu, dass, wie ich vorhin schon bei der Frage an den Kollegen Dregger erwähnt habe, erstens die griechische Regierung gar nicht um weitere Hilfe gebeten hat? – Zweitens: Wäre es nicht auch aus Ihrer Sicht vernünftiger und notwendiger, wenn wir schon aus humanitären Gründen Hilfe leisten wollen, das vor Ort zu machen, wo es eventuell unmittelbar einen größeren Mehrwert hätte, anstatt immer wieder Signale auszusenden: Kommt zu uns! – Wir wissen doch alle, dass die Masse der Leute ausschließlich nach Deutschland will. Sie wollen nicht nach Osteuropa, sie wollen auch nicht nach Spanien oder Italien. Sie wollen ausschließlich nach Deutschland, und wenn wir mit Alleingängen ohne Hilfeersuchen anderer Regierungen ein Exekutivorgan in andere Länder stellen – –
Herr Kollege, das ist jetzt allerdings mehr als eine Zwischenfrage – spätestens mit der Formulierung „zweitens“!
Sie haben zwei Zwischenfragen gestellt, und Herr Zimmermann sucht sich eine aus, die er beantworten möchte, und hat dafür das Wort.
Zunächst einmal braucht es eine Vereinbarung mit Griechenland. Es ist nicht so, dass wir hingehen, einreiten und sagen: Ihr könnt alle herkommen! – Es muss mit Griechenland einer Übereinkunft sein, was geschehen muss. Und wenn Sie sagen, wir hätten sie gar nicht gefragt oder die hätten nicht gefragt, ist darauf hinzuweisen, dass es
darum geht, europäische Solidarität herzustellen, und dann müssen die zuständigen Stellen mit den Griechen zu einer Lösung kommen – gemeinsam, unterstützend und solidarisch.
Das Zweite ist die langfristige Lösung, die Sie antippen. Es ist in der Tat unsere Aufgabe – im Bund wie im Land –, hier zu nachhaltigen Perspektiven zu kommen. Das geht natürlich nur im europäischen Maßstab. Da wir vom Rat bisher nicht so furchtbar viele Impulse gesehen haben, müssen wir schon zunächst auf die Kommission setzen. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Woche dort Vorschläge über eine europäische Struktur, über die Asylverfahren und auch über weitere humanitäre Maßnahmen bekommen. Wir hoffen, dass wir da vorankommen. Das wird schwer genug, aber das sollten wir aktiv im Sinne europäischer Solidarität und der Humanität begleiten. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Antrag der Koalition spiegelt sich die ganze Misere der deutschen Asylpolitik wider. Wesentliche Fakten werden unterschlagen, eine hohle Pseudomoral wird zum alleinigen Maßstab der Politik erhoben und jeder Ansatz einer auch nur mittelfristig tragenden Lösung fehlt komplett.
Beginnen wir mit den unterschlagenen Fakten: Gleich zu Anfang Ihres Antrags ist von den verheerenden Bränden in Moria die Rede, ganz so, als handele es sich um eine Naturkatastrophe. Es war aber keine Naturkatastrophe, sondern Brandstiftung aus erpresserischer Motivation heraus.
Sie müssen sich dann schon eingestehen, dass Sie mit Ihrem Antrag einer Erpressung nachgeben. Ebenso verschweigen Sie uns, wer die Menschen auf Moria eigentlich sind. Zu drei Viertel sind es Afghanen, deren Gesamtschutzquote in Deutschland 2019 bei gerade einmal 38 Prozent lag. Sie wollen also Leute hierher holen, die zu über 60 Prozent gar nicht schutzberechtigt sind. Auch das halten wir für widersinnig.
Und natürlich unterschlagen Sie, dass Deutschland seit 2015 mit der Aufnahme von Menschen – in Relation zur Bevölkerung, wie auch in absoluten Zahlen – in der EU und global mit an der Spitze liegt. Weltweit gibt es laut UNHCR nur zwei Staaten, die absolut noch mehr aufgenommen haben als wir. Unter den westlichen Demokratien liegen wir klar an der Spitze. Wir haben also unser Soll auf Jahre hinaus klar übererfüllt. Von einer moralischen Pflicht, noch mehr zu tun, kann ernsthaft nicht die Rede sein. Die Frage sollte eigentlich sein: Wer entlastet Deutschland?
An Herrn Dregger gerichtet: Jetzt soll es mal wieder Ihre seit 2016 permanent vergeblich beschworene europäische Lösung richten. Bei der gibt es nur ein grundlegendes Problem: Es ist eine Lösung ohne die Europäer. Die machen den deutschen Irrweg nämlich nicht mehr mit.
In der Frage der Aufnahme von Erwachsenen aus Moria haben Sie alle anderen 25 Mitgliedstaaten gegen sich. Deren Regierungen reagieren rational, bedenken die Konsequenzen ihres Handelns und fühlen sich den Interessen ihrer eigenen Bevölkerung verpflichtet.
Einzig in Deutschland stolpert die Asylpolitik von einer pseudomoralischen Affekthandlung zur nächsten, ohne jeden Plan, ohne jede Strategie.
[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist Verantwortungsethik!]
Mit jeder unilateralen Aufnahme, Herr Dregger, entfernen Sie sich weiter von der europäischen Lösung, die Sie doch angeblich anstreben. Diese Paradoxie müsste Ihnen eigentlich auch bewusst sein. De facto bedeutet europäische Lösung inzwischen: Alle halten die Füße still und warten, bis die deutsche Politik mal wieder die Nerven verliert und sich einseitig zur Aufnahme bereit erklärt.
Und wieder an die Koalition gerichtet – es wurde schon von den Vorrednern betont –: Die griechische Regierung hat ein ganz klares Anliegen artikuliert: Sie will explizit nicht, dass noch nicht als schutzberechtigt Anerkannte von den Ägäisinseln ausgeflogen werden, weil sie sonst weitere Brandstiftungen – eine haben wir schon auf Samos erlebt – und eine neue Fluchtwelle aus der Türkei fürchtet.
Und es ist schon frappierend – Herr Zimmermann hat das in dieser Hinsicht etwas modifiziert –, wie Sie jetzt mit dem Moralpanzer über die berechtigten Interessen eines EU-Partnerlandes hinwegwalzen, denn in Ihrem Antrag ist von einer Koordination mit Griechenland nicht die Rede. Sie hintertreiben in typisch deutscher Selbstbezogenheit die griechische Politik, was Ihnen als Landesregierung schlicht nicht ansteht.
Wir müssen uns endlich von dem Denkfehler lösen, dass Hilfe für Menschen in Not, zu der wir als AfD uneingeschränkt stehen,
Wenn wir die Perspektive über Moria hinaus weiten, sehen wir, dass es laut UN derzeit 80 Millionen Flüchtlinge weltweit gibt. Jedem denkenden Menschen ist angesichts dessen einsichtig, dass wir die Fluchtbewegungen des 21. Jahrhunderts nicht mit unbegrenzter Aufnahme in Deutschland und Europa bewältigen können.
Für uns als AfD ist klar, wie sich eine Lösung in Anlehnung an das australische Modell gestalten muss.