Ob Sie das nun Ausländeramt oder – wie die Amerikaner – Einwanderungsbehörde nennen, ist völlig nachrangig. Ich will mal darauf hinweisen, wofür diese Behörde zuständig ist, was nämlich Landeskompetenz ist: Das ist die Durchsetzung der Ausreisepflicht. Und die Durchsetzung der Ausreisepflicht haben Sie nicht auf dem Schirm. Das zeigt Ihr Gesetzentwurf, und das zeigt auch Ihr praktisches Handeln. Seit dem Jahr 2016 – unserem letzten Regierungsjahr – ist die Zahl der durchgesetzten Ausreisen um 66 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Ausreispflichtigen ist aber um 20 Prozent gestiegen.
Ich frage mich, wie Sie eigentlich hier eine große Story über ein neues Türschild erzählen können, sich aber über die wesentlichen Fragen dieser Aufgaben nicht informieren und sich auch nicht dafür interessieren.
[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Kurt Wansner (CDU): Da muss man Frau Breitenbach fragen!]
Hinzu kommt, dass Sie die Mittel, die das Land zur Durchsetzung der Ausreisepflicht hat, nicht nutzen. Wir haben zwar jetzt einen Abschiebegewahrsam von mächtigen zehn Stellen, aber der steht weitgehend leer. Selbst islamistische Gefährder werden dort nicht untergebracht. Er wird auch immer noch nicht für verurteilte Straftäter genutzt, deren Abschiebung ansteht. Er wird erst recht nicht für diejenigen genutzt, die sich der Direktabschiebung entzogen haben. Das alles ist das Kernproblem in dieser Ausländerbehörde und in diesem Senat. Deswegen muss das geändert werden.
Ihre Regierung, Ihr Senat hat der ganzen Sache jetzt die Krone aufgesetzt, indem die Sozialsenatorin verfügt hat, dass die Direktabschiebungen aus Unterkünften nicht mehr möglich sind. Das ist eine völlige Boykottierung der Durchsetzung des geltenden Rechts. Das ist inakzeptabel!
Der Innensenator hat heute Morgen in der Fragestunde in seiner Hilflosigkeit darauf verwiesen, dass der Deutsche Bundestag hoffentlich morgen die notwendige Ermächtigungsgrundlage schafft, damit das Betreten und Durchsuchen möglich wird.
Nein, danke! – Das heißt, er wartet – wie Ihre Koalition – mal wieder bei einem wichtigen Thema auf das Handeln der CDU-geführten Bundesregierung, weil Sie selbst nicht willens und in der Lage sind, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.
[Beifall bei der CDU – Beifall von Holger Krestel (FDP) – Frank-Christian Hansel (AfD): Das klingt doch nach Koalitionsbruch]
Wir haben als Abgeordnetenhaus von Berlin die verfassungsrechtliche Befugnis, eine Ermächtigungsgrundlage zu schaffen, und wenn Sie der Auffassung sind, dass Polizeikräfte die Unterkünfte nicht mehr betreten dürfen, dann sind wir und Sie als Koalition dafür verantwortlich, die Ermächtigungsgrundlage zu schaffen. Es ist nicht richtig, in Richtung Bund zu gucken, der dafür nicht zuständig ist.
[Beifall bei der CDU – Beifall von Holger Krestel (FDP) – Stefan Evers (CDU): Rechtzeitig auf links drehen!]
So ist es! – Hängen Sie nur Ihr neues Türschild auf, oder machen Sie eine neue Behörde – das alles ist absolut nebensächlich, sowohl im Hinblick auf die Fachkräftezuwanderung als auch im Hinblick auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht, die Voraussetzung dafür ist, dass wir auch für andere Platz schaffen, die schutzbedürftig sind. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass wir hier heute dieses Gesetz zur Errichtung einer neuen Behörde vorlegen, zeigt gerade, Herr Kollege Dregger, dass wir nicht abwarten, sondern in Erwartung bestimmter gesetzlicher Regelungen, in Erwartung künftiger Anforderungen handeln. Wir schaffen die organisatorischen Voraussetzungen dafür, dass in diesem Bereich noch besser gearbeitet werden kann. Deswegen sind wir sehr schnell und nicht etwa abwartend.
Wir haben einen Zuzug von Fachkräften, von Unternehmern, von Studierenden, von Wissenschaftlern, von Familienangehörigen aus dem europäischen und dem außereuropäischen Ausland. Wir haben auch Migration aufgrund von Flucht vor Krieg und Bürgerkrieg und anderen Ursachen. All dies sind Realitäten. Die Realität ist, dass Berlin einer Einwanderungsstadt ist, auch wenn diese Tatsache den Reaktionären hier verhasst ist. Wir sind eine Einwanderungsstadt, und die Einwanderungsstadt schafft sich jetzt eine Einwanderungsbehörde.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Stefan Franz Kerker (AfD): Einwanderung schafft Armut!]
Wir wollen die bisherige Ausländerbehörde organisatorisch verselbstständigen, um sie zu stärken und um sie organisatorisch und strukturell besser auf die künftigen Anforderungen vorzubereiten. Damit wollen wir auch einen Akzent auf den Servicecharakter und die nötige Unterstützung der Zuwanderer, wenn sie hierher kommen, setzen. Die Zuwanderer kommen in unsere Stadt, weil sie sie attraktiv finden, und wir wollen das unterstützen. Das wollen wir besser organisieren.
Gleichzeitig muss aber auch klar sein: Diese neue Behörde wird genauso ihre ordnungsbehördlichen Aufgaben erfüllen. Sie muss sie erfüllen, und sie wird sie erfüllen. Das ist die Rückführung bei Ausreisepflicht. Das ist die Unterstützung des Rückkehrmanagements. Das ist die Durchsetzung der Abschiebung, notfalls mithilfe der Polizei. Und das ist auch die Kooperation mit den Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. All dies wird auch die neue Einwanderungsbehörde leisten müssen – zu dem anderen, was die Kollegin Jarasch schon ausgeführt hat. Das sind beides Aspekte einer solchen Behörde.
Wir haben demnächst eine Entscheidung auf Bundesebene. – Herr Kollege Dregger, Sie haben darauf hingewiesen. – Es sind zwei Aspekte, die im Bund wichtig sind: Wir haben ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz durchgesetzt, das genau die Fragen geregelt, an denen Berlin ein besonderes Interesse haben muss und auch hat. Und wir
haben ein Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht. Genau diese Aspekte wird die neue Behörde ausführen müssen. Gerade das ist ein Motiv für unsere Gesetzesvorlage, Herr Dregger, und nicht etwa ein Hindernis. Deswegen passt beides sehr gut zusammen.
Wichtig ist: Diese neue Behörde braucht personelle Kapazitäten. Gestiegene Erwartungen haben auch mehr Personal zur Folge. Deswegen passt es sehr gut, dass dieses Errichtungsgesetz mit den Haushaltsberatungen, die wir jetzt gerade beginnen, zusammenfällt. Es ist ganz klar, dass eine neue Behördenorganisation auch personell unterlegt werden muss. Wir werden dies in den Haushaltsberatungen einbringen.
Ich möchte zum Schluss – weil das immer ein bisschen untergeht – Herrn Mazanke und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Ausländerbehörde, der künftigen Einwanderungsbehörde, für die außerordentliche Arbeit danken, die dort geleistet wird. Diese Arbeit ist anspruchsvoll, sie ist manchmal schwierig, und wir hoffen, dass sie mit der neuen Organisation noch besser werden kann und wir sie noch mehr erleichtern können. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Einrichtung eines Landesamtes für Einwanderung – wir haben es schon von den Vorrednern gehört – dient der Umsetzung des 2020 in Kraft tretenden Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Wäre dieses Gesetz ein gutes Gesetz, so wäre auch dessen effektive Umsetzung wünschenswert. Es ist aber kein gutes Gesetz, sondern ein völlig missratenes Gesetz. Schon seine Prämisse stimmt nicht. Entgegen irreführender Dauerpropaganda – Frau Jarasch hat ja wieder auf eine dieser Fließbandstudien verwiesen – gibt es nämlich keinen flächendeckenden Fachkräftemangel, sondern lediglich sektorale Lücken.
Ich zitiere – mit Erlaubnis der Präsidentin – aus der aktuellen Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur:
Vielmehr werden von 1 286 Berufsgattungen derzeit gerade einmal 48 als Mangelberufe eingestuft. Mangelberufe machen also lediglich 4 Prozent aller Berufsfelder
aus. Und trotz dieses rein sektoralen Mangels beseitigt das Gesetz komplett alle bestehenden Schutzmechanismen zugunsten einheimischer Arbeitnehmer. Die Beschränkung der Zuwanderung aus Drittstaaten auf Mangelberufe fällt ebenso weg wie die Vorrangprüfung, die fragt, ob nicht Einheimische oder EU-Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Für einheimische Arbeitnehmer bedeutet das zukünftig totale globale Konkurrenz. Wer einen Job bekommen oder behalten will, der konkurriert nunmehr potenziell mit allen geeigneten Arbeitskräften dieser Welt.
In einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft hat ein Arbeitskräftemangel zweierlei zur Folge: bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne für die nachgefragten Arbeitskräfte. Indem Sie aber den Arbeitgebern Zugriff auf einen weltweiten Pool an Arbeitskräften eröffnen, setzen Sie diesen Mechanismus bewusst außer Kraft und laden zum Lohndumping geradezu ein.
Gerade aufseiten der politischen Linken wird nach Beschluss dieses Gesetzes künftig niemand mehr über zu niedrige Löhne klagen können, ohne sich komplett unglaubwürdig zu machen. Dieses Gesetz ist damit ein weiterer, vielleicht sogar der ultimative Beleg dafür, dass die SPD als Arbeitnehmerpartei abgedankt hat.
Das Gesetz ist aber auch ein Schlag ins Gesicht aller Arbeitslosen einschließlich der statistisch in Maßnahmen versteckten Arbeitssuchenden. Es ist ein Schlag ins Gesicht aller wegen ihres Alters oder als Alleinerziehende bei einer Arbeitssuche diskriminierten Menschen, denn spätestens jetzt sind die Arbeitgeber jeder Notwendigkeit enthoben, ihnen eine Chance zu geben, da sie nach Belieben auf ein globales Potenzial zugreifen können. Sie alle haben diese Menschen offensichtlich aufgegeben, nur wir von der AfD stehen weiter an deren Seite.
Je genauer man hinsieht, desto weiter entfernt sich das Gesetz von seinem vorgeblichen Zweck, qualifizierte Fachkräfte anzuwerben, denn sowohl von einem Arbeitsplatz als auch von vorhandener Qualifikation als Voraussetzung einer Einreise wird vielfach abgesehen. So kann man auch ohne Arbeitsvertrag für sechs Monate zwecks Suche nach einem Arbeitsplatz einreisen. Dabei ist doch die Vorstellung, dass in Zeiten des Internets Leute hier ein halbes Jahr durch das Land tingeln und auf der Suche nach Arbeit auf gut Glück Klinken putzen, völlig lebensfremd.
Aber auch Ungelernte sollen zwecks Ausbildung oder gar erst zwecks Suche nach einem Ausbildungsplatz einreisen dürfen. Von gesuchten Fachkräften kann hier nicht
mal mehr ansatzweise die Rede sein. Dafür ist der Missbrauch insoweit vorprogrammiert, denn natürlich werden die, die nicht fündig werden, nicht umstandslos wieder ausreisen, sondern einfach einen Asylantrag stellen und damit in das Sozialsystem einwandern.
Ja, auch wir von der AfD haben in unserem Grundsatzprogramm die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz. Damit meinen wir allerdings ein sinnvoll konzipiertes Gesetz, das auf wirkliche Spitzenkräfte und klar begrenzte Mangelberufe zielt
und das natürlich unter der Bedingung steht, dass parallel die Asylkrise gelöst wird. Für den Senat hingegen ist Zuwanderung inzwischen offensichtlich ein Selbstzweck. Er versieht seine planlose Politik der ungesteuerten Zuwanderung mit dem Etikett der wachsenden Stadt, welches Dynamik und Attraktivität suggerieren soll. Tatsächlich stoßen unsere Ressourcen in der Stadt aber überall an Grenzen, zuallererst natürlich auf dem Wohnungsmarkt, aber auch im Bildungssystem und beim Transport. Immer mehr Berliner empfinden angesichts dessen Dichtestress. Nach einer Umfrage des Civey-Instituts sehen 30 Prozent den Zuzug aus dem Ausland inzwischen negativ und nur noch 27 Prozent positiv.