Protocol of the Session on February 16, 2017

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Abgeordnete Burkert-Eulitz das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Bentele! Wir sind alle gottfroh, dass fünf Jahre Blockadehaltung der Berliner CDU in der Bildungspolitik endlich vorbei sind.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Nicht alle!]

Die CDU und nun auch die FDP in Person von Herrn Fresdorf stilisieren sich als Verteidigerinnen des Gymnasiums. Das ist reine Inszenierung, denn es hat keine Grundlage. Aber, liebe CDU, anstatt einen Phantomkampf zu führen, beteiligen Sie sich lieber an dem Diskurs, die Berliner Schulen so fit zu machen, dass sich unsere Kinder und Jugendlichen den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen können und vor allem die negativen Auswirkungen von Armut auf den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen weiter abgebaut werden! Rot-Rot-Grün stellt sich dieser Herausforderung. Sie können mir glauben, die preußischen Bildungsreformer – allen voran Wilhelm von Humboldt –, die vor 200 Jahren das Gymnasium als wichtigen Baustein zur Überwindung der Ständegesellschaft von Absolutismus und Feudalismus erstritten haben, wären heute sehr enttäuscht von der CDU mit ihrer rückwärtsgewandten bildungspolitischen Agenda.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die CDU hat auch noch nicht begriffen, dass die integrierte Sekundarschule und das Gymnasium zwei gleichwertige Schulformen sind und beide Schultypen zu den gleichen Abschlüssen führen. Die künstliche Trennung des Gymnasiums für das Studium und der ISS für die Berufsausbildung ist obsolet und ist auch Beweis dafür, dass die CDU den Sprung in die Jetztzeit immer noch nicht geschafft hat.

Eine wichtige Erfahrung von Kindern und Jugendlichen, sich den Herausforderungen des Lernens zu stellen, sind Erfolgserlebnisse und Motivation. Ein Zwang, dass alle Schülerinnen und Schüler der ISS am MSA teilnehmen, halten wir für falsch. Wenn klar ist, dass die Lernfortschritte von Jugendlichen nicht ausreichend für die Berufsbildungsreife sind, dann werden sie erst recht nicht für den mittleren Schulabschluss ausreichen. Deshalb wollen wir, dass die Jugendlichen erst einmal die Berufsbildungsreife erreichen, um dann im nächsten Schritt gemeinsam mit berufspraktischen Erfahrungen die Option zum MSA haben. Hier sehen wir die Oberstufenzentren als Baustein. Wer Jugendliche zu einer Prüfung zwingt, die noch nicht einmal die Mindeststandards erreichen, produziert mehr Verlierer und Frustration als Gewinner und Lernerfolg.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es ist ein sehr beliebtes Thema der Berliner CDU, den MSA an den Gymnasien abschaffen zu wollen. Wir halten daran fest, denn auch die Gymnasien müssen sich den Qualitätsstandards stellen und können sich dem nicht entziehen. Deshalb wurde der MSA für beide Schulformen verbindlich eingeführt. Denn der MSA ist keine schulinterne Abschlussprüfung, wie Sie das gerne hätten. Hinzu kommt, dass es für viele Schülerinnen und Schüler eine erste Vorbereitung auf das Abitur ist und so auch von ihnen wahrgenommen wird.

Ich möchte hier noch an die Anfrage Ihres ehemaligen CDU-Kollegen Schlede erinnern und darf auch aus einer Drucksache zitieren. Herr Schlede fragte damals:

Hält der Senat eine Leistungskontrolle für sinnvoll, die absehbar zu 95 Prozent erfolgreich absolviert wird?

Herr Staatssekretär Rackles antwortete damals:

Ja, denn wäre die Bestehensquote ein Kriterium für die Relevanz von Leistungskontrollen, wäre die Abiturprüfung gleichfalls in Frage zu stellen, welche 97,8 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien im Jahr 2015 erfolgreich absolviert haben.

Übrigens sind auch die Gymnasien zur Inklusion verpflichtet und haben zugleich die Aufgabe, alle ihre Schülerinnen und Schüler anzunehmen und mitzunehmen.

(Paul Fresdorf)

Deshalb können wir gerne darüber reden, wie auch die Gymnasien in die Pflicht genommen werden, ihre Schülerinnen und Schüler, die nicht zur Leistungsspitze gehören, stärker zu fördern und zu integrieren.

Was mir noch nicht klar ist, liebe CDU: Wie führt Bildungszentralismus, wie Sie ihn fordern, automatisch zu einem qualitativ hochwertigen Abitur?

[Hildegard Bentele (CDU): Nicht automatisch!]

Wenn wir die Qualität unserer Abschlüsse verbessern wollen – und das wollen wir als Koalition –, dann müssen wir uns erst einmal unsere Schulen anschauen. Hier haben Sie in den letzten fünf Jahren nicht geglänzt, was Konzepte und Ideen angeht.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Tom Schreiber (SPD) – Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Da war Ihr damaliger Koalitionspartner SPD deutlich besser aufgestellt. Orientieren Sie sich lieber an unserem Koalitionsvertrag, dann kommen Sie deutlich weiter, als wenn Sie solche Anträge stellen. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen. Es wird die Überweisung der Anträge an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich komme zu

lfd. Nr. 19:

Das Abgeordnetenhaus bekennt sich zu (s)einem starken Verfassungsschutz

Antrag der Fraktion der CDU auf Annahme einer Entschließung Drucksache 18/0134

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. Für diese hat der Abgeordnete Herr Lenz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat sich zur Vorlage dieser Entschließung nicht ohne Grund entschieden, vielmehr bot die von SPD, Linkspartei und Grünen vorgelegte Koalitionsvereinbarung Anlass, sich als Parlament einmal in aller Deutlichkeit zum Berliner Verfassungsschutz zu bekennen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Koalitionsvereinbarung hat es nämlich in jeder Hinsicht in sich. In der Tat, es steht relativ viel drin. Ich persönlich kann mich nicht erinnern, schon einmal ein so umfangreiches Dokument als Koalitionsvertrag in der Hand gehabt zu haben; ich mache das ja schon ein paar Jahre. Für alle, also auch für die Opposition, hat das gewisse Vorteile, denn wir können Sie an dem messen, was Sie aufgeschrieben haben, wie auch an dem, was Sie nicht aufgeschrieben haben. Es kann nicht mehr jeder alles behaupten.

Zum Bereich der inneren Sicherheit haben Sie nicht viel Gutes in die Vereinbarung geschrieben. Man kann sicherlich festhalten, dass die innere Sicherheit für die Koalition keine Priorität genießt. Damit stellen Sie sich ganz in den Gegensatz zur Arbeit des Vorgängersenats. Die erste Erwähnung der öffentlichen Sicherheit findet sich, man darf das immer wieder wiederholen, auf Seite 194 Ihres Koalitionsvertrags, hinter den wegweisenden Kapiteln „Die Hälfte der Macht den Frauen“ und „Regenbogenhauptstadt Berlin“. Insgesamt haben Sie dann zehn Seiten lieblos aufgeschrieben. Konkrete Festlegungen zugunsten der Sicherheitsbehörden finden sich dort nicht. Sie haben sich nicht einmal durchgerungen, eine Verstärkung der Polizeibehörde festzuschreiben; das muss man sich in der heutigen Zeit einmal vorstellen.

An anderer Stelle, nämlich wenn es um die Kompetenzbeschneidung der Sicherheitsbehörden geht, sind Sie dafür dann ganz konkret geworden, bis ins Skurrile. Auf Seite 200 gibt es eine genau Festlegung zur Streichung von § 21 Absatz 2 Satz 1 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) Allgemeines Sicherheit- und Ordnungsgesetz – da geht es um die Identitätsfeststellung an Orten, an denen vom Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Vorschriften ausgegangen werden kann. Da bleibt einem als Innenpolitiker die Spucke weg.

Für den Verfassungsschutz, und darum geht es jetzt konkret, kommt es noch schlimmer. Ich darf mal aus Ihrem Vertrag zitieren. Auf Seite 201 stellen Sie fest:

Die Aufgaben (des Verfassungsschutzes) werden auf den Kernbereich beschränkt. … Die Kriterien für die Arbeit des Verfassungsschutzes werden eng gefasst und streng überwacht. … Bei einer sich ergebenden Zuständigkeit der Polizei … oder der Staatsanwaltschaft … ist eine eigene Tätigkeit des Verfassungsschutzes … ausgeschlossen. Personelle und sachliche Ausstattung des Verfassungsschutzes … werden an die sich verändernde Aufgabenbeschreibung … angepasst.

Das heißt, Sie streichen:

Der Einsatz von V-Leuten des Verfassungsschutzes ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich und bedarf der Zustimmung des zuständigen Staatssekretärs.

(Marianne Burkert-Eulitz)

Zusammengefasst: Einschränkung der Befugnisse, Zurückfahren der eingesetzten Ressourcen. Man merkt, Linkspartei und Grüne haben hier die Feder geführt. Was ich mich die ganze Zeit frage – das ist jetzt an die Kollegen der SPD gerichtet –: Wie konnten Sie so etwas unterschreiben? Wie können Sie das den Berlinerinnen und Berlinern gegenüber verantworten? Das ist mir völlig schleierhaft.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

In Zeiten wie diesen wirken die von mir dargelegten Ankündigungen der rot-rot-grünen Koalition geradezu wie aus der Zeit gefallen.

[Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Wir leben in Zeiten terroristischer Bedrohungen von nicht gekanntem Ausmaß. Seit dem Attentat am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 ist jedem klar, dass der Terror auch in Berlin angekommen ist. Zwölf Menschen verloren bei dem Anschlag ihr Leben. Der Staat muss sich mit allen Mitteln der terroristischen Bedrohung entgegenstellen.

[Steffen Zillich (LINKE): Genau!]

Dabei müssen unter Betrachtung des Trennungsgebots Polizei und Nachrichtendienste Hand in Hand agieren. Nie war es dabei so wichtig wie heute, dass der Staat die bestehenden extremistischen Strukturen durchdringt

[Beifall bei der CDU – Beifall von Holger Krestel (FDP)]

und die zuständigen Stellen informiert. Leisten kann das nur, wir hatten die Debatte schon ganz oft, ein Verfassungsschutz mit dem entsprechenden Know-how und den entsprechenden Kompetenzen. Das gilt nicht nur, aber in besonderem Maße für den Phänomenbereich des islamistischen Extremismus. Wer das bestreitet und hierfür die erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stellt, gefährdet unsere Sicherheit. Sie in den Regierungsfraktionen wissen das ganz genau. Niemand will und niemand kann das in der heutigen Zeit verantworten.

Mit der vorliegenden Entschließung wollen wir ein klares Bekenntnis des Berliner Abgeordnetenhauses zum Berliner Verfassungsschutz abgeben. Die Berliner erwarten zu Recht, dass wir alles Notwendige tun, um die Sicherheit in unserer Stadt zu gewährleisten. Ein funktionierender Nachrichtendienst gehört unzweifelhaft dazu. Die Entschließung ist auch ein Appell an Sie, die Kollegen von der Linkspartei und den Grünen, Ihrer Verantwortung gegenüber der Stadt gerecht zu werden. Denken Sie noch einmal darüber nach, ob Sie das, was Sie in Wirklichkeit betreiben, nämlich die Abschaffung des Berliner Verfassungsschutzes, wirklich verantworten können! Ich kann nur an Sie appellieren: Kommen Sie vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage endlich zu Vernunft!

Herr Abgeordneter! Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Ausführung!

Im Doppelhaushalt 2016/2017 haben wir eine massive Stärkung des Verfassungsschutzes beschlossen. Wir müssen das umsetzen; wir hatten dafür gute Gründe. Nehmen Sie diese Stärkung nicht zurück! Hören Sie endlich auf, den Verfassungsschutz zu bekämpfen! Hören Sie auf, gegen den Verfassungsschutz zu arbeiten! Machen Sie mit, denn wir brauchen den Nachrichtendienst in Berlin dringender denn je! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]