Protocol of the Session on November 14, 2019

Das beginnt mit dem Erinnern an die deutsche Geschichte des vorigen Jahrhunderts und an die Opfer, und es schließt die konsequente Verurteilung der Täter ein. Und Hindenburg war Täter! Er darf nicht länger Ehrenbürger unserer Stadt sein!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dr. Juhnke jetzt das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun also Paul von Hindenburg die Dritte und vermutlich auch die Letzte, denn die Mehrheitslage im Hause ist ja bekannt. Wir haben uns in der 15., in der 17. und nun auch in der 18. Wahlperiode mit diesem Thema zu beschäftigen. In der 16. Wahlperiode hatte man es entweder vergessen, oder es gab andere Gründe, jedenfalls wurde die Debatte schon zweimal geführt und ist jetzt das dritte Mal begonnen. Das hat aber bei der politischen Linken keine Wirkung hinterlassen, denn sie haben nicht zur Kenntnis genommen, dass eine Beurteilung aus heutiger Sicht nicht unbedingt Maßstab dafür sein kann, wer Ehrenbürger ist oder Ehrenbürger bleibt. Ansonsten könnten wir vermutlich die Hälfte der Ehrenbürger streichen, um das mal vorsichtig zu formulieren.

Sie haben auch nicht zur Kenntnis genommen, dass unter dem unmittelbaren Eindruck des verheerenden Krieges und der Nazibarbarei 1948 keine Streichung Hindenburgs aus der Ehrenbürgerliste vorgenommen wurde, sehr wohl aber die von Hitler und anderen Verbrechern. Das heißt, die Zeitgenossen, die hier noch viel stärker durch diese Eindrücke geprägt waren, haben offensichtlich den hier von Ihnen vorgebrachten Konnex zwischen Hitler und Hindenburg so nicht gesehen, sondern die Verdienste, die

(Regina Kittler)

für seine Ernennung eine Rolle spielten, lagen offensichtlich in früherer Zeit. Dass das heute andere Maßstäbe wären, darauf habe ich schon hingewiesen, aber ich denke, diese ahistorische Sicht kann für uns nicht unbedingt die Handlungsrichtlinie sein.

Hindenburg ist eine historisch umstrittene Figur – das ist völlig unbestritten. Umso weniger zielführend ist es, sich einzelne Meinungen herauszupicken und scheinbar eindeutige Fakten daraus zu belegen. Ich glaube auch nicht, dass hier der Platz ist, dies in Gänze über die Persönlichkeit Hindenburgs auszuführen – dafür wird im Ausschuss Zeit sein. Die holzschnittartigen Einlassungen von Frau Kittler, der Chefhistorikerin, haben gezeigt, warum. Ich denke, das sollten wir im Ausschuss in Ruhe besprechen.

Die Frage ist allerdings, ob diese Debatte noch viel Sinn hat, da die Linkskoalition sich festgelegt und es auch zu einer ihrer Prioritäten erklärt hat. Es scheint also der Koalition ein sehr wichtiges Thema zu sein. Tatsächlich komme ich zu dem Schluss, dass es sich nicht unbedingt um ein vordringliches Problem der Stadt handelt. Wenn aber die Koalition das zur Priorität erhebt, ist es schon ein beredtes Zeichen, denn, ich glaube, es geht hier wieder einmal mehr um den festen Willen zur Revision von Geschichte.

[Beifall bei der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Das beginnt schon mit der Beurteilung der DDR, die Sie verändern wollen, wo infrage gestellt wird, ob es sich um ein Unrechtsregime handelt. Es geht weiter mit dem Kolonialismus, den wir aufzuarbeiten hätten usw. Auch hier steht, glaube ich, Symbolpolitik im Vordergrund. Mangels anderer materieller Erfolge muss nun ein Skalp für Ihre ideologische Trophäenwand her, und das wird offensichtlich diese Ehrenbürgerschaft Hindenburgs sein.

Vielleicht ist es auch nur ein Auftakt zu weiteren Überlegungen dieser Art. Aus gewöhnlich – zumindest historisch – schlecht unterrichteten Kreisen der Linkspartei gab es bereits Hinweise auf weitere Ehrenbürgerschaftentziehungen, die demnächst vielleicht noch eine Rolle spielen. Die SPD, die in der Vergangenheit dazu eine eher besonnene Position hatte, ist offensichtlich in ihrer Orientierungslosigkeit so weit, dass sie dem folgt. Das war in der vergangenen Legislaturperiode noch anders.

[Regina Kittler (LINKE): Gehen Sie doch mal auf meine Argumente ein! Das wäre angebracht!]

In jedem Fall ist es aus meiner Sicht ein weiterer Beleg dafür, dass Sie diese Stadt spalten, dass materielle positive Ergebnisse nach der Amtszeit wahrscheinlich nicht zu verzeichnen sein werden. Aber Sie werden ideologische Spannungen hinterlassen, eine aufgeladene Situation; die wird nachwirken, und sie wird weiter die Stadtgemeinschaft auseinanderdividieren.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Natürlich werden Sie mit diesem ideologischen Fanatismus ohne Frage in selbstreferenziellen Filterblasen gefeiert werden. Es wird sich auch die eine oder andere journalistische Hofschranze finden, die das hochjubeln wird. Keine Frage!

[Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP – Heiterkeit bei der AfD –– Beifall von Danny Freymark (CDU)]

Herr Kollege! Gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, danke! – Aber ich bin der festen Überzeugung, das real existierende Berlin hat andere Sorgen als den Gewinn der Hoheit über die Latte-macchiato-Stammtische. Von daher glaube ich, dass wir uns an dieser Geschichtsrevision nicht beteiligen sollten. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Regina Kittler (LINKE): Peinlich!]

Vielen Dank! – Dann hat die Abgeordnete Frau Dr. Kittler das Wort für eine Zwischenbemerkung. – Bitte schön!

Herr Juhnke! Ich bin etwas erschüttert.

[Oh! und Lachen von der AfD – Zuruf von der AfD: Wir auch!]

Dass Sie lachen, die Sie ja die Soldaten zweier von Deutschland ausgegangener Weltkriege würdigen wollen und auf die stolz sein wollen,

[Christian Buchholz (AfD): Ja!]

das glaube ich gerne. Aber dass Sie, Herr Juhnke, für die CDU hier sagen, dass wir die Stadt spalten,

[Danny Freymark (CDU): Das ist doch Teil der Geschichte! – Zurufe von der CDU und der AfD]

wenn wir einem Menschen, der eine so herausragende Stellung in Vorbereitung des deutschen Faschismus hatte, die Ehrenbürgerwürde entziehen wollen, das finde ich unglaublich! Herr Juhnke! Sie haben sich mit den Argumenten, die ich hier vorgetragen habe, überhaupt nicht auseinandergesetzt.

[Danny Freymark (CDU): Er hat gesagt, das machen wir im Ausschuss!]

(Dr. Robbin Juhnke)

Und was machen Sie als Nächstes, was fällt Ihnen ein? – Sie schlagen den Bogen zur DDR und sagen, das ist ja wohl gar kein Vergleich.

Eigentlich setzen Sie es gleich mit dem deutschen Faschismus. Das ist Ihr Ernst?

[Zuruf von Stefan Förster (FDP)]

Sie gehen überhaupt nicht auf die Verantwortung von Hindenburg ein. Ich habe von Ihnen überhaupt nichts gehört als Argument, das wir hierbei wirklich diskutieren könnten.

[Holger Krestel (FDP): Unverschämtheit!]

Ich bin sehr gespannt, ob Sie dazu im Ausschuss noch etwas sagen. Sie verteidigen den Mann, der Adolf Hitler ins Amt gehievt hat. Das tun Sie.

[Ah! von der AfD – Danny Freymark (CDU): Inakzeptables Niveau! – Antje Kapek (GRÜNE): Dass ihr von Niveau redet! – Zuruf von der LINKEN: Ich würde mich an Ihrer Stelle auch zurückhalten!]

Sie verteidigen den Mann, der im Ersten Weltkrieg für Tausende, für Millionen Opfer zuständig war, als oberster Heerführer.

[Zuruf von der AfD: Armes Deutschland!]

Das tun Sie hier. Das finde ich für die CDU als christliche Partei so was von daneben. Ich kann es hier gar nicht ausdrücken. Schämen Sie sich!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Zur Erwiderung hat der Kollege Dr. Juhnke das Wort.

Frau Kittler! Da war jetzt so viel krude Vermengung drin, dass es schwer ist, darauf zu antworten, weil das miteinander eigentlich gar nicht viel zu tun hat. Ich will nur einen Punkt herausgreifen. Es geht hier nicht um die Frage, ob man Hindenburg zum Ehrenbürger ernennen sollte, sondern um die Frage, ob wir ihn in der Ehrenbürgerliste lassen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Zuruf von der CDU: So ist es! – Regina Kittler (LINKE): Als Nazi?]

Das ist ein großer Unterschied. Die Beantwortung der ersten Frage, daraus brauchen wir kein Geheimnis zu machen, dass das heute niemand mehr so tun würde.

[Regina Kittler (LINKE): Das war doch eine falsche Entscheidung, oder?]

Die Frage ist nur: Wollen wir so eine Geschichtsrevision in dieser Frage zulassen, die 1948 nicht vorgenommen wurde von Menschen, die unter dem unmittelbaren Ein

druck der Nazibarbarei standen? Diese Frage müssen wir uns stellen. Sie haben mit Ihrer historischen Auslassung, die Sie hier gebracht haben, schon erklärt, dass Sie eine bestimmte Sichtweise auf diese Dinge haben, die sehr einseitig ist, auf die Person Hindenburgs, und dem nicht gerecht wird.

[Holger Krestel (FDP): Das war die Sichtweise der alten DDR! – Regina Kittler (LINKE): Welche haben Sie denn? Das haben Sie noch gar nicht gesagt!]

In fünf Minuten kann man das hier vorne mit Sicherheit nicht darstellen. Das möchte ich auch noch einmal unterstreichen. Ich will den Versuch auch gar nicht beginnen. Deswegen werden Sie mich nicht dazu bringen, dass ich versuche, die Biografie oder einzelne Aspekte darzustellen. Aber dieser Mühe müssen wir uns unterziehen, und dieser Mühe sollten wir uns auch im Ausschuss unterziehen, anstatt hier vorne eine ideologisch aufgeladene Philippika loszulassen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]