Protocol of the Session on September 3, 2020

Das kann nur von den Grünen getoppt werden! –

Nummer lohnt keine Erwiderung!]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Dregger das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir so weitermachen, werden wir nicht mehr zum Thema sprechen, und deswegen sollten wir jetzt zum Thema zurückkehren. Die Bilder vom Wo

chenende am Reichstagsgebäude waren beschämend. Es waren Bilder einer johlende Meute, die unzureichende Polizeiabsperrungen durchbricht und gegen das Reichstagsgebäude vordringt – das Gebäude, das wie kein zweites symbolhaft für unsere deutsche Demokratie steht. Diese Bilder sind beschämend, weil sie ein weiteres Mal den Eindruck erwecken, dass unser demokratischer Rechtsstaat nicht ausreichend wehrhaft gegen diejenigen ist, die ihn bedrohen. Sie sind beschämend, weil sie als Einladung missverstanden werden können, unseren demokratischen Rechtsstaat erneut herauszufordern. Und sie sind beschämend für die politisch Verantwortlichen, deren Schwäche für jeden sichtbar geworden ist, sehr geehrter Herr Innensenator.

[Beifall bei der CDU]

Was wäre eigentlich passiert, wenn es diese drei tapferen Berliner Polizisten nicht gegeben hätte,

[Gunnar Lindemann (AfD): Nichts wäre passiert, gar nichts!]

die sich auf den Stufen des Reichstagsgebäudes als letzte Rettung der heraufstürmenden Meute entgegengestellt und sie letztlich aufgehalten hat? Ich kann nur sagen: Großartig! Ihnen sind wir zu großem Dank verpflichtet.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Ebenso haben wir Anlass, uns bei der Berliner Polizei insgesamt und bei den eingesetzten brandenburgischen Polizeikräften und denen der Bundespolizei herzlich zu bedanken. Erneut haben sie unter Eingehung erheblicher Risiken für ihre Gesundheit Gefahren und Schlimmeres abgewehrt. 38 verletzte Polizistinnen und Polizisten sind zu beklagen, und ich wünsche von dieser Stelle den Verletzten von Herzen schnelle und vollständige Genesung.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Den drei Verteidigern des Reichstagsgebäudes sage ich: Sie haben mutig und vorbildlich gehandelt, und Sie haben sich eine Beförderung mehr als verdient.

[Georg Pazderski (AfD): Pour le Mérite! – Lachen von Gunnar Lindemann (AfD)]

Sehr geehrter Herr Innensenator! Machen Sie wenigstens das richtig!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Manche Entwicklungen in unserer Gesellschaft machen uns zu Recht Sorgen. Aggressivität im Alltag, Desinformation in den sozialen Netzwerken, Fake-News und Hetze – dies alles führt in einem besorgniserregenden Umfang zu Radikalisierung.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Die Zahl der Straftaten in Berlin ist unverändert höher als in jedem anderen Bundesland, und die Aufklärungsquote ist in Berlin weiterhin niedriger als in jedem anderen Bundesland. Um dem zu begegnen brauchen unsere Sicherheitsbehörden, Polizei und auch die unabhängige Justiz, unsere Unterstützung, unser uneingeschränktes Vertrauen. Solidarität ist keine Einbahnstraße, und Sie als Koalition zeigen leider viel zu oft, dass Sie unserer Polizei und unseren staatlichen Institutionen das Vertrauen entziehen und sie in Misskredit bringen wollen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Mit Ihrem unsäglichen Landesantidiskriminierungsgesetz haben Sie grundlos alle Landesbediensteten dem Generalverdacht des Rassismus ausgesetzt.

[Torsten Schneider (SPD): Das haben wir doch vor zwei Wochen schon gehört!]

Mit Ihren aktuellen Vorstellungen zu einem fragwürdigen Meldesystem für vermeintlich demokratiefeindliche Tendenzen im Berliner Strafvollzug zeigen Sie erneut, dass Polizei und Justiz Ihr Vertrauen nicht genießen, sondern dass Sie Polizei und Justiz als Gefahren für die Sicherheit unseres Landes ansehen. Bislang habe ich immer gedacht, dass derartige Irrationalitäten nur aus der Feder kruder Verschwörungstheoretiker kommen können. Wollen Sie, meine Damen und Herren von SPD, der Linken und den Grünen, es denen gleich tun?

[Beifall bei der CDU – Carsten Schatz (LINKE): Mann, Mann, Mann, die Lernkurve ist aber lang!]

Ich fordere Sie auf, das zu ändern – gerade nach dem, was wir am Wochenende erlebt haben. Unsere Polizei und unsere Justiz brauchen auch Ihr Vertrauen. Und unsere Polizei und unsere Justiz haben Ihr Vertrauen auch verdient.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Solche beschämenden Bilder, wie sie am Wochenende zu sehen waren, dürfen nicht aus Berlin um die Welt gehen. Die Hintergründe dafür sind wie immer vielschichtig. Wir erleben Sorgen und Ängste, die mit dem Coronavirus verbunden sind. Die Konsequenz daraus darf aber nicht sein, sich mit Rechtsextremen, Reichsbürgern und Identitären gemein zu machen, mit ihnen gemeinsam auf die Straße zu gehen.

[Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Darauf müssen wir auch diejenigen aufmerksam machen, die mehr oder weniger arglos auf die Straße gegangen sind und die noch nicht erkannt haben, dass sie Gefahr laufen, sich von Extremisten vereinnahmen zu lassen. Es ist ein hohes Gut unserer freiheitlichen Grundordnung, Demonstrationen unabhängig von der eigenen politischen Auffassung zu ermöglichen, sie im Rahmen der politischen, freiheitlichen Grundordnung zu tolerieren, auch

wenn einzelne Aussagen und Inhalte manchmal schwer zu ertragen sind.

[Anne Helm (LINKE): Hört, hört!]

Umso schwerer und gravierender war der untaugliche Versuch des Herrn Innensenators, die Demonstrationen vom Wochenende verbieten zu lassen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP– Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ich will das hier sehr deutlich sagen: Selbstverständlich gab es nach den vorausgegangenen Demonstrationen Anfang August berechtigte Gründe dafür, auch Demonstrationen verbieten zu können. Die öffentliche Begründung des Innensenators hat jedoch genau zu einem gegenteiligen Ergebnis geführt, und zwar zu dem, dass er gar nicht erhofft hat. Der Innensenator hat mit einer schlecht begründeten Verfügung zur Mobilisierung des Protests beigetragen. Das ist leider bittere Realität. Und es macht mir Sorge, wenn ich daran denke, was noch auf unsere Stadt in den nächsten Wochen und Monaten zukommt.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Daher, sehr geehrter Herr Innensenator: An Ihrer Haltung habe ich nichts auszusetzen, aber an Ihrer mangelnden Professionalität schon.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE) und von Gunnar Lindemann (AfD)]

Es war nicht einfach für unsere Polizei, in dieser aufgeheizten Gemengelage durchzugreifen, ohne das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu verletzen. Unsere Beamten mussten ausbaden, was Berlins Innensenator und sein unglücklicher Versuch eines Demonstrationsverbots angerichtet hatten. Das führte zu unnötigen zusätzlichen Spannungen, Radikalisierungen und Emotionen, die unserer Polizei einiges abverlangten. Es wurde der Nährboden geschaffen, auf dem sich in den sozialen Medien Tausende Menschen weiter radikalisieren können.

[Anne Helm (LINKE): Den gab es schon vorher, Herr Dregger!]

Diejenigen, die unseren Staat ablehnen, haben natürlich bewusst verkürzt und die Haltungsfrage des Senators als ungerechtfertigte Einschränkung des Demonstrationsrechts interpretiert. Leider hat ihnen der Senator diese Verkürzung leicht gemacht. Daher muss gelten: Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass der Eindruck entsteht, dass nach liebsamen und unliebsamen Demonstrationen politisch bewertet wird. Ich hoffe, sehr geehrter Herr Innensenator, dass Sie das künftig beherzigen werden.

Denen, die am Wochenende in Berlin auf den Reichstagstreppen das Wahrzeichen und Symbol unserer parlamentarischen Demokratie angreifen wollten, denen, die vor

der russischen Botschaft unsere Polizei angegriffen und Polizeibeamte verletzt haben, denen, die sich hinter Reichsflaggen – bemerkenswerterweise auch hinter russischen Flaggen – versammelt haben, denen, die unser Land destabilisieren wollen, und denen, die Verschwörungstheorien darüber verbreiten, in unserem Land würden demokratische Rechte ausgehebelt, denen sei in aller Deutlichkeit gesagt: Sehen Sie nach Russland und nach Weißrussland! In Russland werden Oppositionelle vergiftet, und in Weißrussland werden Wahlen gefälscht, Oppositionspolitiker inhaftiert und die Freiheit der Menschen bekämpft. Nehmen Sie endlich die Realität wahr: Deutschland ist das freiheitlichste und humanste Land dieser Erde.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP) – Zuruf von Franz Kerker (AfD)]

Seien Sie sich darüber im Klaren: Wir Demokraten werden nicht weichen. Wir werden unseren Rechtsstaat nicht aushöhlen lassen. Wir werden unsere Demokratie verteidigen.

[Zuruf von Franz Kerker (AfD)]

Die Geschichte hat uns gezeigt: Gemeinsam müssen wir unser freiheitliches und weltoffenes Deutschland jeden Tag neu verteidigen. Es ist das beste Deutschland, das wir kennen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das soll auch so bleiben!]

Unsere Stadt Berlin ist ein Symbol dieses wundervollen Deutschland. Lassen Sie uns gemeinsam für dieses Land eintreten,

[Anne Helm (LINKE): Sehr gerne!]

für Recht und Freiheit, denn das sind die Werte, für die Deutschland, für die Berlin und für die wir stehen! – Vielen Dank!