Protocol of the Session on January 26, 2017

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Das können Sie ja mal Herrn Czaja erklären!]

Viele würden sehr gern eine Immobilie kaufen, die nur zwei Zimmer hat, weil das für sie schon gut wäre.

Frau Meister! Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Frau Becker durfte ausführlich reden. Jetzt würde ich gern das funktionierende Mikrofon nutzen. – Das heißt es wäre eben sinnvoll, wenn Sie es genau der Mitte der Gesellschaft ermöglichten, sich für ihre Rente auch eine Immobilie zu kaufen. Ermöglichen Sie es doch einmal dem Mieter! Vielleicht wäre das auch einmal etwas Neues, weil für viele Leute Eigentum gründen heißt, für die Rente vorzusorgen und natürlich auch die Verankerung in

(Katalin Gennburg)

ihrem Kiez, das heißt die Übernahme von Verantwortung vor Ort, wenn es darum geht, wie ich eigentlich in meinem Kiez lebe. Daran müssten Sie doch eigentlich ein Interesse haben.

Uns geht es im Gegensatz zur AfD nicht nur um das klassische Familienbild. Wir gönnen einem jeden seine Wohnung. Wir gönnen einem jeden die Erleichterung bei der Grunderwerbsteuer. Deswegen haben wir hier einen Freibetrag eingeführt, der für eine Familie –

[Torsten Schneider (SPD): Was ist mit der Maklergebühr?]

für eine selbstgenutzten Immobilie gelten soll. Es geht hier nicht darum, Investoren entgegenzukommen, sondern es geht darum, all denen in der Mitte dieses Landes entgegenzukommen, die sich gern eine Immobilie kaufen möchten und dort gern wohnen möchten, ob mit oder ohne Kinder, ob im Familienbild klassischer Natur oder moderner Natur. Das ist uns egal.

[Zurufe]

Wir wünschen, dass die Menschen eine Chance haben, ihr Geld anzulegen,

[Beifall bei der FDP]

weil nämlich nicht jeder von einer Rente aus öffentlichen Haushalten lebt.

[Torsten Schneider (SPD): Die ist doch viel höher!]

Manchem ist dort sehr, sehr bange geworden.

[Torsten Schneider (SPD): Sagen sie etwas zur Maklergebühr!]

Das können Sie sich vielleicht nicht vorstellen. Wenn Sie mit den Menschen redeten, würden Sie das auch verstehen. – Ich bedanke mich für die besondere Aufmerksamkeit in den Reihen der SPD!

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Schmidberger. – Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fand, dass die Rederunde jetzt gerade sehr amüsant wurde. Letztendlich hat sich herausgestellt, dass Ihr Antrag, ob es AfD, FDP oder CDU waren, im Grunde eine Mogelpackung für die Menschen da draußen ist. Ich erkläre Ihnen gern einmal, warum das so ist.

Sie tun so, als würde sich hier jeder und jede in Berlin den Traum vom Eigenheim erfüllen können. Ich muss zugeben, auch ich würde das gern tun, auch viele andere da draußen. Ich würde es auch jedem gönnen. Aber da

rum geht es nicht. Es geht darum, was wir am besten tun sollten, um die Wohnungsnot in dieser Stadt zu lindern.

Ich versuche jetzt einmal den Realitäts- bzw. Faktencheck. Ich weiß, das ist nicht so Ihre Sache bei der AfD. Das ist nicht Ihr Ding.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Lachen bei der AfD]

Ich würde vorschlagen, lassen Sie sich mal darauf ein. Nehmen wir doch einmal eine Durchschnittswohnung. Übrigens ist das keine Fünf-Zimmer-Wohnung in Kreuzberg. Die Durchschnittswohnung in Berlin ist ungefähr 75 Quadratmeter groß. Ich habe auch extra noch einmal bei „Immobilienscout“ nachgeschaut. Sie kostet im Moment in einer Innenstadtlage etwa 250 000 Euro, das ist so das Günstigste.

Um sich eine solche Wohnung leisten zu können, muss man zur Bank.

[Gunnar Lindemann (AfD): Quatsch!]

Ich weiß nicht, wer von Ihnen 250 000 Euro mal eben so locker hat. Ich glaube, 99 Prozent der Bevölkerung haben sie nicht. Jedenfalls muss man, um sich eine solche Wohnung leisten zu können, einen Kredit aufnehmen. Man geht zur Bank. Wenn ich zur Bank gehe und dort einen Kredit beantrage, muss ich in der Regel 20 Prozent Eigenkapital aufbringen. Das sind dann bei 250 000 Euro ungefähr 50 000 Euro. Jetzt stelle ich mir die Frage, wie soll sich das bitte ein Normalverdiener – wie Sie es nennen – leisten können? Wie soll das in der Realität funktionieren? Übrigens mit dem Begriff Normalverdiener kann ich auch nicht so richtig viel anfangen. Wenn wir jetzt aber einmal ganz faktisch unterwegs sind und uns die Datenlage anschauen, stellen wir fest, dass der Median der Berliner Haushaltseinkommen bei etwa 1 700 Euro netto pro Monat liegt. Wer dieses Geld verdient, ist in der Regel alleinerziehend, hat Kinder und viele Dinge davon zu bezahlen und auch eine hohe Miete. Deswegen sage ich Ihnen: Welche Erzieherin, welche Altenpflegerin, welche Verkäuferin da draußen soll sich das bitte leisten können, wenn man nicht gerade im Lotto gewonnen oder eine Erbschaft gemacht hat? Wie soll das funktionieren?

Ihr Konzept bringt den Leuten da draußen nichts. Die Grunderwerbsteuer zu senken bringt nichts. Die Grunderwerbsteuer ist auch das geringste Problem für die Leute da draußen. Soll ich meinen Mieterinnen und Mietern, die verzweifelt zu mir kommen, weil sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können, weil sie drohen, wohnungslos zu werden oder auch zwangsgeräumt zu werden, sagen: Ey, wisst ihr was? Ich weiß, ihr könnt euch eure Miete nicht mehr leisten, aber hey, ich habe da eine ganz einfache Antwort: Kauft euch doch eine Wohnung!

[Zuruf]

(Sibylle Meister)

Das ist keine Lösung, die die Leute da draußen zufriedenstellen wird. Das ist kein soziales Angebot, was Sie den Menschen da draußen machen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Mit Ihrem Vorschlag entlasten Sie im Übrigen auch den Wohnungsmarkt nicht. Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft aus dem November 2015 mit dem Titel „Die Bedeutung der Grunderwerbsteuer für das Wohnungsangebot“ hat ergeben – dieses Institut steht übrigens nicht im Verdacht, grün-links-versiffte Positionen zu veröffentlichen –, und mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich daraus:

Eine mögliche Befreiung von der Grunderwerbsteuer für Selbstnutzer ist kein hilfreicher Anreiz zur Stimulierung der Bautätigkeit in den Ballungsgebieten.

Ich finde, sogar im Gegenteil: Mit Ihren Maßnahmen, mit Ihren Vorschlägen, würden Sie die Spekulation mit Wohnraum massiv anheizen in der Stadt. Denn nach Ihrem Modell würden viel mehr Menschen – es sind ohnehin schon zu viele – versuchen, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in dieser Stadt flächendeckend voranzutreiben. Der Druck auf diese Mieterinnen und Mieter, die sich eben die Wohnungen nicht leisten können, würde massiv steigen. Das, was Sie mit diesem Antrag machen, wäre, die Wohnungsnot in dieser Stadt noch zu verstärken.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Die Wahrheit ist also, was das Thema Grunderwerbsteuer betrifft – und die wird man hier ja wohl noch mal sagen dürfen –: Wenn es nach der AfD geht, gehen Arme und Einkommensschwache leer aus. Ihre Klientel sind nicht die sogenannten Normalverdiener. Die einzigen, die von Ihrem Subventionsprogramm da draußen profitieren würden, wären Gutverdiener, Reiche, Banken und die Immobilienwirtschaft. Machen Sie es wenigstens wie die FDP und die CDU: Stehen Sie also auch dazu!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Was wir brauchen, sind ganz andere Maßnahmen. Berlin ist eine Mieterstadt mit 85 Prozent Mieterinnen und Mieter. Übrigens ist die Schweiz das noch größere Mieterland und fährt sehr gut damit. Sie können sich einmal erkundigen, warum es dort so gut läuft.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Da liegen nur die Konten der AfD!]

Die Mieterinnen und Mieter erwarten von uns preiswerte Mietwohnungen für viele statt Eigenheime für wenige Gutverdiener. Übrigens haben es diese Gutverdiener in Berlin teilweise schon gemacht und bekommen das ganz gut allein hin. Ich will mich gar nicht gegen Eigentum verwahren, aber es gibt andere Formen von Eigentum.

Wir wollen Genossenschaften fördern. Wir wollen Stiftungen fördern. Wir wollen auch, dass die Leute dauerhaft preiswert in ihren Wohnungen sicher leben können. Mit Ihrem Konzept werden Sie das sicherlich nicht erreichen.

Wir brauchen ein Mietrecht, das funktioniert, schützt und das übrigens auch Berlin angemessen ist, das endlich auch vor Spekulationen und Kündigungen schützt. Wir brauchen eine Mietpreisbremse, die endlich wirkt. Das alles und noch viel mehr – dafür werden wir uns in den nächsten fünf Jahren einsetzen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zu dem Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0067 und dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP wird die Überweisung federführend an den Hauptausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 3.4:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 27