Protocol of the Session on August 20, 2020

Ich habe ja nicht die Umbenennung der Mohrenstraße gefordert, auch nicht für meine Fraktion. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Debatte heute hier entbehrlich ist. Selbstverständlich gäbe es dann eine ganze Reihe von anderen Namen, die man auch zur Diskussion stellen müsste, aber ich hoffe doch, dass Namen unter das Persönlichkeitsrecht fallen. Wenn sich jemand diskriminiert fühlt, kann er sich ja nach dem geltenden Personenstandsrecht auch umbenennen lassen, und wenn jemand das nicht möchte, darf er auch seinen Namen weiter tragen. Ich glaube, das muss man nicht staatlich regeln.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich würde aber gern noch mal auf die Frage kommen, die heute noch im Raume stand: Ist es denn wirklich so ungeklärt, wo der Begriff „Mohr“ und der Begriff „Mohrenstraße“ herkommen?

Dass die Mohren damals eher als Mauren gemeint waren, sprich: dass man den Teil Nordafrikas entsprechend ins Auge gefasst hat, das ist, glaube ich, mittlerweile Konsens in der Forschung. Es gibt aber auch gar nicht vier oder fünf Varianten. Es gibt nämlich auch noch einen sehr profunden Kenner der Berliner Geschichte – übrigens ein Parteigenosse von Ihnen –, Dr. Kurt Wernicke, langjähriger stellvertretender Generaldirektor des Museums für Deutsche Geschichte. Ein ganz fitter Mann mit 90 Jahren, ich habe gestern Abend noch einmal mit ihm telefoniert.

Der hat die Akten, die heute im Geheimen Staatsarchiv liegen, vor etlichen Jahren eingesehen, wusste auch noch genau, dass das fünf Bände sind, einer davon einen Was

serschaden hatte und zur Restaurierung musste, also er hat sich noch gut daran erinnern können. In diesen Akten ist auch zwischen 1865 und 1890 noch einmal der gesamte Vorgang zusammengefasst, wo das preußische Innenministerium die Straßennamen revidierte, die Akten auch noch mal an den Polizeipräsidenten zur Überprüfung gegeben hat.

Da ist ganz klar aufgeschrieben – das konnte er mir auch noch einmal belegen –, dass die Mohrenstraße damals so genannt wurde, weil dort eben die Mohren untergebracht waren, die beim Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. in der Regimentskapelle getrommelt haben. Das ist so etwas, heute würde man sagen: das Staatsmusikkorps der Bundeswehr – nicht ganz vergleichbar, aber das war damals im Prinzip eine Musikgruppe, die bei offiziellen Anlässen aufgespielt hat, deren Mitglieder Kost und Logis frei hatten, die sich in Berlin auch frei bewegen konnten. Das waren keine Sklaven, das waren hoch angesehene Menschen, ähnlich wie die Langen Kerls. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. hat sie verehrt und geschätzt wie Lange Kerls. Um das ganz klar zu sagen: Das waren keine Sklaven, nach denen diese Straße benannt wurde. Die haben dort gewohnt, und das war der Anlass, dieser Straße diesen Namen zu geben.

Ähnlich ist es im Übrigen auch mit der Taubenstraße. Die Taubenstraße war die Straße, wo die im Dienst ertaubten – also, das Gehör verloren – Artilleristen gewohnt haben. Nun kann man auch sagen: Heute redet man bei Gehörlosen vielleicht nicht mehr von Tauben, da gibt es möglicherweise andere Begriffe, die heute politisch korrekt wären. Wollen wir deswegen auch die Taubenstraße umbenennen? – Ich glaube, das führt zu nichts. Das sind auch Beispiele von Berliner Geschichte, die eben einfach auch den Verlauf von Prozessen darstellen, und das ist, glaube ich, an der Stelle auch zu tolerieren.

Im Übrigen, das will ich zum Schluss noch sagen, ist das ja auch eine Debatte, Frau Kittler, die auch in Ihrer Partei nicht unumstritten ist. Ihr langjähriger Vorgänger, Frau Kittler, Wolfgang Brauer – der ja nun wirklich ein geschätzter Kulturexperte war, über viele Jahre, über Parteigrenzen hinweg, der wirklich Ahnung von dem Metier hatte, will man ja auch ganz klar sagen –, der hat ja nun mehrfach betont, dass das Umbenennungsvorhaben Unsinn ist. Er hat gesagt: Die Straße heißt ja bereits seit 300 Jahren so –, und das habe – Zitat –

rein gar nichts mit rassistischen Diskriminierungen des 20. oder 21. Jahrhunderts zu tun.

Ich würde mir wünschen, Sie würden die Expertise Ihrer langjährigen Abgeordneten ernst nehmen, dann kämen Sie auch zu anderen Schlussfolgerungen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD – Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Abgeordneter Walter das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der heutigen Diskussion erscheint es sinnvoll, zunächst einen völlig unaufgeregten Blick in die aktuelle Ausgabe des Duden zu werfen, um Klarheit für die politische Diskussion zu gewinnen. Das M-Wort, so heißt es da, sei – ich zitiere – „veraltet, heute diskriminierend“. So kurz, so klar. Und für uns ist ebenso kurz und klar: Straßennamen, die anti-Schwarze Diskriminierung verbreiten, die Kolonialrassismus reproduzieren oder koloniale Kriegsverbrecher ehren, gehören nicht in unsere Stadt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Die Diskussion um den Namen der M-Straße und um deren Umbenennung wird bekanntlich nicht seit gestern, sondern schon seit sehr vielen Jahren von postkolonialen Initiativen und von afrikanischen, afrodiasporischen und Schwarzen Organisationen in unserer Stadt breit geführt und vorangetrieben.

[Frank Scheermesser (AfD): Absolut peinlich!]

Die Koalition unterstützt ausdrücklich das Anliegen, den öffentlichen Raum zu dekolonisieren. Daher haben wir im letzten Jahr in diesem Hohen Hause die Erarbeitung eines gesamtstädtischen postkolonialen Erinnerungskonzepts für Berlin beschlossen, das gerade auf den Weg gebracht wird.

Und so ist der Versuch der AfD, mit diesem Antrag auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, ein vergeblicher: Der Zug ist schon längst abgefahren. Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte wird heute den Antrag von SPD und Grünen „Anton-Wilhelm-Amo-Straße … jetzt“ beraten und – ich hoffe – auch mit Unterstützung der Linken beschließen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das Bezirksamt soll, so heißt es darin, den Prozess der Umbenennung der M-Straße unverzüglich in die Wege leiten. Ich zitiere:

Nach dem heutigen Demokratieverständnis ist der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem nationalen und internationalen Ansehen Berlins.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Haben Sie nicht zugehört? – Zuruf von Kurt Wansner (CDU) – Zuruf von der AfD: Borniertheit!]

Dem ist aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen. Es ist wahrlich beeindruckend, mit welcher Obsession Hobbyhistoriker und Hobbyetymologen vergeblich versuchen, die kolonialen Bezüge und die lange rassistische Wirkungsgeschichte des M-Worts abzuschütteln. Auch das macht der AfD-Antrag paradigmatisch vor. Historiografie dient dann ausschließlich der politischen Instrumentalisierung. Der historische Kontext aber des brandenburgisch-preußischen Kolonialismus und seines Sklavenhandels wird so zum nächsten „Vogelschiss der Geschichte“, oder, noch schlimmer, er wird einfach, wie hier, verschleiert.

Auch der Vorwurf, mit der Umbenennung von Straße und U-Bahnhof solle Geschichte bewusst getilgt werden, läuft völlig ins Leere. Das Gegenteil ist der Fall! Wir befürworten den zivilgesellschaftlich breit getragenen Vorschlag: Beide Orte sollen künftig den ersten SchwarzenUniversitätsgelehrten Deutschlands, Anton Wilhelm Amo, ehren. Damit bleibt der historische Bezug nicht nur erhalten, sondern die Perspektive wird zugunsten der ehemals Kolonisierten quasi umgekehrt: Aus einer exotisierend-rassistischen Fremdzuschreibung kann mit Anton Wilhelm Amo eine gemeinsame, geteilte, eine postkoloniale Geschichte werden. Gerade auch deswegen ist es so wichtig, dass neben der Umbenennung ein Lern- und Erinnerungsort eingerichtet wird. Auch diesen Vorschlag unterstützen wir ausdrücklich.

Die Black-Lives-Matter-Proteste der letzten Monate haben den Finger zu Recht in die Wunde der weißen Mehrheitsgesellschaft gelegt:

[Zuruf von Franz Kerker (AfD)]

Wie lange wollen wir anti-Schwarzen Rassismus im Alltag unserer Stadt hinnehmen? Wie lange wollen wir die Verherrlichung der Kolonialzeit unkommentiert im öffentlichen Raum stehen lassen? – Die Antwort kann nur heißen: keinen Augenblick länger. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von Franz Kerker (AfD) und Tommy Tabor (AfD)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für kulturelle Angelegenheiten sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Betriebe. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.4:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 63

Ladenöffnungszeiten umgehend flexibilisieren

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2857

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. Es hat das Wort Herr Abgeordneter Czaja.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Gute Wirtschaftspolitik ist die beste Sozialpolitik – dieser Grundsatz gilt nach wie vor.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb ist er gerade jetzt, und nicht erst mit oder während der Coronakrise, angebracht, sondern das ist ein Grundsatz, den wir uns immer wieder vergegenwärtigen sollten. Dabei kann und darf es nicht darum gehen, Geschäftsmodelle zu erhalten, die zum Beispiel keine Zukunft haben, sondern darum, Unternehmerinnen und Unternehmern in unserer Stadt den Freiraum zu geben, sich selbst den Weg aus der Krise zu erarbeiten, und vor allen Dingen Arbeitsplätze in unserer Stadt zu erhalten.

Es reicht eben nicht, wenn einige Politiker hier im Haus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kriselnder Warenhausketten öffentlichkeitswirksam ausschließlich über den Kopf streicheln. Die Angestellten, und das sind wir ihnen schuldig, brauchen echte Perspektiven. Das funktioniert nur, wenn die Unternehmen in dieser Stadt auch eine wirklich echte Chance bekommen.

[Beifall bei der FDP]

Der Lockdown hat den stationären Handel in Berlin, ja in ganz Deutschland schwer getroffen; nicht nur große Warenhäuser, sondern unzählige kleine inhabergeführte Läden. Sie prägen unseren Kiez und unsere Nachbarschaft. Hinter den kalten Zahlen stehen Schicksale von Menschen, gescheiterte Träume und Hoffnungen, Ängste, Sorgen. Verlierer des Niedergangs im Einzelhandel sind nicht nur die, von denen ich spreche – Verlierer des Niedergangs im Einzelhandel sind wir alle, es ist die ganze Stadt Berlin, und deshalb sind wir aufgerufen, etwas zu tun.

[Beifall bei der FDP]

Um das abzuwenden, braucht der Einzelhandel, der stationäre Handel in dieser Stadt eine echte Chance. – Wir als Fraktion waren deshalb sehr positiv überrascht, Frau Pop, dass Sie als Wirtschaftssenatorin einen klaren Vorschlag gemacht haben, signalisiert haben, dass eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten für Sie denkbar ist. Ein richtiger, ein guter Vorschlag. Ich stehe selten hier und

lobe den Senat – da ist es angebracht. Sehr gut! Weiter so, unsere Unterstützung haben Sie an dieser Stelle.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir jetzt deutlich machen, dass Ihr Vorschlag nicht irgendwo in der Sommerpause verloren gegangen ist, sondern dass Ihr Vorschlag genau jetzt, hier im Berliner Parlament diskutiert und in die Umsetzung gebracht wird.

Die Einzelhändler in Berlin waren lange geduldig, und deshalb ist es wichtig, dass jetzt endlich Taten folgen. Geben wir doch den Geschäften die Freiheit, die wir ihnen mit Corona eingeschränkt haben, endlich wieder zurück. Ihr Vorschlag ist so ein Vorschlag, die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten würde genau das bringen; auch die Befristung auf zwei Jahre findet unsere volle Unterstützung.

[Beifall bei der FDP]

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle ein Argument an die Hand geben, vor allen Dingen ein Argument im Austausch mit den Kollegen ihrer Noch-Koalition, Rot-Rot-...