Protocol of the Session on January 30, 2020

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Goiny das Wort. – Bitte schön!

(Senator Dr. Matthias Kollatz)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin meiner Vorrednerin sehr dankbar, dass sie einen der wahren Beweggründe für diese Gesetzesinitiative angesprochen hat. Es geht hier nämlich vielmehr darum, dass man einen Beitrag leisten will, um die Bürgerversicherung in diesem Land durchzusetzen, und das lehnen wir ab.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall bei der AfD und der FDP]

Es ist auch eine Miene gegen das Berufsbeamtentum, die hier gelegt wird, und darüber täuschen auch die wohlfeil gesetzten Worte das Finanzsenators nicht hinweg.

[Beifall von Stefan Förster (FDP) und von Holger Krestel (FDP)]

Wenn man sich den Gesetzesentwurf gründlich durchliest, fällt schon auf, dass bei der Problembeschreibung erst einmal gar kein Problem geschildert wird, sondern ein Ist-Zustand. Den kann man nicht gut finden, aber das ist per se erst einmal kein Problem. Was aber ein Problem ist, ist die Tatsache, dass in dem Gesetzesvorhaben mehrere Punkte angelegt sind, die leider dazu führen werden, dass eine Reihe von Beamtinnen und Beamten perspektivisch schlechter gestellt werden, bis hin zur Gefahr der Altersarmut.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Quatsch!]

Wenn Sie diese Pauschalierung, die man einmal entscheiden kann, für sich in Anspruch nehmen, dann ist das möglicherweise gut für einen jüngeren Beamten oder eine jüngere Beamtin mit vielen Kindern. Für die ist das dann attraktiv, aber spätestens wenn die Kinder aus dem Haus sind, ist das nicht mehr günstig. Die Pauschalierung können Sie dann nicht mehr ändern, dann wird es zu einer Last. Wenn die Bediensteten über 45 Jahre alt sind, kehrte sich noch mehr um. Über der Besoldungsgruppe A 10 wird es auch unattraktiv, und insbesondere bei den Pensionären sieht es dann aufgrund der Aufteilung gegenüber dem bisherigen System ganz schlecht aus. Was Sie hier machen, ist eine schleichende Verschlechterung der Gesundheitsvorsorge für die Beamtinnen und Beamten im öffentlichen Dienst, und deswegen lehnen wir dieses Gesetzesvorhaben ab. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Stefanie Remlinger (GRÜNE): Ach Herr Goiny, Sie erzählen Quark!]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Becker das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Deswegen ist es genau richtig, Herr Goiny, dass

wir jetzt ein Wahlrecht einführen werden. Es ist auch erst mal eine gute Nachricht, dass Berlin als weiteres Bundesland – nach Hamburg, Brandenburg und Bremen, wie es Senator Kollatz bereits gesagt hat – seinen beihilfeberechtigen Beamten und Versorgungsempfangenden einen Arbeitgeberzuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen des Beihilferechts gewährt. Diese Gruppe kann künftig einmalig wählen, ob sie eine pauschale oder eine individuelle Beihilfe beanspruchen möchte.

Das Beihilfenrecht ist bisher so geregelt, dass für freiwillig gesetzlich krankenversicherte Beamte keine Beitragskosten erstattet werden und sie so den kompletten Beitragssatz bei ihrer gesetzlichen Krankenversicherung selber bezahlen mussten. Mit dem Gesetz zur pauschalen Beihilfe wird rückwirkend zum 1. Januar 2020 eine Wahlmöglichkeit eingeräumt. Das heißt, Beihilfeberechtigte können nun eine Pauschale von 50 Prozent ihres Versicherungsbeitrags für eine Krankenvollversicherung bei ihrem Dienstherrn beantragen, wenn sie in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind oder sein wollen. Die neue Regelung der pauschalen Beihilfe ist eine gute Weiterentwicklung des Beihilferechts, und sie stärkt das Berufsbeamtentum.

Aber nicht nur das: Für die Berliner Beamten ist es ein positives Signal, dass sie, je nach persönlicher Lebens- und Familiensituation, künftig frei entscheiden können, ob ein gesetzlicher oder ein privater Versicherungsschutz für Sie maßgeschneiderter ist. Die pauschale Beihilfe ist insbesondere für Beamte in niedrigen Besoldungsgruppen oder in Teilzeit, für Beamte, die älter sind, und für Beamte, die viele Kinder haben oder gesundheitlich beeinträchtigt sind respektive für ihre mitzuversichernden Familienmitglieder, ein gutes Angebot. Für sie kann die gesetzliche Krankenversicherung eine lohnende Alternative sein.

Berlin zeigt, dass es als öffentlicher Arbeitgeber klug und verantwortungsvoll handelt – ganz im Sinne rot-rotgrüner Politik. Mit der neuen Regelung werden Anreize gesetzt, die die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Versichertengemeinschaft stärkt. Künftig können Beamte eigenverantwortlich wählen, wie sie den Arbeitgeberzuschuss nutzen, um ihre Versorgungslücke beim Krankenversicherungsschutz zu schließen. Entweder sie tun das mit einem individuellen privatrechtlichen Vertrag, in dem die medizinischen Neuerungen möglicherweise nicht abgedeckt sind oder bestimmte Risiken von vorneherein sogar gänzlich ausgeschlossen sind, oder aber mit einem gesetzlichen Angebot für alle ohne Gesundheitsprüfung. Damit Beamte keinem finanziellen Risiko bei einem Dienstwechsel in ein anderes Bundesland ausgesetzt sind, wäre es angezeigt, dass rasch alle Bundesländer nachziehen. Ich freue mich, dass mit dem Gesetz die Wahlfreiheit erweitert wird und individuelle Krankheitsvorsorge flexibler gestaltet werden kann. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Woldeit das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wenn ein Senator zu einem vorliegenden Gesetzentwurf in der ersten Lesung spricht, ist er in der Regel stolz auf sein Werk. Er möchte es in der ersten Lesung verteidigen, und dann muss man schauen, ob er wirklich stolz auf sein Werk sein kann.

Herr Kollege Goiny! Wir sollten in einem solchen Punkt, der die Beamtinnen und Beamten elementar betrifft und auch umtreibt, nicht in ein klassisches OppositionKoalition-Muster fallen. Man kann mit Zwang auch Kritikpunkte heraussuchen, wo gar keine Kritikpunkte sind; das haben Sie gemacht.

Liebe Frau Pieroth-Manelli! Sie sprachen von der grünen Bürgerversicherung. Tun Sie uns das bitte nicht an! Es gibt Dinge, die sind gut gemeint, aber mit Sicherheit nicht gut, und Ihr Vorschlag – Gott bewahre, dass so etwas jemals umgesetzt wird!

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD]

Die Wahlmöglichkeit zwischen der privaten Krankenversicherung und gesetzlichen Krankenversicherung – gerade bei den Beamtinnen und Beamten – treibt die Kolleginnen und Kollegen seit Jahren um. Das bekommt man in Gesprächen mit, wenn man auf der Landestagung beim DBB Beamtenbund und Tarifunion ist. Ich hätte mir gewünscht, dass das Land Berlin das bereits vor einigen Jahren umgesetzt hätte; der Senator sprach es an. Hamburg war, glaube ich, das erste Bundesland, Brandenburg zog nach. Das ist eine gute Möglichkeit.

Im allgemeinen Verständnis wird der Beamte immer als der wohlhabende Großverdiener dargestellt – das ist mitnichten zutreffend. Nicht jeder steigt nach dem zweiten Staatsexamen in Jura in den höheren Dienst mit der Besoldungsgruppe A 13 ein, nein; es gibt auch in Berlin immer noch den mittleren Dienst in verschiedenen Verwaltungsbereichen: Besoldungsgruppe A 7, A 8, A 9. Ferner gibt es einfach auch unterschiedliche Lebensmodelle. Da gibt es eventuell den alleinverdienenden Justizhauptmeister, die alleinverdienende Justizhauptmeisterin, und der Ehepartner ist zu Hause, und man hat zwei Kinder. Da ist es eine Herausforderung. Dann kann man sich schon wünschen, dass man in die gesetzliche Krankenversicherung wechselt. Oder wie die Kollegin PierothManelli gesagt hat: Was ist, wenn jemand Vorerkrankun

gen hat? Was ist, wenn jemand eine Behinderung hat? – Das sind ganz viele Faktoren.

Kurzum: Ich suche nicht die Nadel im Heuhaufen des Negativen, wenn ich da nichts Negatives sehe. Ich halte die Gesetzesvorlage für gut. Sie ist vernünftig und unterstreicht eine Forderung, die aus dem Kreise der Beamten seit Jahren angebracht wird. – Herr Senator! Hier hat der Senat, was nach meiner Bewertung selten ist, ein ordentliches Gesetz in das Abgeordnetenhaus eingebracht. Hier sehen Sie unsere Unterstützung. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Klein das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Berliner Beamtinnen und Beamten bekommen mit diesem Gesetz die attraktive Möglichkeit, die gesetzliche Krankenversicherung anstatt der privaten zu nutzen. Das wurde hier schon mehrfach gesagt, und es ist auch für uns ein guter Schritt – und auch ein guter erster Schritt aus Sicht der Linken, denn schon lange möchten wir eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung schaffen.

Mit diesem Berliner Gesetz ermöglichen wir Beamtinnen und Beamten eine wirkliche Wahlfreiheit zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Damit stärken wir die gesetzliche Krankenversicherung und bauen die Ungleichbehandlung der Versicherten ab.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Herr Goiny! Sie sprachen vorhin davon, dass, wenn eine Beamtin, ein Beamter von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung wechselt, sich dann die Gesundheitsversorgung verschlechtert. Damit geben Sie quasi zu, dass es ein Zweiklassensystem gibt. Aber wollen wir das nicht überwinden? Sollte das nicht unser Ziel sein?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Warum ist das gut? – In der gesetzlichen Krankenversicherung sind die zu zahlenden Beiträge einkommensabhängig und risikounabhängig. Außerdem existiert eine beitragsfreie Familienversicherung. Damit unterstützt die pauschale Beihilfe insbesondere Familien und Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Gleiches gilt für Beamtinnen und Beamte in Teilzeit und in niedrigen Besoldungsgruppen, denn für sie ist die private Krankenversicherung zu unattraktiv. Viele Beamtinnen und Beamte wünschen sich eine Absicherung in der gesetzlichen

Krankenversicherung. Im Unterschied zur privaten Krankenversicherung gibt es in der gesetzlichen keine Steigerung der Beiträge ausgerechnet im Alter, wenn aufgrund des Ruhestands das Einkommen sinkt.

Andere Bundesländer haben die pauschale Beihilfe bereits, etwa Brandenburg und Hamburg. Andere sind dabei, sie einzuführen. Wir fänden es schön und zugleich überfällig, wenn der Bund für seine Beamtinnen und Beamten sich ebenfalls anschließt und die pauschale Beihilfe einführt. Einen Antrag dazu gab es bereits im Bundestag. Das Thema ist dort nicht unbekannt. Berlin ist nun bald auch so weit, und weitere Nachahmerinnen sind willkommen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Für die FDP-Fraktion darf ich jetzt Herrn Kollegen Swyter das Wort geben. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator! Es gibt so viele Dinge, die man aus Hamburg kopieren kann, zum Beispiel das Baurecht. Überhaupt könnte man den Städtebau und den Wohnungsbau in Hamburg kopieren und wäre damit wesentlich besser als das, was Sie hier in Berlin machen. Auch die Infrastruktur ist in vielen Bereichen vorbildhaft, ebenso die Wirtschaftspolitik. Ich rede insofern nicht für die FDP, als in Hamburg Rot-Grün regiert. Alle diese Bereiche, auch die Wirtschaftspolitik, sind sehr viel besser und professioneller als hier in Berlin.

[Beifall bei der FDP]

Nun greifen Sie sich gerade ein Thema aus Hamburg heraus, ein Modell, das man nicht kopieren sollte, und das ist dieser Einstieg in die Einheitsversicherung. Zwar nicht Sie selbst, Herr Senator, aber Ihre Koalitionspartner haben in dankenswerter Klarheit ausgesprochen, dass diese Wahlfreiheit in Wirklichkeit der Einstieg in die Einheitsversicherung sein soll. Das machen wir nicht mit!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Es gibt – Herr Goiny sprach das schon an – auch gar keinen Bedarf für die Wahlfreiheit; sie macht das Ganze sogar noch komplizierter. Es hat auch einen Grund, warum der DBB Beamtenbund und Tarifunion – also nicht Arbeitgebervertreter – in Gestalt von Herrn Schäfer gesagt hat: Die pauschale Beihilfe führt

zu Rechtsunsicherheiten, zu Irritationen und zu einem höheren Mittelbedarf …

Wenn dann auch die Arbeitnehmervertretung sagt, dass wir das nicht brauchen, dann sollte man es erst einmal lassen, jedenfalls nicht vorschnell einführen.

Der zweiter Punkt: Die pauschale Beihilfe wird Mehrkosten verursachen, und zwar 60 Millionen bis 70 Millionen Euro. Hinzu kommen Verweise auf spätere Einsparungen. Das ist ein Hoffnungswert.

Der dritte Punkt: Das Hauptproblem für die Beamten selbst besteht darin, dass diese Entscheidung irreversibel ist. Das heißt, wenn ein Beamter sich für die gesetzliche Krankenversicherung entschieden hat, dann bleibt er da verhaftet, auch dann, wenn sich zum Beispiel seine Einkommenssituation verbessert – die Hoffnung sollte man natürlich trotzdem haben –; dann haben Sie diese Tür geschlossen. Das ist auch der Grund, warum dieses Modell von vielen nicht angenommen werden wird.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Über die Kosten haben wir schon gesprochen: bis zu 70 Millionen Euro. Dieses Geld könnte man für eine Beamtenreform sehr viel besser ausgeben als für dieses Modell zur Abschaffung der privaten Krankenversicherung. Wir werden zum Beispiel in der nächsten Sitzung über Modelle sprechen, wie man Beamte werben und halten kann, auch über ein Prämiensystem. Dann werden wir auch Vorschläge vorlegen, was das Thema Quereinstieg anbetrifft. Alles ist tauglicher zur Attraktivitätssteigerung des Beamtenberufs als dieses Modell aus Hamburg. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Gesetzesantrag wird die Überweisung an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht; dann verfahren wir so.