Protocol of the Session on November 14, 2019

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Es ist so: Sie wollen die Mieten, die zwischen 8 und 13 Euro pro Quadratmeter liegen, mit maximal 5 Euro pro Quadratmeter bezuschussen. Das ist interessant, was Sie so denken, ob die Mittelschicht in solchen Wohnungen mit solchen Miethöhen leben kann, aber geschenkt. Sie wollen damit die Mieter aus der Mitte der Gesellschaft, also politische Präferenzen spielen vielleicht bei der CDU auch eine Rolle, mit maximal 5 Euro pro Quadratmeter fördern.

[Zuruf von Sibylle Meister (FDP)]

Dann sagen Sie, dass 400 000 Berlinerinnen und Berliner berechtigt sind, das zu beziehen. Die Kosten – laut „Berliner Zeitung“ haben Sie die Aussage getätigt – sollen sich auf 130 Millionen Euro im Jahr belaufen. Wenn ich diese Summe nehme und auf die von der CDU genannten antragsberechtigten 400 000 Haushalte verteile, dann komme ich auf wie viel Zuschuss im Monat für die Mieterinnen und Mieter pro Haushalt? – 27 Euro! Wow! Das sind Hammerzuschüsse, mit denen man immense Mietsteigerungen nicht auffangen kann, und das wissen Sie auch, Herr Gräff!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dann kommt noch dazu, wenn man sich mal anschaut, dass diese 5 Euro Maximum, wenn man das wirklich bezuschussen würde, wir sind bei 400 000 Leuten, dann habe ich ausgerechnet: Bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung hat man einen Zuschussbedarf von 350 Euro pro Monat bzw. 4 200 Euro im Jahr. Klingt erst mal ganz cool, will jeder von den Menschen, die betroffen sind, bestimmt haben. Wenn ich jetzt aber ausrechne, dass das 400 000 Haushalte brauchen, dann sind wir nicht bei 130 Millionen im Jahr, Herr Gräff, sondern bei 1,6 Milliarden Kosten im Jahr, die Sie der privaten Wohnungswirtschaft in den Rachen schmeißen wollen, damit die ihre Renditen bekommen. Super Konzept für die Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Selbst wenn ich nur die Hälfte nehme, bin ich bei 800 Millionen Kosten im Jahr, was teilweise rausgeschmissenes Geld wäre, denn die Mieten werden sich weiter erhöhen. Vor allem würde ich gerne wissen: Was passiert denn, wenn sich die Mieten weiter erhöhen? Wird dann der Zuschuss irgendwann auf 6 Euro erhöht? Wird der Berechtigtenkreis verkleinert? Was passiert dann? Bei welchen Miethöhen wären Sie bereit zu sagen, da ist Regulierung richtig? Das würde mich mal wirklich interessieren. Wenn die CDU wirklich eine Partei wäre, die was mit sozialer Marktwirtschaft am Hut hat, dann würden auch Sie sagen, dass es irgendwo ein Ende bei den Mietsteigerungen geben muss.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dazu höre ich von der CDU aber seit 20 Jahren nichts. Der Widersprüche sind nicht genug. Sie sagen, Sie wollen dieses Mietergeld so lange bezahlen, bis wir eine Leerstandsquote von 4 Prozent erreicht haben. Das wären dann rund 80 000 Wohnungen im Jahr. Das letzte Mal, dass wir so eine Leerstandsquote hatten, war im Jahr 2007, ist also schon eine Weile her. Wenn damals Ihr Modell in der Stadt eingeführt worden wäre, wenn wir das Mietergeld also bereits seit zwölf Jahren hätten, hätten wir übrigens schon mehr als 1,5 Milliarden Euro für die Vermieterinnen und Vermieter in dieser Stadt ausgegeben. Herzlichen Glückwunsch! Das hätte super gepasst.

(Stefan Förster)

Wir hatten so was schon. Herr Förster! Der West-Berliner soziale Wohnungsbau hatte nichts mit Sozialismus zu tun, das war Raubtierkapitalismus, wenn reiche westdeutsche Zahnärzte hier ihre Steuerabschreibungsmodelle auf Kosten der Mieterinnen und Mieter machen, vor allem der Sozialmieter, auch noch der Schwächsten der Gesellschaft. Das hat nichts mit Sozialismus zu tun, ganz im Gegenteil. So einen Skandal möchte ich nicht noch mal haben.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luthe?

Ja, bitte!

Herzlichen Dank, Frau Schmidberger! – Da Sie gerade in der Tat immense Preissteigerungen bei Mieten angesprochen haben, in dem Zusammenhang auch, ich sage mal, die Vorwiedervereinigungswohnungsbaupolitik, die in der Tat in vielen Punkten zu kritisieren ist: Sind Sie denn aber mit mir der Auffassung, dass auch dieser Senat, wenn er z. B. für eine 44-Quadratmeter-Wohnung, wenn noch ein paar alte Möbel reingestellt werden, 6 000 Euro Miete pro Monat zahlt, damit ein immenser Preistreiber ist, der Leuten Geld in die Tasche steckt, die das Geld nicht verdient haben?

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Tobias Schulze (LINKE)]

Vielen Dank für diese Frage, Herr Luthe! Sie meinen damit die berlinovo, davon gehe ich mal aus.

[Marcel Luthe (FDP): Nein! Wir reden von den Flüchtlingsunterkünften!]

Das finde ich lustig, dass Sie so eine Situation jetzt mit der normalen Wohnungssituation vergleichen. Sie wissen ganz genau, dass wir damals eine Notfallsituation hatten. Wenn es darum geht, Leute vor Obdachlosigkeit zu bewahren, da müssen kurzfristig auch solche Möglichkeiten geschaffen werden. Das wissen Sie ganz genau.

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Aber ich gebe Ihnen recht: Was langfristig hilft, um solche Dinge in der Stadt zu bereinigen, ist ein sozialer Wohnungsbau für breite Schichten à la Wien, à la Basel, à la Amsterdam und vieler anderer Städte. Nur so kommen wir aus der Wohnungs- und Mietenkrise raus.

[Zurufe von Burkard Dregger (CDU) und Holger Krestel (FDP)]

Ich bin überzeugt davon, die meisten Berlinerinnen und Berliner sehen das genauso.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 18/1901 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen die Fraktion der CDU – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen aller weiteren Fraktionen sowie der fraktionslosen Abgeordneten ist der Antrag damit abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.6:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 25

Paul von Hindenburg aus der Ehrenbürgerliste Berlins streichen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2256

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke und hier die Abgeordnete Kittler. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon lange an der Zeit, Hindenburg, einem Wegbereiter des deutschen Faschismus, die Ehrenbürgerwürde zu entziehen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Sie wurde ihm auf Antrag der NSDAP und der Deutschnationalen Volkspartei gemeinsam mit Hitler zu dessen Geburtstag 1933 durch einen Teil der Berliner Stadtverordnetenversammlung verliehen. Die Abgeordneten der KPD waren bereits aus der Stadtverordnetenversammlung vertrieben,

[Georg Pazderski (AfD): Diese linken Bilderstürmer!]

die der SPD blieben der Abstimmung fern. Erich Granaß, Fraktionsvorsitzender der Deutschnationalen, begründete den Antrag auf Ehrenbürgerschaft laut amtlichem Protokoll der Versammlung wie folgt – ich zitiere mit Erlaubnis –:

Vorbei ist die Zeit, da Berlin ein Begriff war für undeutsches Wesen, für Internationalismus, für kommunalen Größenwahn. Sparsamkeit, Sauberkeit und Sachlichkeit in einer Selbstverwaltung auf christlich-nationaler Grundlage haben jetzt ihren Einzug in Berlin gehalten. Das Reini

(Katrin Schmidberger)

gungswerk ist schwer. Mit starker Faust muss eingegriffen werden. Störende Übergangserscheinungen lassen sich schwer vermeiden. Sie werden verschwinden, wenn das Werk vollendet ist. Die Wiedererlangung dieser Ehre beruht in höchstem Maße auf dem tatkräftigen Willen des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg und des Herrn Reichskanzlers Adolf Hitler. Berlin ehrt sich durch diese Verleihung selbst.

Nein! Berlin hat sich durch diese Verleihung entehrt.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Susanne Kitschun (SPD)]

Und was mit dem „Reinigungswerk“ und „störenden Übergangserscheinungen“ gemeint war, wissen wir heute. Hindenburg berief am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler und löste gemeinsam mit Hitler und Frick am 1. Februar 1933 den Reichstag auf. Der Auflösung folgten nach dem inszenierten, und zwar von den Nazis selbst inszenierten Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 unter anderem die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des deutschen Volkes und die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat.

Damit waren die Grundrechte außer Kraft gesetzt. Es folgten direkt danach Massenverhaftungen von Mitgliedern der KPD und der SPD und gleich danach die Errichtung von Konzentrationslagern. Wir wissen, wie es weiterging. Gewerkschafter und aufrechte Demokraten wurden ebenso verfolgt, gequält, vernichtet wie 6 Millionen jüdische Menschen. Hindenburg war mit schuldig.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Susanne Kitschun (SPD)]

Mit der Außerkraftsetzung der Grundrechte durch das aktive Handeln von Hindenburg wurden das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Versammlungsrecht und die Pressefreiheit de facto abgeschafft. Im Beschluss der nationalistischen und faschistischen Stadtverordnetenversammlung zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft für Hitler und Hindenburg wurde das mit – ich zitiere – „in Würdigung ihrer Verdienste um die nationale Wiedergeburt der Stadt Berlin“ – Zitat Ende – umschrieben. Es wurde ein Handeln gewürdigt, das das deutsche Volk in das bitterste Kapitel seiner Geschichte führte. Und es ließ sich führen, in die dunkle Zeit von Massenvernichtung in Konzentrationslagern und in einen Zweiten Weltkrieg.

Dabei hatte Hindenburg auch schon im Ersten Weltkrieg genug Schuld auf sich geladen, er, der gemeinsam mit Ludendorff 1916 die Oberste Heeresleitung übernahm. Und wer jemals in Verdun war, wird das Bild des Gräberfelds und der endlos scheinenden Kreuze nie wieder vergessen. Hindenburg ließ deutsche Soldaten dort 300 Tage

und Nächte kämpfen und jämmerlich verrecken. Etwa 17 Millionen Menschen verloren ihr Leben durch diesen Krieg, über den Hindenburg Bilanz ziehend sagte: „Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur.“ – Dass dieser Krieg durch Deutschland nicht mehr gewonnen werden konnte, begründeten er und Ludendorff nach 1918 mit der Dolchstoßlegende – Grundlage für das Weiterleben der reaktionären Kräfte in Deutschland.

Wer heute noch eine Ehrenbürgerschaft Hindenburgs aufrechterhalten will, verschließt die Augen vor der Verantwortung Hindenburgs für die Toten zweier Weltkriege und für die Opfer des deutschen Faschismus. Die Zeit, in der wir leben, erfordert wieder ein Aufstehen gegen Nationalismus und eine Bekräftigung des Nie-wiederFaschismus.

[Zuruf von der AfD: Nie wieder Kommunismus!]

Das beginnt mit dem Erinnern an die deutsche Geschichte des vorigen Jahrhunderts und an die Opfer, und es schließt die konsequente Verurteilung der Täter ein. Und Hindenburg war Täter! Er darf nicht länger Ehrenbürger unserer Stadt sein!