Protocol of the Session on January 26, 2017

Sie können vielleicht ein bisschen zuhören lernen, dann können Sie auch noch etwas dazulernen! – Wenn sich die AfD-Fraktion tatsächlich mit der Geschichte und den Erfahrungen mit der GE Ident beschäftigt hätte, hätte sie den Antrag in dieser Form sicherlich nicht gestellt.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Ursprünglich war die Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung organisierter Kriminalität gegründet worden. Im späteren Verlauf richtete sich die Arbeit der Ermittlungsgruppe faktisch jedoch nur noch gegen Geflüchtete und Migranten, die zum Teil aus Selbstschutzgründen zur Identitätsverschleierung greifen mussten.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Ach du meine Güte! – Oh! von der AfD – Lachen bei der AfD]

Ja, Sie müssen mal ein bisschen zuhören! – Nichtsdestotrotz brachte die Arbeit der gemeinsamen Ermittlungsgruppe kaum Ergebnisse. Die Einheit wurde im Jahr 2008 sang- und klanglos aufgelöst. Das war ein richtiger und notwendiger Schritt, da die Arbeit der Ermittlungsgruppe enorme Freiheitseinschränkungen für alle Bürgerinnen und Bürger mit sich brachte und im Ergebnis kaum mehr Sicherheit zur Folge hatte. Insofern ist es bedenklich, dass die AfD inzwischen selbst auf gescheiterte Projekte polizeilicher Ermittlungen zurückgreift, bloß um ihre Hetze gegen Geflüchtete und Migranten fortsetzen zu können.

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Dieser Antrag ist ein weiteres Blatt Papier im Sammelsurium peinlicher AfD-Anträge zur Wiederbelebung veralteter und überwunden geglaubter Verfolgungsstrukturen. Liebe Herrschaften der AfD! Sie produzieren Ihre Stimmen, indem Sie Stimmen in den Köpfen anderer produzieren. Das ist schlimm, das ist verwerflich. Dieser Antrag ist ein weiteres Indiz dafür. Ich bitte die Vertreterinnen und Vertreter aller anderen Parteien, ihn – genauso wie wir es tun – selbstverständlich abzulehnen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

(Burkard Dregger)

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Luthe das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem sehr emotionalen Beitrag des Kollegen Taş möchte ich es deutlich weniger emotional halten. Der Antrag auf Einrichtung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe Ident richtet sich selbstverständlich nicht, wenn Sie ihn gelesen haben, ausschließlich an die Berliner Polizei, denn es ist die Rede von einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe und vor allem ihrer Wiedereinsetzung, so, wie sie einmal bestand. Es geht um die Zusammenführung verschiedener Ermittlungsmaßnahmen unterschiedlicher Behörden und damit um die Nutzung von bereits vorhandenen Daten.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Zu welchem Zweck? – Zu dem Zweck, einen funktionierenden Rechtsstaat auch an dieser Stelle sicherzustellen, der auch bedeutet, dass jedes Handeln einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Das ist etwas – ich denke, da herrscht hier völliger Konsens –, was wir alle wollen. Nur wenn tatsächlich feststeht, mit wem man es als Gegenüber zu tun hat, kann man die Person auch entsprechend beurteilen, und das gehört zur Rechtsstaatlichkeit dazu.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Was die konkrete Ausgestaltung dieses Antrags angeht, gibt es sicherlich einigen Beratungs- und Verbesserungsbedarf. Ich schlage daher vor, dass wir in aller Ruhe und Nüchternheit über diesen Antrag im Innenausschuss diskutieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Abgeordnete Frau Bayram das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde beschäftigen wir uns noch mit einem Thema, das einen ernsten Hintergrund hat. Der Antragstext selbst ist sehr kurz und auch, würde ich sagen, ungenau gehalten. Es bleibt vage, was genau passieren soll. In der Antragsbegründung wird aber deutlich, dass es der AfD um den Effekt geht, ihr ewiges Thema – es kommen zu viele Menschen ins Land, und Frau Merkel ist schuld – durchzuspielen.

[Zuruf von der AfD: Richtig!]

Dafür eignet sich ein so ernstes innenpolitisches Thema nicht. Deswegen würde ich auch sagen, so wie der Kollege von der SPD, dass es ein Thema ist, das wir im Innenausschuss besprechen sollten, wo wir auch schon eine klare Haltung haben. Aber was mich an diesem Antrag besonders stört, ist, dass Sie versuchen, auf eine veränderte Einwanderungsgesellschaft mit Instrumenten von vorgestern zu reagieren. Das wird nicht gelingen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das heißt, wir brauchen interkulturelle Öffnung bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft und

[Zuruf von der AfD: Brauchen wir nicht!]

im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten. Und vor allem brauchen wir eine funktionierende Bundesbehörde, ein Bundesamt für Migration und Flucht, denn schauen Sie sich die Praxis an: Schon bei der Antragstellung, nachdem die Merkmale festgestellt werden, ist es doch so, dass die Leute eine Identitätsfeststellung dergestalt vorgenommen erhalten, dass das im Ausländerzentralregister abgeprüft wird. Also diese Lücke, die Sie ein Stück weit konstruieren, die besteht in dieser Form nicht. Inwieweit Sie sich dann über Effizienz der Polizeiarbeit der Berliner Polizistinnen und Polizisten erkundigen wollen, darüber können wir uns im Innenausschuss unterhalten, aber ich wage auch die Prognose, dass Ihr Antrag keine Mehrheit finden wird, weil es kein wirksames Instrument ist, um tatsächlich in einer Einwanderungsgesellschaft gute Innenpolitik umzusetzen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 27 war Priorität der Fraktion der FDP unter Nummer 3.4.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 27 A:

Notstandsplan zur Kältehilfe

Dringlicher Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0106

Der Dringlichkeit hatten Sie bereits zugestimmt. In der Beratung beginnt nunmehr die AfD-Fraktion. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Vallendar. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der vergangenen Plenarsitzung berichtete die Sozialsenatorin Breitenbach über die Situation bei der Berliner Kältehilfe in diesem Winter, von 1 000 geplanten Plätzen stünden derzeit nur ca. 820 Plätze zur Verfügung. Nach den Aussagen von Frau Breitenbach sei Geld nicht das Problem, sondern das Finden von Räumlichkeiten, doch selbst 1 000 Plätze würden in diesem Winter wohl nicht ausreichen. Der Senat hat nämlich keine Ahnung, wie viele Obdachlose sich derzeit in Berlin tatsächlich aufhalten. Es verfügt diesbezüglich über kein belastbares statistisches Material.

Dennoch gehen Schätzungen davon aus, dass sich die Zahl der Obdachlosen in diesem Jahr verdoppelt haben könnte. 2 000 bis 3 000 Obdachlose könnten sich demnach derzeit in Berlin aufhalten. Jeder, der mit offenen Augen durch die Stadt läuft, wird das auch festgestellt haben, dass diese Zahlen stimmen könnten. Selbst in meinem Wahlkreis in Charlottenburg kann ich diese Entwicklung sehen. Vor meiner Wohnung an einer Ladenzeile schläft regelmäßig ein Obdachloser. Vor jedem Supermarkt in meiner Nähe schlafen mehrere Obdachlose. Bei einem Bekannten von mir schlief ein Obdachloser im Hausflur vor seiner Wohnungstür, weil es ihm draußen zu kalt war.

Die Linksfraktion im Bundestag regt sich derweil in der Presse darüber auf, dass die Bundesregierung hinsichtlich der Kältetoten in Deutschland nichts unternehmen würde. Der Bund ist aber naturgemäß nicht primär für die Gefahrenabwehr, um Kältetote zu verhindern, zuständig, sondern die jeweiligen Bundesländer, also auch das hier von den Linken mitregierte Berlin.

Auf meine parlamentarische Anfrage vom 15. November, ob Zivilschutzbunker bereitgestellt würden, antwortete der Berliner Senat, dass eine Einbeziehung von Zivilschutzbunkern nicht geplant sei. Warum nicht? Sie haben die rechtlichen Möglichkeiten dazu. Ergreifen Sie diese! Ein drohender Kältetod ist im Polizeirecht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, und wenn er in größerer Zahl droht, auch ein Katastrophenfall. Jedenfalls können Sie ein Amtshilfegesuch an das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gemäß § 16 Absatz 1 des Gesetzes über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe gegenüber dem Bund als Land Berlin stellen. Sie sind als Regierung auch dazu verpflichtet.

Den Obdachlosen auf der Straße hilft es in diesem Winter nicht, wenn Sie erst im kommenden Winter ausreichend Schlafplätze zur Verfügung stellen. Wenn das nicht hilft, denken Sie daran, dass wir auch andere Unterkunftskapazitäten haben. Die Tempelhofer Hangars sind mittlerweile nicht mehr vollständig mit Asylsuchenden belegt. Ich selbst habe sie im Dezember mit einigen AfD-Abgeord

neten noch besucht. Dort ist noch genug Platz. Dort gibt es Betten, Duschen und Verpflegung.

[Beifall bei der AfD]

Das Argument des Senats auf meine parlamentarische Anfrage, dass eine Vermischung der Zielgruppen aus konzeptionellen Gründen nicht geplant sei, ist ein schwaches Argument für den Winter. Den Asylsuchenden kann es ohne Weiteres zugemutet werden, neben Obdachlosen einquartiert zu werden. Warum sollten diese Personengruppen unterschiedlich behandelt werden?

[Beifall bei der AfD – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Beide Personengruppen sind von Obdachlosigkeit und Kälte bedroht. Die Senatorin Breitenbach beklagte sich in der letzten Sitzung darüber, dass alles so schwierig sei, weil man irgendwelche Anträge stellen müsste. Als Beispiel nannte sie dann die Nutzungsumwandlung. Aus diesen Aussagen hört man eine klare Überforderung der Senatorin mit ihrer Aufgabe heraus.

[Lachen bei der LINKEN und der SPD – Zurufe von der LINKEN]

Seien Sie mal kreativ und schöpfen Sie die Möglichkeiten aus, die dem Senat zur Verfügung stehen! Sollte der Winter im Monat Februar und März mit voller Härte in zweistelligen Minusgraden Berlin treffen, wollen Sie dann dafür verantwortlich sein, dass wir zahlreiche Kältetote auf der Straße zu beklagen haben? Es darf nicht zu viel verlangt sein, kurzfristig einen Notstandsplan zu erstellen, weshalb auch eine sofortige Abstimmung unseres Antrags in diesem Hohen Haus beantragt wird. Hieraus ergibt sich auch die Dringlichkeit unseres Antrags, anders als bei dem Kaffeebecherantrag.

[Beifall bei der AfD – Bravo! von der AfD]

Wenn Sie bessere Ideen haben, dann nur heraus damit, und bauen Sie diese gleich in Ihren Plan ein! Nichtstun ist jedenfalls keine Option. Wenn sich die Koalition unserem Anliegen und unserem Antrag entgegenstellen sollte, weil er nicht von der Regierungsmehrheit, sondern von der AfD gestellt wurde, dann kann man das vermeintliche Engagement der Linksfraktion für Obdachlose bestenfalls nur noch als heuchlerisch bezeichnen.

[Beifall bei der AfD – Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Verstehen Sie es durchaus als eine Drohung, dass wir bei der Ablehnung unseres Dringlichkeitsantrags dieses Vorgehen natürlich öffentlich machen werden. Manchmal muss man die Regierung eben auch zum Handeln zwingen. Dafür ist eine gute Opposition da. Genau das machen wir jetzt.

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Vallendar! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Bayram?

Ja, ich bin jetzt auch zu Ende!