Der Dringlichkeit hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion und hier der Abgeordnete Hansel. – Bitte schön!
Danke, Frau Präsidentin! – Werte Kollegen! Liebe Berliner, die Sie jetzt nicht in die Osterferien fliegen und auch nicht mit dem Auto in den Urlaub oder mit dem Kreuzfahrtschiff durchs Mittelmeer fahren können, sondern daheim bleiben müssen! So schwer und hart uns Corona derzeit trifft und alle bemüht sind, der Virusverbreitung Einhalt zu gebieten, eins ist klar: Auch Corona geht vorbei, und wir als Politik haben nicht nur die Pflicht, in der Krise zu handeln, sondern auch vorauszuschauen und zu sagen, was danach kommt. Das Danach betrifft auch Tegel.
Unsere Bundeshauptstadt – und Berlin ist eben nicht nur das Provinzberlin dieser rot-rot-grünen Senatsriege – muss auch ein nachhaltiges und effizientes Wachstum ermöglichendes Flughafensystem vorhalten und behalten. Das muss so lange gelten, bis das Versprechen des Konsensbeschlusses von 1996 eingelöst ist, dass der BER als Singleairport die mittel- und langfristig benötigten Kapazitäten tatsächlich und mit gutem Standard land- und luftseitig abwickeln kann. Wir wissen heute, dass das mit dem derzeitigen BER sogar in Verbindung mit Schönefeld-alt, der übrigens gemäß des damaligen Beschlusses gleichzeitig mit Tegel hätte schließen müssen, nicht funktionieren wird. Warum? – Weil der BER nicht nur zu
teuer und zu spät kommt, sondern – und jetzt folgt mein Mantra – weil er von Anfang an zu klein ist.
Ausgerechnet jetzt kommt Corona ins Spiel, in dessen Folge die Flugbewegungen rapide sinken. Ja, im Moment ist die Fliegerei fast tot, genauso wie unser öffentliches Leben – runtergefahren, erstarrt. So wie aber das öffentliche Leben wieder hochfahren wird, wird auch die Fliegerei wieder losgehen. Sie wollen den Flughafen Tegel bis zum 31. Mai – oder auch länger – schließen, da die Kosten weiterlaufen, denen keine Einnahmen entgegenstehen. – Das, Herr Finanzsenator, ist ein Phänomen, das wir seit 2012 vom BER kennen und an das wir uns leider offenbar längst gewöhnt haben. Diese momentanen TegelVerluste stehen in keinem Verhältnis zu den seit acht Jahren monatlich anfallenden 30 Millionen Dauerverlusten aufgrund des Politikversagens bei der chronischen Nichtfertigstellung des BER.
Auch wenn anderswo Flughäfen temporär geschlossen werden, um dem betriebswirtschaftlichen Argument Rechnung zu tragen – wie Paris Orly oder der London City Airport –, hat doch die Schließung in Berlin einen ganz anderen Charakter, Herr Finanzsenator. Sie haben das in der Fragestunde in der Plenarsitzung am 26. März bereits mehr oder weniger unfreiwillig eingeräumt und letztlich eingestanden. Die Möglichkeit der mit dieser Maßnahme verbundenen endgültigen Schließung von Tegel – das ist das, was Sie eigentlich wollen.
Flughäfen gehören aber zur kritischen Infrastruktur eines Landes, insbesondere zu Berlin als Bundeshauptstadt. Darum lehnt der Bund als Anteilseigner die jetzt beabsichtigte vorgezogene Schließung von Tegel ab, und ich hoffe, das Bundesverkehrsministerium bleibt dabei.
Selbst wenn durch die momentane Krise der Flugverkehr in Berlin das Volumen der Vor-Coronazeit zum BER- Öffnungstermin noch nicht wieder erreicht, bleibt es richtig, dass der BER noch immer zu klein ist und Tegel weiterhin benötigt wird. Diesem Faktum setzen Sie jetzt offenbar Ihre Hoffnung entgegen, dass die Fliegerei noch im Oktober darniederliegt, damit dieser tatsächliche Kapazitätsengpass nicht offensichtlich wird. Es ist unverantwortlich, jetzt mit einer vorgezogenen Schließung von Tegel Fakten zu schaffen, solange nicht gesichert ist, dass die Berliner Flughafenkapazitäten allein mit dem BER und dem bislang nur auf den Papier stehenden Masterplan 2040, dessen Finanzierung völlig offen ist, mit dem nach der Krise wieder überproportional wachsenden Weltluftverkehr mithalten können.
An die FDP: Wenn Tegel für Sie nicht nur Taktik eines politischen Überlebenstrainings ist, dann stimmen Sie dem Antrag zu! Kuscheln Sie nicht mit der anderen Seite, und werden Sie Ihrer Rolle als Opposition gerecht!
Gleiches gilt für die Kollegen der CDU. An Sie gerichtet: Sorgen Sie mit Ihren Verbündeten auf der Regierungsbank auf Bundesebene dafür, dass sich in Bezug auf die Offenhaltung Tegels die Vernunft durchsetzt! Die Berliner haben sich zumindest per Volksentscheid entschieden. – Danke!
[Beifall bei der AfD – Sven Heinemann (SPD): Das war ja ganz spannend, Gott, oh Gott! – Heiko Melzer (CDU): Jeder so gut wie er kann!]
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den dringlichen Antrag der AfD – Tegel nicht schließen! – werden wir, wie von der AfD gewünscht, sofort abstimmen, und wir werden ihn ablehnen.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Kurz und knapp versenkt!]
Warum? – Weil es den Antrag nicht nur nicht braucht, sondern weil Ihre Überlegungen, die Sie in der Begründung ausgebreitet haben, nicht zutreffend sind; wir haben das gerade noch einmal hören können. Sie beziehen sich beispielsweise auf die Flughafenschließungen von Paris und London und erkennen darin einen „anderen Charakter“. So, so! Ich erkenne eine wirtschaftliche und fürsorgliche Abwägung darin, wenn wir über eine mögliche vorübergehende Schließung sprechen. Einige Zahlen: Wo sonst 55 000 bis 75 000 Menschen zu Flugreisen aufbrechen, sind es derzeit 2 500 bis 3 000 an beiden Flughäfen. Wenn man den Pressemitteilungen, die ich nicht verifizieren konnte, glauben darf, waren es gestern genau noch ein Flug in Tegel und ein Flug in Schönefeld.
Wann sich diese Situation ändert, kann heute niemand seriös einschätzen. Glaubt man dem Dachverband der Fluggesellschaften, dann erfolgt eine Erholung des Flugverkehrs erst im Jahr 2021.
Entschuldigung, das sagt die IATA! – Nun kann man den Fachleuten glauben oder nicht, eines ist aber klar: Es liegt nicht in unseren Händen zu entscheiden, wann andere Länder den Flugverkehr wieder aufnehmen. Also scheint es mir klug zu sein, darüber zu befinden, welche Entscheidungen wir jetzt selbst treffen können und müssen. Da gibt es eine kaufmännische Seite, denn es ents
tehen monatlich 5,5 Millionen Euro für den Betrieb des Flughafens; das ist schon diskutiert worden. Wenn wir diese Kosten sparen können, dann wäre es doch fahrlässig, würden wir das nicht zumindest erwägen. Und ich sage noch etwas: Einerseits die Kosten des BER zu geißeln und auf der anderen Seite aus optischen oder emotionalen Gründen Geld zu verbrennen, ist zutiefst unehrlich.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Carsten Ubbelohde (AfD): Keine Ahnung!]
Es gibt aber auch eine fürsorgliche Seite – reden wir also über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Flughafengesellschaft. FBB und Betriebsrat haben in einer Betriebsvereinbarung gemeinsam beschlossen, Kurzarbeit einzuführen, nicht zuletzt, um auch Entlassungen zu verhindern. Die beschlossene Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 80 Prozent und bei Alleinerziehenden auf 90 Prozent halte ich für vorbildlich. Aber das kostet Geld.
Lieber nicht. – Wollen wir also einen Flughafen aus optischen oder emotionalen Gründen offenhalten und dafür lieber Menschen entlassen, oder wollen wir vielleicht eine kaufmännisch sinnvolle und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fürsorgliche Entscheidung treffen? – Wir treffen auf jeden Fall eine Entscheidung für die Menschen.
Da erkenne ich gerade keinen Unterschied, aber den können Sie ja gelegentlich erklären. – Ein weiterer Grund für die temporäre Schließung von Tegel könnte sein: Je mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wir in Tegel schonen, desto mehr haben wir in der Hinterhand, wenn es denn zu vermutlich entstehenden Lücken in Schönefeld kommt – denken wir nur an die Flughafenfeuerwehr.
Auch die Wirtschaft hat Sorgen. – Ja, diese Sorgen sind berechtigt, und sie werden von uns gesehen. Aber wir wissen doch alle, dass der Frachtverkehr, der momentan läuft, auch alleine – ohne Nachteile für die Berliner Wirtschaft – von Schönefeld abgewickelt werden kann.
Deshalb kann man festhalten, dass dies sicher keine leichte Entscheidung ist, und man kann das daran erkennen, dass die Gesellschafterversammlung und der Aufsichtsrat sehr unterschiedlich in ihren Positionen sind. Aber Fakt ist: Die Gesellschafterversammlung wird nach Ostern erneut über diese Frage beraten – und lässt eine Entscheidungsgrundlage dafür vorbereiten –, also zu einem Zeit
punkt, zu dem wir wissen werden, wie es ab Mai weitergeht. Für diese Entscheidung braucht es keine Vorfestlegung, und es braucht auch keinen politischen Popanz. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kugler! Ich wünsche mir ehrlicherweise, dass die Flughafengeschäftsführung sich so viele Gedanken um den Gesundheitsschutz am Flughafen machen würde wie über eine voreilige Schließung von Tegel.
Was mich wirklich erschreckt, sind, mit Verlaub, die Bilder von vollgestopften Transferbussen, sind die Bilder von gedrängten Menschen am Gepäckband – und das über Wochen, in denen wir uns alle längst bewusst waren, welche Gefahren von fehlenden Abständen zueinander ausgehen. Das kann ich nicht verstehen, und dafür fehlt hoffentlich uns allen gemeinsam jedes Verständnis.
Das Verständnis fehlt mir aber auch vollkommen dafür, wie man zu diesem Zeitpunkt – einem Zeitpunkt, zu dem es meines Erachtens eines ganz besondere Chuzpe braucht – vollendete Tatsachen schaffen will. Machen wir uns nichts vor: Um nichts anderes geht es Herrn Lütke Daldrup, um nicht anderes geht es auch Ihnen.
Was Sie wollen – so ehrlich dürfen Sie schon sein –, ist doch nicht das Sparen von 6 Millionen Euro pro Monat, sondern die vorzeitige und dauerhafte Schließung des Flughafens Tegel, und das, obwohl Tegel gebraucht wird. Das war gestern so, das ist heute so, das wird morgen so sein, und das ist diesseits und jenseits der Coronakrise so.
[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Carsten Schatz (LINKE): Wofür wird Tegel momentan denn gebraucht?]
Dessen sind sich auch die Berlinerinnen und Berliner nach wie vor in großer Mehrheit bewusst. Dass Sie sich bis heute weigern, einen erfolgreichen Volksentscheid zu akzeptieren und in die Tat umzusetzen, gehört zu den Besonderheiten der Amtsführung dieses Senats und des Selbstverständnisses Ihrer Koalition; darüber haben wir uns schon oft miteinander ausgetauscht. Aber ich finde es schon besonders perfide, die Begleitumstände der ge
Es ist trotzdem typisch – wir kennen den Dampfwalzencharakter von Herr Lütke Daldrup aus früheren Zeiten. Ich gestehe, im Bereich des Wohnungsbaus vermisse ich das gelegentlich, aber im Bereich der Flughafenpolitik ist doch etwas mehr Sensibilität vonnöten, und auch etwas mehr Bewusstsein dessen, dass es sich bei unserem Flughafensystem um einen sehr komplexen Organismus handelt. Man kann nicht einfach auf den Knopf drücken, einen solchen Flughafen abschalten und ihn anschließend nach Wochen wieder hochfahren. Sie wissen sehr genau, welche Abläufe da aufeinander eingestimmt sein müssen.
Im Übrigen wundert mich auch sehr, dass, wenn Sie sich schon mit der Frage beschäftigen, ob denn aufgrund des gesunkenen Fluggastaufkommens und der geringeren Zahl an Flügen ein Flughafen vom Netz gehen muss, ich so gar nichts von Schönefeld höre.
Ich sage, dass gerade die Coronakrise das Risiko deutlich vergrößert, dass der BER nicht pünktlich eröffnen kann. Wie in diesen Zeiten ernsthaft und belastbar ein Probebetrieb organisiert werden soll, der ohne Tausende Mitwirkende nicht vorschriftsmäßig durchführbar ist, ist mir ein großes Fragezeichen wert.