Protocol of the Session on March 5, 2020

Entschuldigung! Vereinzelt gab es Gegenstimmen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dennoch ist festzustellen, dass die Entschließung damit angenommen ist.

[Zuruf von Christian Goiny (CDU)]

Ich darf abschließend feststellen, dass das in der Verfassung von Berlin und im Abstimmungsgesetz vorgesehene Verfahren zur Anhörung und Beratung der Volksinitiative „Bucht für Alle“ fristgerecht zum Abschluss gekommen ist.

Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE), Georg Kössler (GRÜNE) und Dr. Stefan Taschner (GRÜNE) [Erklärung zur Abstimmung gemäß § 72 GO Abghs] :

Wir stimmen heute bewusst anders ab als unsere Fraktion, da wir den Bebauungsplan für die Rummelsburger Bucht insgesamt für falsch halten und auch ein anderes Verfahren für richtig empfunden hätten. Der Bezirk hat hier vor allem Baurecht für Investoren, die keine Gemeinwohlorientierung in ihrer Planung durchblicken lassen, geschaffen und teilweise schon häufig bewiesen haben, dass es ihnen grundsätzlich nur um die Maximierung ihrer eigenen Gewinne geht.

Der Anspruch des Bezirksamtes und der BVV hätte sein müssen, die Interessen aller Beteiligten in einen schonenden Ausgleich miteinander zu bringen, wie es auch die baurechtlichen Regelungen verlangen, anstatt die Wünsche der Investoren zu befriedigen. Wir können zudem nicht erkennen, dass die Planungen eine sinnvolle Nutzungsmischung herstellen, die den stadtentwicklungspolitischen Zielen der Koalition entspräche. Dringend benötigte Flächen für zum Beispiel einen Schulneubau werden hier scheinbar bedenkenlos dem hochpreisigen Segment des Mietmarktes übergeben und berechtigte Proteste vieler Bürger*innen auch über die Grenzen des Bezirkes Lichtenberg hinaus vollends ignoriert. Langfristig werden in den angrenzenden Gebieten wohl ungefähr 10 000 Schulplätze fehlen. Durch die Bebauung wird außerdem eine große Menge an Fläche verdichtet und Stadtgrün zerstört, auf das wir aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes dringend angewiesen wären.

Außerdem werden dort gewachsene kulturelle Strukturen verdrängt, die angesichts der angespannten Situation in der Stadt wohl keine geeigneten Ersatzimmobilien finden werden.

Gerade der Bedarf der Stadt für Kultur- und Grünflächen muss von uns aktiver beantwortet werden, als immer wieder Flächen aufzugeben. An der Rummelsburger Bucht wurde mit dem alternativen Planungsentwurf der Initiative „Rummelsburger Bucht retten“ genau dies als Möglichkeit aufgezeigt. Das geplante Korallen-Aquarium Coral World passt nicht zu den Zielen eines nachhaltigen Tourismus an diesem Ort und ist außerdem aus Sicht des Tierschutzes höchst fragwürdig und hätte genauer geprüft werden müssen.

Die Korrekturen des Bezirks wirken auf uns sehr halbherzig. Es schien den handelnden Personen stets darum zu gehen, möglichst schnell möglichst viel der alten Pläne umzusetzen. Der berechtigte Protest vieler Bürger*innen auch über die Grenzen des Bezirkes Lichtenberg hinaus wurde dabei einfach ignoriert. 28 000 Unterschriften von Bürger*innen belegen jedoch deutlich, dass es sich bei den Gegner*innen des von Bezirksamt und BVV beschlossenen Bebauungsplanes keineswegs um eine kleine Randgruppe handelt, sondern um eine ernstzunehmende Gruppe der Bevölkerung Berlins. Auch wenn es einen weiteren Zeitverzug mit sich gebracht hätte, erfordert eine nachhaltige Stadtentwicklung Zeit und Geduld. Das Durchpeitschen der Entscheidung in der BVV Lichtenberg am 29. April 2019 entspricht nicht dem Anspruch, den wir als rot-rot-grüne Koalition gegenüber der Stadt haben. Wir erkennen Realitäten an, aber wir müssen die Rummelsburger Bucht zum Anlass nehmen, unseren Einsatz für eine nachhaltige „Stadt für alle“ weiter zu verstärken.

Der lapidare Verweis von Bezirksamt und Senat auf einen Zeitverzug oder die hohen Kosten einer Planungs

(Stefan Förster)

änderung bzw. einer Rückabwicklung des Verkaufes der Grundstücke im Jahr 2016 erfüllt für uns als gewählte Vertreter*innen der Bürger*innen Berlins keinesfalls den Selbstanspruch, den eine demokratische und gemeinwohlorientierte Stadtpolitik an sich haben muss. Wir hätten in der Entschließung daher wenigstens einige selbstkritische Worte erwartet – doch dafür fand sich keine Mehrheit in der Koalition. Dabei muss progressive Politik auch in der Lage sein sich selbst zu revidieren.

Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem knappen Gut „öffentlicher Raum“ und ein respektvoller Umgang mit dem Interesse der Bürger*innen an einer "Stadt für alle" sieht unseres Erachtens deutlich anders aus. Mit der Entschließung des Abgeordnetenhauses von Berlin wurde eine Chance vertan, zu zeigen, dass wir das wirklich ernst meinen.

Wir kommen nun zu

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.1:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 30

Beteiligung des Landes Berlin am europaweiten autofreien Tag – Einführung eines fahrscheinlosen Tages im öffentlichen Personennahverkehr

Antrag der Fraktion der SPD, Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2515

[Unruhe]

Meine Herren – und Damen! Führen Sie doch die Gespräche draußen! – Wir beginnen nun mit der Beratung und der Fraktion Die Linke. – Das Wort hat der Abgeordnete Herr Ronneburg – bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verkehrswende werden wir nicht voranbringen, wenn wir nicht grundsätzlich infrage stellen, wie der öffentliche Raum heutzutage aufgeteilt ist. Über Jahrzehnte wurde gemäß des Konzepts der autogerechten Stadt eine auf individuelle Automobilität ausgerichtete Stadt- und Verkehrsplanung vorangetrieben. Das Ergebnis ist Stau, Luft- und Lärmbelastung, Unfälle, Stress und schlechte Laune. Wir als rot-rot-grüne Koalition wollen die Stadt wieder lebenswert machen, sozial gerecht und ökologisch nachhaltig im Sinne der Mehrheit der Berline

rinnen und Berliner. Rot-Rot-Grün hat das Ziel, die Verkehrswende voranzutreiben und konsequent den Umweltverbund aus ÖPNV, Fuß- und Radverkehr zu fördern. Dazu gehört auch die Schaffung von Flächengerechtigkeit im Straßenraum.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN der SPD und den GRÜNEN]

Denn es ist nicht gerecht, wenn in Berlin 1,2 Millionen Pkw 23 Stunden am Tag eine Fläche größer als das Tempelhofer Feld belegen. Es ist nicht gerecht, wenn Straßen nur dem Autoverkehr dienen, den ÖPNV ausbremsen, Fußgängern und Radfahrern den notwendigen Platz für das sichere Fortbewegen nicht zugestehen. Und es ist auch nicht gerecht, wenn die Diesel-Autos die Luft verpesten, die wir alle zum Atmen brauchen.

Wir müssen umdenken, handeln und auf dem Weg zu einer sozial gerechten und ökologischen Mobilität alle mitnehmen. Dazu gehören vor allem Angebote, ein attraktiver ÖPNV, sichere und gut ausgebaute Fuß- und Radwege sowie begleitende Regulierungen des Individualverkehrs. Ein zentraler Baustein ist es, öffentlichen Raum für den Umweltverbund zurückzugewinnen. Für den Kfz-Verkehr ausgebaute und überdimensionierte Straßen, die nur mehr Verkehr anziehen, müssen neu gedacht, am Umweltverbund ausgerichtet und neu aufgeteilt werden. Der zur Verfügung stehende Raum kann nicht einfach vermehrt werden. Deswegen muss der Autoverkehr zum Wohle der Allgemeinheit etwas abgeben.

Es wird weiterhin Straßen geben müssen; das ist klar. Es wird weiterhin Pkw-Verkehr geben müssen, aber wir können es uns – spätestens in Zeiten der Klimakrise – einfach nicht mehr leisten, das Autofahren möglichst attraktiv zu machen. Die Opposition in diesem Hause hat da eine andere Auffassung, auch wenn ich zugestehe, dass das in unterschiedlichen Ausprägungen der Fall ist. Es ist daher wichtig, dass wir Alternativen aufzeigen. Ein guter, symbolischer Anlass dafür ist der europaweite autofreie Tag, der jährlich am 22. September begangen wird. Mit unserem Antrag fordern wir den Senat dazu auf, sich künftig jedes Jahr in Zusammenarbeit mit den Verkehrsunternehmen, den Mobilitätsverbänden und den Bezirken im Rahmen der europäischen Mobilitätswoche am europaweiten autofreien Tag zu beteiligen. Der autofreie Tag und die europäischen Mobilitätswoche gehen auf eine Initiative der Europäischen Kommission von 2002 zurück. Viele Kommunen beteiligen sich daran mit den unterschiedlichsten Aktionsformen. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister verzichten an diesem Tag auf ihren Dienstwagen und steigen auf umweltverträgliche Verkehrsmittel um. Parkplätze und Straßen werden umgenutzt. Auch an Schulen finden Aktionen für mehr Klimaschutz im Verkehr statt. Alle Bürgerinnen und Bürger sind dazu aufgerufen, sich an diesem Tag aktiv einzubringen, zu beteiligen und auf das eigene Auto zu verzichten.

(Dr. Stefan Taschner)

Wir als rot-rot-grüne Koalition schlagen außerdem vor, an diesem Tag gemeinsam mit den Bezirksämtern autofreie Zonen in der Stadt zu schaffen.

[Beifall von Dr. Michael Efler (LINKE), Daniel Buchholz (SPD) und Harald Moritz (GRÜNE)]

Die im Antrag aufgeführte Friedrichstraße wird voraussichtlich an diesem Tag autofrei sein. Die Pläne für einen Verkehrsversuch waren bekannt. Nun soll ab Sommer in einem begrenzten Zeitraum bis November die Friedrichstraße temporär zur autofreien Zone werden. Genauso können wir uns das am Kurfürstendamm vorstellen. Dazu gibt es bereits viele Diskussionen.

[Lachen bei der CDU]

Habe ich da gerade Lachen gehört? Hoffentlich kommt es nicht vonseiten der FDP-Fraktion. Ich glaube, Ihre Kolleginnen und Kollegen sind deutlich aufgeschlossener. – Wir sind jedenfalls gespannt auch auf viele andere Initiativen aus der Bevölkerung.

Komplementärer Bestandteil des Antrags ist noch etwas anderes, und zwar wollen wir den autofreien Tag mit einem bisher außergewöhnlichen Angebot für die Berlinerinnen und Berliner verbinden, denn wir wollen am 22. September 2020 und auch künftig an diesem Tag, am europaweiten autofreien Tag, alle in Berlin kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren lassen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wir machen damit deutlich, Entlastung der Stadt vom Autoverkehr und attraktive Alternativangebote sollen Hand in Hand gehen. Dass wir dieses Anliegen gemeinsam auf den Weg bringen, ist ein ganz wichtiger Schritt hin zur Erprobung eines entgeltfreien ÖPNV, den die Linke, wenn ich das anmerken darf, langfristig anstrebt. Vor einigen Jahren ist man für diese Forderung schräg angeschaut worden, aber wir sehen immer mehr Städte und Länder, die dieses Modell verfolgen und auch tatsächlich umsetzen. Luxemburg hat am 1. März 2020 als erstes Land der Welt die kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel eingeführt.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) – Katalin Gennburg (LINKE): Uuh!]

Die Kosten betragen 41 Millionen pro Jahr. Wenn man einen Vergleich ziehen will, so viel würde ungefähr der BerlKönig kosten, wenn wir ihn jedes Jahr im ABBereich fahren ließen. Ja, ein generell kostenloser ÖPNV würde Berlin, wie andere Metropolen auch, würde er von heute auf morgen eingeführt, finanziell natürlich überfordern, aber auch von den Kapazitäten her. Bis wir eines Tages ein solches Modell realisieren können, muss mehr Geld ins System. Die Einführung einer dritten Finanzierungssäule für Investitionen in den ÖPNV diskutieren wir. Auch die Infrastruktur muss modernisiert werden. Wir brauchen mehr Busse und Bahnen, mehr Personal,

sodass ein solcher entgeltfreier ÖPNV nicht zu einem Verkehrskollaps führt.

Herr Kollege! Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. Wir werden auch an diesem Tag selbstverständlich alles dafür tun, dass die Verkehrsmittel gut ausgestattet sind, dass wir dort verdichten können, wo wir es eben auch tatsächlich machen können. Besser wäre es noch, wenn wir uns dazu zukünftig –

Herr Kollege! Sie müssten jetzt bitte wirklich zum Schluss kommen.

mit Brandenburg verständigen könnten. Darauf bin ich auch sehr gespannt, auch auf die Ausschussdebatte. – In diesem Sinne, vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Friederici das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurz auf den Vorredner eingegangen: So ist das eben, wenn man vorbereitete Textbausteine hat und diese programmatisch abarbeiten muss, weil man Sie Ihnen entweder aufgeschrieben hat

[Kristian Ronneburg (LINKE): Meine Reden schreibe ich noch immer selbst! Ich weiß ja nicht, wer Ihre schreibt!]