Protocol of the Session on August 20, 2020

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle ein Argument an die Hand geben, vor allen Dingen ein Argument im Austausch mit den Kollegen ihrer Noch-Koalition, Rot-Rot-...

[Zuruf von der AfD: Rot!]

Insbesondere an die Linken: Wir wollen damit zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmerrechte einschränken, und das will auch die Wirtschaftssenatorin nicht. Den Unternehmen sonntags die Möglichkeit zu eröffnen, frei darüber zu entscheiden, ob sie ihre Geschäfte aufsperren oder zu lassen, ist noch lange keine Einschränkung von Arbeitnehmerrechten und greift in keiner Art und Weise irgendwo zum Zwang; im Gegenteil, es gibt allen die Chance und die Möglichkeit, und genau das möchten wir hier voranbringen.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb muss Schluss damit sein, dass wir den Menschen vorschreiben, wann sie wie und wo arbeiten dürfen, sondern wir müssen genau diese Entscheidung voranbringen.

Nun gucke ich zur CDU-Fraktion, und ich sage ganz bewusst: Ich als Katholik stehe hier, und sage: Ja, es ist richtig, die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten voranzutreiben. Ich habe wirklich den Eindruck, die Berliner Politik ist in Sachen Ladenschluss verstaubter als die römische Kurie.

[Beifall bei der FDP]

Da können wir wirklich mal zeigen, dass wir hier in dieser Stadt wesentlich weltoffener, liberaler, großstädtischer, zugewandter sind. Das wäre ein richtiger Schritt.

[Torsten Schneider (SPD): Die FDP hat Corona verschlafen, und jetzt wollen Sie’s retten!]

Es geht doch darum – Herr Schneider, danke für das Stichwort! –, gerade in diesen Zeiten den Unternehmen die Chance zu geben, ihre Umsätze zu steigern und aus eigener Kraft heraus aus der Krise zu wirtschaften.

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

Gleichzeitig geht es auch darum, Kundenströme in dieser Zeit zu entzerren. Ein Gefühl von Sicherheit, von Gesundheitsschutz, von Hygienekonzept – all dem Möglichkeiten zu geben, die dazu beitragen, das Einkaufserlebnis sicher zu machen, zu einem guten Gefühl zu machen und sich für den Marktplatz Innenstadt zu entscheiden, für den stationären Handel zu entscheiden – das ist doch das, worum es geht, um unsere Berliner Wirtschaft zu stärken.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb: Nutzen Sie die Chance, werden Sie jetzt echte Krisenmanager. Wir haben Ihnen einen Antrag zur Diskussion vorgelegt, der in diesem Haus eine breite Mehrheit finden sollte, die Mehrheit von FDP und Grünen scheint da zu sein, also geben sich einen Ruck.

[Beifall bei der FDP – Torsten Schneider (SPD): Aber 500 Millionen Wirtschaftsförderung haben Sie abgelehnt!]

Einen Moment, Herr Schultze-Berndt, die SPD ist noch vor Ihnen dran! Sie dürfen danach. – Sie haben das Wort, Herr Düsterhöft!

Beim nächsten Mal können wir das auch gern absprechen, dann tauschen wir einfach! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, den vorliegenden Antrag muss man unabhängig von der aktuellen Situation betrachten. Es geht hier schließlich um ein seit Jahrzehnten diskutiertes Anliegen der Gewerbetreibenden, und im Kern geht es sogar um ein Ansinnen, das seit Jahrtausenden die Gemüter bewegt.

[Heiterkeit bei der FDP]

Ja, seit Jahrtausenden. – Um es gleich vorneweg zu sagen: Ich bin gegen diesen Vorstoß. Nicht, weil der Antrag von der FDP kommt, nicht weil der Vorschlag von Michael Müller und Ramona Pop kommt, nein, sondern weil ich in der Abwägung der unterschiedlichen Aspekte dazu komme, dass ich doch eine klare Haltung dagegen beziehen kann.

Auf folgende Fragen möchte ich gerne eingehen – erstens: Würde eine Ladenöffnung am Sonntag mehr Umsatz bringen?

[Florian Kluckert (FDP): Ja!]

Ich sage nein, wohl höchstens in Ausnahmefällen. An sechs Tagen in der Woche können die Berlinerinnen und Berliner und unsere Gäste einkaufen gehen, laut Gesetz sogar 24 Stunden am Tag. Die Läden sind geöffnet, Beschränkungen gibt es trotz Pandemie nur noch in einem wirklich kleinen Bereich. Doch die durchschnittliche Berlinerin hat nur selten das Problem, dass sie nicht so

recht weiß, wohin mit ihrem Geld. Die Kaufkraft wird durch veränderte Ladenöffnungszeiten nicht erhöht. Eher kommt es zu einer Verteilung der Kaufkraft auf einen weiteren Wochentag beziehungsweise zu einer weiteren Verlagerung der Kaufkraft hin zu den Zentren, welche wohl eher am Sonntag öffnen würden als der kleine Kiezladen.

Zweitens: Ist dies ein Vorteil gegenüber dem Onlinehandel?

[Zuruf von der FDP: Für Touristen schon!]

Nein. – Ich will den Berliner sehen, der das Handy mit der Amazon-App fallen lässt und das fünfte Paar Schuhe im Laden kauft und sie sich nicht an die Haustür liefern lässt. Unser Kaufverhalten verändert sich seit Jahrzehnten. Nach dem Sterben der kleinen Geschäftsstraßen und dem Aufstieg der Shopping-Malls hat das Internet nun dazu geführt, dass auch die Shopping-Mall stets weiter entfernt ist als der Onlineshop. Corona hat auch hier eine längst laufende Entwicklung tatsächlich beschleunigt, aber nicht verursacht.

Drittens: Ist die Schließung der Läden am Sonntag ein Ausdruck überholter Werte?

[Dr. Maren Jasper-Winter (FDP): Ja!]

Danke! – Nein. Speziell in Krisenzeiten versuchen Unternehmerinnen und Unternehmer und auch die Verbände immer wieder, hart erkämpfte Errungenschaften wie den freien Sonntag zu torpedieren. Die sozialdemokratische Arbeiterinnenbewegung hat es vor 125 Jahren gegen konservative Kräfte geschafft, ein weitreichendes Verbot von Sonntagsarbeit im Handel durchzusetzen. Und ja, natürlich ändern sich in unserer Gesellschaft die Interessen und Gewohnheiten. Aber der freie Sonntag als Schutz für Arbeitnehmende ist auch heute noch wichtig und richtig: Der Mensch ist nicht nur zum Arbeiten da; er braucht Ruhephasen, Entspannung und hat das Recht auf ein Familienleben.

[Beifall bei der SPD]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt?

Oder des Abgeordneten Herrn Wild?

(Sebastian Czaja)

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP) – Heiterkeit bei der FDP]

Jetzt muss ich doch noch mal überlegen – nein, beides nein; bei Herrn Wild komme ich wirklich ins Schwanken.

Ausnahmen von den geltenden Ladenöffnungszeiten gab es von Anfang an, und diese gibt es noch immer. Ich finde es absolut richtig, dass es diese Ausnahmen dort gibt, wo es nötig ist, und wenn sie sinnvoll sind.

Viertens: Wäre eine gänzliche Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten sinnvoll für die Arbeitnehmenden? – Wahrscheinlich sagen Sie auch wieder: Ja. – Ich denke: Nein. – Wir müssen uns vor Augen halten, wer überhaupt die Last von verkaufsoffenen Sonntagen tragen würde: 70 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen, die zu großen Teilen in Teilzeit arbeiten. Hinzu kommt die große Schar an Minijobberinnen. Doch diese Menschen haben auch andere Tätigkeiten: Sie sind alleinerziehend, sie gehen studieren, sie haben noch einen weiteren Job, sie müssen zu Hause noch Angehörige pflegen. Sie haben tatsächlich noch andere Tätigkeiten als nur an jedem Tag flexibel zur Verfügung zu stehen. Und auch diese Berlinerinnen haben ein Recht auf freie Sonntage für die Familie, zur Erholung sowie zur „seelischen Erhebung“, wie es das Grundgesetz beschreibt. Für diese Gruppen wäre die Sonntagsöffnung alles andere als ein Gewinn – schon gar nicht für ihre Familien, schon gar nicht für ihre Kinder.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Jasper-Winter?

Nein, jetzt bin ich mal konsequent an der Stelle! – Die fünfte Frage – und die finde ich ganz spannend: Leben wir hinter dem Mond, wenn wir am Sonntag die Geschäfte nicht öffnen?

[Zuruf von der CDU: Ja!]

Danke schön! Und ich sage: Nein! Wir haben in Berlin ein äußerst liberales Ladenöffnungsgesetz. Wirklich beschweren kann sich hier niemand: Geschäfte können, wie ich schon sagte, von Montag bis Samstag rund um die Uhr öffnen. Immer wieder wird gesagt, Deutschland sei eines von wenigen Ländern in Europa, das an dem strikten Sonntagöffnungsverbot festhält. Man kann es aber auch anders herum ausdrücken: Deutschland ist eines der wenigen Länder, das den Schutz der Familie und die Notwendigkeit der Erholung nicht dem Anspruch einer sonntäglichen Shoppingtour bzw. den Umsätzen des Einzelhandels unterwirft.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Jetzt komme ich zum Ja: Ja, in Berlin haben die Geschäfte am Sonntag nun mal geschlossen, und ich finde das auch gut so. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Jetzt hat für die CDU-Fraktion das Wort Abgeordneter Schultze-Berndt. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben die Folgen der Coronakrise in der Stadt. Alle reden über Corona, alle reden über Schule, alle reden über das Chaos und was nicht funktioniert und was wir brauchen. Die Menschen erwarten von uns Aktivitäten. Wenn ich mir heute die Tagesordnung und die Prioritäten angucke, die von den Parteien gesetzt werden, muss ich feststellen, dass offensichtlich bestimmte Teile dieses Parlaments in einer anderen Welt leben.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Da reden die einen als Priorität über Versammlungsfreiheit, die anderen über ASOG und die dritten über die Arbeitsbedingungen von Flughafenmitarbeitern am BER.

[Torsten Schneider (SPD): Mohrenstraße!]