Frau Präsidentin! – Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dregger! Wie Sie wissen – wir haben das ja im Innenausschuss und auch im Verfassungsschutzausschuss diskutiert –, gibt es solche Aussteigerprogramme für Linksextremisten bundesweit nicht, weil bundesweit in den Verfassungsschutzbehörden aller Bundesländer Übereinstimmung besteht, dass Aussteigerprogramme auf Linksextremisten im Unterschied auf Aussteigerprogramme für Rechtsextremisten nicht wirken.
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP Drucksache 18/2148
Ich eröffne die erste Lesung zum Gesetzesantrag. In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD, und hier der Kollege Schneider. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Das Abgeordnetenhaus hat sich auf den Weg gemacht, und jedenfalls fünf Fraktionen haben sich verabredet, eine kritische Reflexion der Arbeit zugrunde zu legen und zu einer Neubewertung und Justierung zu kommen.
Ausgangspunkt ist der Befund, dass wir in den Fachausschüssen über 1 200 unerledigte Vorgänge haben. Was den Parlamentarischen Geschäftsführer Schneider am meisten stört – und zwar von Anbeginn –, ist, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer bis zu zwei Drittel der Tagesordnung hinter dem präsidialen Stuhl abräumen, weil wir es nicht schaffen. – Das ist ein Befund, der uns zum Nachdenken anhalten muss, und deshalb liegen heute die entsprechenden Vorschläge auf dem Tisch.
Ich will das aber in ein Papier vom 3. Dezember 2018 einordnen, das mir bekannt ist. Das hat im Wesentlichen zwei oder sogar drei Vorschlagsaspekte – erstens: Die Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses mögen eine Diät von 8 104 Euro monatlich erhalten. – Zweitens: Das Parlament möge verkleinert werden, also halbiert oder auf maximal 90 Sitze. – Und drittens: Die Bürgerbüros werden wieder eingesammelt, weil sie dann ja nicht mehr benötigt würden.
Nun hat das in den Überlegungen der Fraktionen keine Rolle gespielt, und das hängt nicht nur mit dem Adressaten zusammen, nämlich den Bund der Steuerzahler. Aber es ist trotzdem interessant, das zu wissen: Die Diätenhöhe ist jedenfalls selbst bei denen nicht strittig.
Was aber eine Rolle spielt – und dazu komme ich heute trotz persönlicher Unpässlichkeit her –, ist die Debatte um die Parlamentsverkleinerung, denn da haben wir es uns nicht leicht gemacht. Wir hatten einen Konsens erzielt – und das hat ja im Ältestenrat mehrfach eine Rolle
gespielt –, dass wir zwar gegensteuern müssen, aber bei der über Jahrzehnte erarbeiteten Überwachungs- und Kontrolldichte dieses Hauses aus verschiedenen Erwägungen keine Abstriche vorzunehmen gedenken.
Das ist der Konsens von fünf Fraktionen in diesem Haus. Ich will das einmal in die jüngere Vergangenheit einordnen: Meine persönliche Auffassung ist, dass am Ende und am Beginn, jedenfalls am Ende einer parlamentarischen Demokratie immer die Gefahr einer Diktatur besteht. Ob wir das heute bewerten, was das schottische Berufungsgericht gestern zur Beschränkung parlamentarischer Kontrollrechte gesagt hat oder was der Europäische Gerichtshof vorgestern oder diese Woche jedenfalls zu Justizgesetzen in Polen gesagt hat oder was die Europäische Kommission zu den geplanten Justizgesetzen in Ungarn sagt,
spielt da eine Rolle, wo es um Gewaltenteilung geht. Das ist der Mechanismus, der die parlamentarische Demokratie einbettet und auf den wir großen Wert legen müssen.
Die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Judikative und Exekutive ist einerseits horizontal, auch vertikal – Bund, Länder etc. – und die Beschränkung wirtschaftlicher Macht durch Kartellämter oder im Medienrecht. Diese Gewaltenteilung kommt nicht erst seit Montesquieu verschiedentlich unter Druck – ich habe gerade Beispiele genannt.
Wir kennen ein sehr infernalisches Beispiel, das mit den anderen so gut wie gar nichts zu tun hat; ich will das auch nicht als Vergleich verstanden wissen: Es gab Abgeordnete, die haben in Ansehung des Wichtigsten, worüber sie möglicherweise verfügen können, nämlich in Ansehung des eigenen Todes, am 23. März 1933 unweit von hier in der Kroll-Oper über das Ermächtigungsgesetz von Adolf Hitler entschieden. Da ging es im Kern um eine Frage: um die vollständige Aushebelung parlamentarischer Kontrollrechte.
Bevor Sie jetzt dazwischenrufen – das fände ich sehr unangemessen von der AfD – sollten Sie lieber zur Kenntnis nehmen, was ich davon halte: dass Sie nämlich rot anlaufen und zum Fußboden gucken und nicht dazwischenbrabbeln.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Was soll das denn? Reden Sie keinen Unsinn, Herr Schneider!]
Diese Einbettung der Parlamentsreform – ich gestatte keine Zwischenfragen –, dieser Grundkonsens keine Beschränkung parlamentarischer Kontrollrechte war das eine Axiom.
Der zweite Punkt war: Wie kriegen wir es gleichwohl hin, diese Kontrollrechte nach wie vor auszuüben?
In Ansehung des Umstands – ich weiß, Sie sind nervös –, dass 81 Mitglieder der Kommunistischen Fraktion 1933 gar nicht mehr im Parlament oder in der Kroll-Oper waren, weil sie im KZ saßen oder um ihr Leben auf der Flucht fürchten mussten, 26 Mitglieder der SPDFraktion; 94 haben gestanden: Schweigen Sie und schämen Sie sich!
250 Mitglieder von Parlamenten in Deutschland, die der AfD angehören, verdienen mehr, als wir hier verdienen. Also hören Sie doch auf zu brabbeln!
Wie haben wir das weitergesteuert? – Das werden Ihnen die Kolleginnen und Kollegen noch sagen. Wir kommen zu der Erkenntnis,
dass selbstverständlich die Arbeit ausgeweitet werden muss, um dem Anspruch gerecht zu werden, keine Abschwächung der parlamentarischen Kontrollrechte zu erleben. Deshalb werden die Ausschüsse und das Plenum länger tagen, deshalb wird es mehr Plenarsitzungen geben.
Nun zu der von Ihnen so sehr adressierten Diätenhöhe: Bisher haben Sie sich noch gar nicht gegen die Höhe der Diäten ausgesprochen, sondern immer den Kontext hergestellt, dass es um die Verkleinerung des Parlaments gehe. Ich habe Ihnen das erläutert: 29 000 Einwohner
werden von einem Berliner Parlamentarier vertreten. Das ist Platz acht, und damit genau die Mitte der Landesparlamente. Deshalb gibt es gar keine Veranlassung, sein Licht unter den Scheffel zu stellen.
Die objektive Stellgröße für diese Parlamentsreform war das Einrücken in den Durchschnitt der Länderparlamente. Das würde bedeuten, dass wir über eine Diät reden, die heute bei 6 755,56 Euro