Protocol of the Session on August 20, 2020

Aber zur Sache, denn ich bin ja Grüne.

[Lachen bei der AfD]

Wir haben natürlich bereits Pläne, die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis zu fördern. Die wollen wir in einer großen BerlHG-Novelle natürlich auch umsetzen. Diese Pläne sehen vor, dass jede Hochschule verbindliche Grundsätze zu guter wissenschaftlichen Praxis erarbeitet und Maßnahmen zu deren Einhaltung beschließt, statt landesseitig eine außerhalb aller Wissenschaftsstrukturen stehende Dachstruktur einzurichten. Damit respektieren wir die Wissenschaftsfreiheit, die im Recht der Hochschulen auf Selbstorganisation zum Ausdruck kommt. Wenn daraus dann am Ende eine übergreifenden Netz

werkstruktur entsteht, so wie zum Beispiel bei den Frauenbeauftragten, kann man im nächsten Schritt darüber nachdenken, diese Netzwerkstrukturen auch besonders zu fördern – das aber nicht vor der entsprechenden Verankerung im BerlHG.

Gleichzeitig ist es aber auch notwendig, mit dem BerlHG die Beteiligungsstrukturen an den Hochschulen zu stärken, sodass alle Beschlüsse der akademischen Selbstverwaltung eine höhere Legitimation innerhalb der Hochschulen erhalten und damit auch besser befolgt werden. Letztlich ist es bei der guten wissenschaftlichen Praxis genauso wie mit dem Bekenntnis zur Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft. Damit es funktioniert, muss ein Kulturwandel in den Institutionen und vor allen Dingen in den einzelnen Fächern entstehen, der auf allen Ebenen der Lehre und der Forschung greifen soll, idealerweise angefangen beim ersten Methodenseminar im Bachelorstudium. Auch die Qualitätssicherung in der wissenschaftlichen Praxis funktioniert eben nicht topdown, sondern bottom-up. Und, ganz nebenbei, ist es auch schon bemerkenswert, dass eine Partei, die ansonsten gerne einzelne Wissenschaftsdisziplinen eben herauspickt, zum Beispiel die Genderstudies, und aus dem Parlament heraus als unwissenschaftlich brandmarken und ihnen auch die Förderung entziehen will, sich mit einem solchen Antrag als Vorreiterin in Sachen guter wissenschaftlicher Praxis profilieren möchte.

[Zurufe von Tommy Tabor (AfD) und Franz Kerker (AfD)]

Das kann man durchaus als doppeltes Spiel sehen, bei dem wir Grüne keinesfalls durch Zustimmung mitmachen würden, insbesondere da wir, wie bereits erläutert, ein ganz anderes Konzept verfolgen. Ich bin also sehr gespannt auf die Diskussion im Ausschuss und da auch gern noch einmal der Begrifflichkeiten von Open Science, Open Access und guter wissenschaftlicher Praxis. Wir tragen gern zur Aufklärung bei. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 52:

Konsequent gegen Extremismus III: Antiextremistischen Konsens stärken – Antisemitismus ist in jeder Erscheinungsform

(Stefan Förster)

inakzeptabel und muss bei der Extremismusbekämpfung mitgedacht werden

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2699

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU und hier der Kollege Lenz. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag macht die Fraktion der CDU Vorschläge für Maßnahmen, um die Anfälligkeit unserer Stadtgesellschaft für antisemitische Tendenzen zu verringern. Nötig sind solche Maßnahmen aus meiner Sicht aufgrund der bedauerlichen durchaus neuen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Antisemitische Haltungen sind vielerorts leider wieder im Aufwind und sind teilweise sogar dabei, gesellschaftsfähig zu werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Orte des Auftretens antisemitischer Einstellungen sind sehr verschieden. Klar ist jedenfalls, dass wir als Gesellschaft hier schnell reagieren müssen.

[Beifall bei der CDU]

Klar ist auch, dass wir es hier nicht bei Lippenbekenntnissen und auch nicht bei dem Verabschieden von Resolutionen bewenden lassen können. Wir müssen konkrete Maßnahmen finden und treffen. Es gibt viele mögliche Ansätze in den verschiedenen Fachbereichen. Ich spreche hier natürlich jetzt für den Fachbereich, den ich betreue. Unzweifelhaft ist, dass der besondere Schutz, unter dem Juden in unserer Stadtgesellschaft stehen, Teil der DNA der Bundesrepublik Deutschland ist.

Mein Anliegen heute ist es, über Möglichkeiten zu sprechen, die wir im Rahmen der Extremismusbekämpfung haben. Der Antrag schlägt vor, die Antisemitismusbekämpfung im Rahmen der staatlichen Prävention und Deradikalisierungsprojekte, die bereits im Extremismusbekämpfungsbereich gut etabliert sind, immer mitzudenken und in die bestehenden Konzepte einzuflechten.

Weiter schlagen wir vor, im Bereich der zivilgesellschaftlichen Kooperation eine stärkere Sensibilität für die Gefahren antisemitischer Einstellungen zu schaffen. Letztlich verfolgen die Maßnahme das gemeinsame Ziel der Bekämpfung antisemitischer Bestrebungen, dass diese einen stärkeren Stellenwert auch im Bereich der Extremismusbekämpfung insgesamt bekommen. Das ist ein wichtiger Schritt, aber ich habe mich jetzt auch im Vorfeld der Vorbereitungen gefragt, ob das ausreicht, ob wir nicht sogar einen Schritt weitergehen sollten, ob wir den Antisemitismus nicht als eigenes Feld in der Extremismusbekämpfung anerkennen sollten oder konkret für den Bereich des Verfassungsschutzes, ob wir die Bekämpfung des Antisemitismus, den Antisemitismus an sich, zu einem eigenen Phänomenbereich machen sollten. Das ist eine Frage, die ich mir immer wieder stelle, die auch

fachpolitisch diskutiert wird. Ich bleibe dabei, in der Abwägung bin ich immer noch skeptisch und eigentlich dagegen, weil ich es nicht für zielführend halte, denn wir haben jetzt eine Strukturierung in die drei Phänomenbereiche des Rechtsextremismus, des Linksextremismus und des islamistischen Extremismus. Der Antisemitismus weist eben Bezüge in alle drei Phänomenbereiche auf. Ich weiß nicht, ob wir durch einen neuen Phänomenbereich hier nicht eine unübersichtlichere Situation schaffen als wir sie haben. Aber ich bin da durchaus offen. Wir müssen konzedieren, dass es Bewegungen gibt. Man muss immer schauen, ob man reagieren muss.

Unstreitig ist aber, das ist mir ein ganz wichtiger Punkt, dass wir eine klare Haltung der Ablehnung jedweder antisemitischer Gesinnung als Teil eines antiextremistischen Konsenses haben müssen. Das Thema einer klaren Haltung in Extremismusfragen ist in der heutigen Zeit der Coronapandemie von herausragender Bedeutung. Unsere Gesellschaft, unsere Demokratie gerät sukzessive, das war heute mehrfach Thema, immer stärker unter Druck. Das gilt in ganz besonderem Maße in Coronazeiten.

Der Preis für einen effektiven Schutz vor einer Verbreitung von Covid 19 wird sehr hoch sein. Das wissen wir, und das ahnen wir in Teilen vielleicht auch nur. Es wird weitere massive Einschnitte in unsere Freiheitsrechte geben. Wir werden alle miteinander verhandeln müssen, wo die Grenzen verlaufen und wo wir nicht umhin kommen werden, dass wir auch Infektionsrisiken zulassen müssen. Wollen wir das in schwieriger Zeit vernünftig miteinander verhandeln, dann müssen wir ein stabiles Fundament für diese Verhandlungen haben. Wir müssen etwas haben, dass uns alle als Demokraten zusammenhält. Ein wesentlicher Teil dieser Basis muss ein antiextremistischer Konsens sein, der ein klares Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratische Grundordnung enthält und auch die Ablehnung jedweder antisemitischer Einstellungen.

[Beifall bei der CDU]

Diesen Konsens müssen wir in der Krise herausarbeiten, und den müssen wir auch alle gemeinsam miteinander verteidigen, denn nur so werden wir dauerhaft in dieser schwierigen Zeit für stabile und friedliche Verhältnisse in unserer Stadt sorgen können. Das ist alles andere als selbstverständlich, denn, jetzt komme ich einmal zu dem, was ich hier an Zweifeln habe, denn nicht alle wollen das. Es ist mein Gefühl, dass nicht alle hier im Haus das wollen. So ist jedenfalls mein Eindruck, denn es gibt hier Personen, die ein Interesse daran haben, gesellschaftliche Unruhe eher zu verstärken, die eher für Unruhe sorgen als für Verständnis und Einsicht im Hinblick auf Notwendigkeiten unserer Zeit.

Im letzten Verfassungsschutzausschuss habe ich es so beschrieben: Es gibt Menschen in unserer Stadt, die sehen jetzt ihre Chance zum tiefgreifenden Wandel unserer Gesellschaft gekommen. Sie wollen jetzt sozusagen die

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

gesellschaftlichen Verhältnisse „zum Tanzen bringen“. Anders gesagt, es gibt Aktivisten in unserer Stadt, die jetzt von der Erzeugung einer revolutionären Grundstimmung träumen, um die bestehenden Verhältnisse zu schwächen und dann letztlich zu beseitigen. Der Traum vom System Change wird artikuliert. Dieser Traum, und das ist mir wichtig, ist jedenfalls ein Albtraum,

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

denn unser System ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Der System Change wäre der Weg in Diktatur und Totalitarismus, und zwar geradewegs. Einen Mittelweg gibt es hier nicht. Davon bin ich überzeugt, und ich hoffe, dass diese Überzeugung hier von den meisten im Haus geteilt wird. Dafür werbe ich eindringlich. Aus gegebenen Anlass sage ich es noch einmal: Wir stehen vor schwierigen Zeiten, und wir brauchen etwas, das uns als Demokraten zusammenhält. Lassen Sie uns das nicht infrage stellen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Holger Krestel (FDP)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Schreiber das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kollege Lenz hat hier sicherlich ein sehr wichtiges Thema angesprochen, das wir uns nicht nur in Coronazeiten vor Augen führen müssen, sondern das ganze Themenfeld des Antisemitismus, die Verbreitung in die Gesellschaft hinein bewegt uns seit Jahren und Jahrzehnten. –Kollege Lenz: Sie haben am Ende eigentlich gesagt, worum es Ihnen geht. Die Überschrift ist groß und stark, dass man den antiextremistischen Konsens stärken soll, und im Kern geht es Ihnen eigentlich um die Frage Ihrer Zweifel – vielleicht auch der Zweifel der CDU-Fraktion in diesem Haus –, dass es nicht alle Personen oder Fraktionen dabei belassen bzw. diesen Konsens, den Sie hier nennen, torpedieren. – Das ist zum einen erst einmal Ihre politische Einschätzung.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Zum anderen hat der Innensenator zu dem Themenkomplex NSU, Stichwort Rechtsextremismus in den Behörden, Polizei usw. usf. etliches gesagt. Das Land Berlin und ich denke, auch die Koalition insgesamt, haben gerade in dieser Wahlperiode Strukturen gestärkt, nicht nur Beauftragte, Ansprechpartner und Runde Tische geschaffen, nicht nur die Frage bei dem Thema Trägerlandschaft, NGOs, die seit Jahren das Themenfeld bearbeiten. Es läuft übrigens nicht so, Kollege Lenz, wie Sie es zum Ausdruck bringen wollen: Wir machen jetzt mal einen

Antrag, und wir versuchen jetzt, das Themenfeld Antisemitismus in allen Formen und Facetten zu bearbeiten, und dann wirkt das schon, sondern das ist eine Aufgabe seit Jahren und Jahrzehnten.

Da passiert eine ganze Menge, und ich finde, Sie werden der Sache nicht ganz gerecht. Wir haben im Verfassungsschutzausschuss in der letzten Sitzung – das will ich noch erwähnen – das Thema auch gehabt, und Sie haben eine ganze Reihe von Anträgen vorbereitet, hatten schon die Krawatte um und wollten eigentlich reden. Dann kam es nicht mehr zu dem Themenfeld. Es ist so, dass der Innensenator, aber auch Herr Fischer, der Leiter vom Berliner Verfassungsschutz, darauf eingegangen sind, warum wir zwar 2018 ein eigenes Kapitel im Verfassungsschutzbericht zum Antisemitismus hatten, was auch richtig war, sie haben aber auch begründet, warum das jetzt in der Form nicht mehr drinsteht. Das Thema ist nicht weg. Was man aber klar sagen kann, ist, dass dieses Themenfeld Antisemitismus komplett im Bereich des politischen Extremismus in allen Phänomenbereichen eine Rolle spielt, und deswegen ist es in einem Kapitel nicht einfach nur abtrennbar, sondern man muss es viel weiter denken.

Deswegen bin ich sehr gespannt auf die weitere Kette von Anträgen. Ich wäre auch sehr froh, wenn wir das im Ausschuss gebündelt miteinander besprechen und vor allen Dingen – das ist so ein bisschen mein Eindruck –, dass bei Ihnen weniger Gefühl eine Rolle spielt, sondern noch ein bisschen etwas an Substanz dazukommt. Vielleicht machen wir auch eine Anhörung, denn wir haben viele gute Menschen in dieser Stadt, die seit Jahren an dem Themenfeld arbeiten und Expertise haben. Vielleicht sollte man sie erst einmal hören, was man noch verbessern kann. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Gläser das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Guten Abend!

Unsere jüdischen … Mitbürger müssen ihren Glauben und ihren Alltag in Berlin ohne Angst vor Diskriminierung und Ressentiments leben können.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Der Satz ist gut; ich wollte auch gerade begründen, warum wir ihn unterstützen. Er stammt aus der Antragsbegründung der CDU. Dieser Satz ist genauso richtig wie die beiden Kernforderungen, die hier aufgestellt werden, nämlich die nach einem antiextremistischen Konsens und

(Stephan Lenz)

die nach einer Bekämpfung des Antisemitismus in unserer Stadt. Die CDU fordert nun, dass sogenannte zivilgesellschaftliche Gruppen diesen beiden wichtigen Forderungen verpflichtet werden müssen.

Das wirft bei mir zwei Fragen auf – erstens: Wieso muss der Staat überhaupt Präventions- und Deradikalisierungsangebote finanzieren? Reichen die bestehenden Gesetze nicht aus? – Ich frage mich wirklich: Wenn jemand eine Synagoge anzündet oder sagt, „Zünde die Synagoge an!“ , egal, ob online oder offline –

[Zuruf von links]

da will ich nicht, dass ein Quatschkopf mit einem Bachelorabschluss in Soziologie oder Politologie kommt, da will ich, dass entschlossene Richter und Staatsanwälte dafür sorgen, dass diese Person hinter Schloss und Riegel landet.

[Beifall bei der AfD – Georg Pazderski (AfD): Bravo! – Zuruf von Anne Helm (LINKE)]