Protocol of the Session on August 15, 2019

Nach intensiver Beratung hat der Senat den Entwurf eines Landesantidiskriminierungsgesetzes beschlossen. Berlin ist das erste Bundesland, das ein solches Gesetz auf den Weg bringt. Wir hoffen, dass uns andere Bundesländer folgen werden. Der Entwurf schafft den dringend notwendigen Diskriminierungsschutz im Bereich des öffentlich-rechtlichen Handelns, insbesondere im Bildungsbereich und bei den Sicherheitsbehörden. Außerdem – das ist ein weiterer wesentlicher Schritt – wird eine Kultur der Wertschätzung von Vielfalt zum Leitbild der Berliner Verwaltung. Das begrüßen wir ausdrücklich.

[Holger Krestel (FDP): Na wunderbar!]

Den Gesetzentwurf werden wir in den nächsten Monaten intensiv im Abgeordnetenhaus beraten. Dazu gehört eine Anhörung von Expertinnen und Experten im Rechtsausschuss. Dort ist es wichtig, sich die Perspektiven der Betroffenen von Diskriminierung anzuhören, aber auch der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Diskriminierung widerspricht den Grundlagen unserer menschenrechtsbasierten Demokratie und verhindert Chancengleichheit. Deshalb ist ein Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz unverzichtbar. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Vallendar das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf trifft mehrere falsche Annahmen und versucht, das Parlament und die Öffentlichkeit mit vermeintlich guten Absichten zu täuschen.

Das beginnt bereits mit der Begründung. Dort wird das AGG, welches sich auf die Erwerbstätigkeit und den Privatrechtsverkehr beschränkt, herangezogen, um eine Gesetzes- und Rechtsschutzlücke zu suggerieren – auch der Justizsenator hat das gerade angeführt –, die nun auf Landesebene bei den Behörden geschlossen werden müsste. Denn angeblich fehle es an einem vergleichbaren Diskriminierungsschutz bei öffentlich-rechtlichem Handeln. – Diese juristische Argumentation ist nicht haltbar und peinlich.

Wer sich mit der Gesetzeshistorie des AGG befasst, weiß, dass es genau umgekehrt war. Das AGG wurde gerade geschaffen, da die Grundrechte – insbesondere die Gleichbehandlung in Artikel 3 des Grundgesetzes – nur öffentlich-rechtliches Handeln verpflichteten, da dieses immer an den Vorrang des Gesetzes und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden ist, Private untereinander hingegen nicht. – Das war damals die Hauptgesetzesbegründung des AGG.

[Zuruf von links: Stimmt doch gar nicht!]

Es existiert derzeit kein Unterschied zwischen dem zivil- und dem öffentlich-rechtlichen Diskriminierungsverbot. Auch gibt es sehr wohl schon jetzt Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche, wenn eine Behörde bei einer Einstellung im Beamtenrecht oder bei hoheitlichen Maßnahmen ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen vornimmt. Anspruchsgrundlage sind in diesem Fall die klassischen Amtshaftungsansprüche.

Doch der Gesetzentwurf begeht noch mehr Unsinn. Laut Begründung soll die Diversity-Kultur verankert werden. In den Gesetzeszielen heißt es, es solle eine weltoffene, solidarische und vielfältige Gesellschaft verwirklicht werden. – Das liest sich nicht wie ein Gesetz, sondern wie das ideologische Parteiprogramm der Grünen.

(Dr. Susanne Kitschun)

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lux von den Grünen zulassen.

Ja, gerne!

Danke, Herr Kollege! – Ist Ihnen bekannt, dass bei Amtshaftungen der oder die Geschädigte nachweisen muss, dass das Amt schuldhaft und rechtswidrig gehandelt hat und damit der oder die Diskriminierte selbst den Beweis führen muss? Und können Sie mir den Unterschied erklären zu der jetzigen Diskriminierungsvermutung des Landesantidiskriminierungsgesetzes?

Ja! Ich werde in meiner Rede später genau auf diesen Punkt zu sprechen kommen: auf die Beweislastumkehr und darauf, welche Folgen das hat, vor allen Dingen aber darauf, dass ein negativer Tatsachenbeweis wesentlich schwieriger zu erbringen ist als ein positiver Tatsachenbeweis – das wissen Sie wohl auch. Es wird dazu führen, dass die Behörde diesen Nachweis selten bis gar nicht erbringen wird. Das ist auch ein Problem in diesem Gesetz.

Keinen dieser Begriffe – Diversity-Kultur, weltoffen, solidarisch, vielfältige Gesellschaft – kennt das Grundgesetz, geschweige denn die Rechtsprechung. Damit kommen wir zu den ersten handfesten Brocken in dem Gesetz. In § 12 Absatz 4 soll eine Diversity-Kompetenz in das Beamtenrecht eingeführt werden und als Leistungsmerkmal bei der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Dienstkräfte herangezogen werden. – Was eine Diversity-Kompetenz konkret bedeutet, das bleibt das Gesetz schuldig. Dies ist nur wieder der Versuch, sachfremde Bonuspunkte zu vergeben, um Beförderungen und Einstellungen völlig ungeeigneter Bewerber doch noch zu ermöglichen – zulasten der Leistungsträger.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Es wird nämlich durch die Hintertür versucht, Artikel 33 Abs. 2 des Grundgesetzes zu verwässern. Danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. – Wenn sich eine Diversity-Kompetenz jedoch allein schon dadurch ergibt, dass Merkmale wie etwa eine andere ethnische Herkunft ein Qualifikations

merkmal darstellen, so führt dieses Gesetz nicht dazu, dass Diskriminierung abgebaut wird; sie entsteht gerade.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Genauso verhält es sich mit dem Verbandsklagerecht. Im deutschen Rechtssystem gilt das Verbot der Popularklage. Jeder Kläger muss vor Gericht geltend machen, dass er in eigenen Rechten verletzt ist – die sogenannte Klagebefugnis.

[Zuruf von Dr. Michael Efler (LINKE)]

Das ist auch sinnvoll, um Klagewellen zu vermeiden und die Arbeitsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten. Das Verbandsklagerecht ist eine jüngere Erscheinung im Rechtswesen. Während es im Umwelt- und Tierschutzrecht valide Argumente für ein Verbandsklagerecht gibt, existiert im Bereich von staatlicher Diskriminierung kein Argument für eine Verbandsklage. Die Tiere und die Umwelt sind als Rechtssubjekte tatsächlich nicht in der Lage, ihre eigenen Rechte wahrzunehmen. Das ist aber bei Menschen, die aus welchen Gründen auch immer diskriminiert werden, nicht der Fall. Sie brauchen keine Fremdsprecher oder Fürsorgeverbände, um ihre Rechte geltend zu machen. Sie sind in den allermeisten Fällen Staatsbürger wie jeder andere auch.

[Beifall bei der AfD]

Hier ist der Knackpunkt: Bei dem Gesetz handelt es sich um toxische Identitätspolitik. – Sie bemuttern und bevormunden Menschen, die über gewisse Merkmale verfügen, schaffen einen gigantischen Apparat an von Steuergeldern finanzierten Verbänden als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Ihr eigenes Klientel und stellen sich dann selbst als die Weltverbesserer dar.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von links: Langweilig!]

Sie schaffen Bürger verschiedener Klassen, indem Sie Sonderrechte vergeben.

[Ülker Radziwill (SPD): Sie spalten die Gesellschaft!]

Ihr politisches Handeln ist darauf gerichtet, das Bedürfnis einer jeweils spezifischen Gruppe von Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Die identitätspolitischen Gruppen, wenn sie sich ausschließlich als solche – das heißt abgrenzend gegen andere – definieren, tendieren unter den herrschenden Verhältnissen aber dazu, sich auf Kosten anderer zu bevorteilen. Wer aber Gleichheit will, der muss sich aber vor allen Dingen an eines halten: die Gleichheit vor dem Gesetz.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Ülker Radziwill (SPD): Genau deshalb braucht es dieses Gesetz!]

Diese wird mit diesem Gesetzentwurf aber in weiten Teilen infrage gestellt.

Wozu wird dieses Gesetz führen? – Unabsehbare Haftungsrisiken für das Land Berlin und damit den Steuerzahler, Klagewellen und Überlastung der Justiz, Polizeibeamte, die aus Angst, jemanden zu diskriminieren, keine Kontrollen mehr durchführen werden und ein blindes Auge haben werden, weil sie keine Disziplinarverfahren und Beförderungsstopps riskieren wollen. Dies geht dann wieder auf Kosten unserer Sicherheit.

[Beifall bei der AfD]

Auch die Beweislastumkehr, die der Kollege Lux angesprochen hat, wird dazu führen, dass die Behörde den Nachweis im Regelfall nicht erbringen werden wird. Und mit diesem Gesetz stellen Sie auch einen Misstrauensantrag gegenüber unseren staatlichen Institutionen. Denn Sie unterstellen, dass nach bisheriger Praxis und Rechtslage Betroffene nicht über ausreichend Rechtsschutz verfügen würden und dass Diskriminierung im öffentlichen Bereich ein real bestehendes Problem darstellen würde. Das ist aber nachweislich nicht der Fall.

[Sebastian Walter (GRÜNE): Aha!]

Dementsprechend braucht es kein Gesetz, um den Schutz vor Diskriminierung zu gewährleisten. Deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf auch ab.

Vielleicht noch ein Wort zum Justizsenator: Was das Sagbare ist, entscheiden gottlob nicht Sie. Wer hier schon sagt, Witze über Diskriminierung oder so dürfe man nicht machen, wissen Sie, das zeigt eine sehr totalitäre Denkweise.

[Beifall bei der AfD]

Denn in allen totalitären Regimen sind Witze und Humor und alles verboten. Und die Grünen zeigen mit diesem Gesetzentwurf, dass sie uns auch wieder mal totalitär daherkommen. Und deswegen lehnen wir den ab. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Schatz das Wort.

[Zuruf von links: Witze sind doch erlaubt! Schon dass Sie reden dürfen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Rede des Kollegen Rissmann möchte ich meine Rede mit einem Zitat beginnen, mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident.

Wir werden eine gesetzliche Regelung herbeiführen, die von Diskriminierung betroffene Menschen wirksamer unterstützt, eine niedrigschwellige und alle Merkmale umfassende Beratungsinfrastruktur gewährleistet und die die Verwaltung nicht nur in ihrer Rolle als Arbeitgeberin, sondern auch als öffentliche Dienstleisterin in die Pflicht nimmt.

Zitat Ende. – Nun, liebe CDU-Fraktion, wo stammt das Zitat wohl her? – Aus dem von Frank Henkel unterschriebenen Koalitionsvertrag, den Sie 2011 mit der SPD unterschrieben haben. Sie hatten sich verpflichtet, in der letzten Legislaturperiode ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Gemacht haben Sie, wie so oft in der großen Koalition, nichts.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Nun hat Rot-Rot-Grün, und das war ein Grund, weshalb diese Regierung ins Amt gekommen ist, sich vorgenommen, ein solches Landesantidiskriminierungsgesetz zu machen. Und man höre und staune: Wir halten Wort. Der Senat legt einen Gesetzentwurf vor, der tatsächlich die Lücken des 2006 nach vielen Interventionen der EU in Deutschland endlich in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichstellunggesetzes auffüllt. Und man muss immer noch mal schauen. Das Gesetz ist damals, wie gesagt, spät gemacht worden, und es ist schlecht gemacht worden. Beispielsweise das Diskriminierungsmerkmal von chronischen Erkrankungen ist trotz Hinweisen der EU bis heute nicht aufgenommen worden. Diese Lücke schließen wir auch mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz, und das finde ich richtig.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]