glaube, Herr Kollege Evers, Sie irren. Wir waren bei der Steuerungsgruppe zum zweiten Mal dabei und auch bei der Gründung, und wir wurden gerade darum gebeten, möglichst schnell und kurzfristig einen Baustein auf diesem Weg: Berlin wird Fairtrade-Stadt zu schaffen, nämlich einen Parlamentsbeschluss, der diese Zielsetzung festlegt. Das ist eines der Kriterien, die wir erfüllen müssen, wenn wir uns dieses Schild irgendwann an die Tür hängen wollen – natürlich ein formales –, und deswegen können wir auch so leicht damit anfangen, diesen parlamentarischen Prozess auf den Weg zu bringen und die Frage des weiteren Weges dann intensiv gemeinsam in den Ausschüssen diskutieren.
Für uns als SPD in Berlin ist ganz wichtig: Von seiner Arbeit soll man leben können, und dieses Prinzip wollen wir nicht nur für Berlin, nicht nur für Deutschland und Europa, das wollen wir gerne weltweit unterstützen, und da ist es ganz wichtig, dass wir zu Formen des Welthandels kommen, die das ermöglichen.
Es gibt vielleicht in dieser Stadt einige andere Probleme, aber für die Familien, die trotz intensiver Arbeit, obwohl die Kinder mit auf den Feldern oder in den Plantagen stehen, nicht das Notwendige zum Leben erwirtschaften können, hat das ganz hohe Priorität. Deswegen ist es das, was jeder Einzelne in dieser Stadt dazu beitragen kann, die paar Cent mehr für ein fair gehandeltes Produkt zu bezahlen, damit die Menschen eine Perspektive haben, einen bescheidenen Wohlstand, relativ gemessen an dem, was in ihren Herkunftsländern üblich ist, zu erwirtschaften und, was ich ganz zentral finde, ihre Kinder in die Schule schicken können und nicht in die Plantagen, denn das ist in vielen Regionen dieser Erde mit Schulgeld verbunden. Das ist mit weiten Wegen verbunden, das kostet Geld. Und wenn die Familien dieses Geld nicht erwirtschaften können, dann gibt es auch keine Perspektiven für diese jungen Menschen, für diese Familien, dort zu bleiben. Dann machen sie sich irgendwann vor bitterer Armut einfach auf den Weg. Gar nicht zu reden von den ökologischen Konsequenzen, die es hat, wenn bestimmte Anbaugebiete auf dieser Erde durch Raubbau vor die Hunde gehen. Dann können wir uns in ein paar Jahren weder Schokolade noch Kaffee noch irgendetwas leisten, wenn diese Anbaugebiete nämlich ökologisch den Bach heruntergegangen sind. Und dann machen sich noch viel mehr Menschen auf den Weg.
Insofern ist es genau das, was wir tun können, um den sozialen Frieden weltweit zu befördern. Dazu brauchen wir aber nicht einmal eine Tafel Schokolade im Jahr, die macht nämlich noch niemanden fett. Dazu müssen wir im Welthandel einiges an Volumen erreichen, sodass diese Fair-Handels-Organisationen und ihre Akteure vor Ort genau dafür sorgen können, dass es eine nachhaltige Entwicklung gibt. Dazu müssen wir ein größeres Volumen auch im Einkauf, im Umsatz erreichen. Dazu brauchen wir viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Es ist
richtig: Ohne die vielen im Einzelhandel, ohne die Hochschulen, die sagen: Wir wollen faire Hochschule werden, ohne die Vereine, Sportvereine und auch wir im Parlament, die sagen, wir gucken mal: Wo können wir ein fair gehandeltes Produkt auf den Tisch bringen? Wo können wir mit bei dieser Marktmacht eine Rolle spielen? – wird es nicht gehen, und genauso ist die Bewegung auch aufgestellt.
Ich bin sehr froh, dass sich gestern diese Steuerungsgruppe für Berlin gegründet hat, an der wir hoffentlich alle mitwirken, und dass wir uns in allen Bereichen dieser Stadt darüber Gedanken machen: Was kann unser Beitrag sein? –, denn für die Familien, die es betrifft, ist es der ganze Unterschied zwischen einem Leben mit Perspektive und einem Leben ohne, zwischen einem Leben mit Bildung für die Kinder und einer Perspektivlosigkeit. Darauf möchte ich hinweisen. Insofern ist es für uns alle hier ein Beitrag zu Frieden und mehr Sicherheit. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Fraktion der SPD, die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/die Grünen wünschen vom AGH einen Beschluss: Berlin wird FairtradeHauptstadt. Bevor ich inhaltlich darauf eingehe, möchte ich erst einmal die Überraschung der AfD über diese Priorität ausdrücken und die fehlende Dringlichkeit des Antrags feststellen. Wie wäre es, wenn wir uns vor dem Fairtrade erst einmal einer fairen Behandlung der Opfer des Anschlags auf dem Breitscheidplatz zuwendeten?
Bisher kann nämlich von einer fairen Behandlung noch gar nicht die Rede sein. Wie kann es sonst sein, dass die Familien der auf dem Breitscheidplatz Ermordeten und die Verletzten eine so verspätete Aufmerksamkeit von offizieller Seite erhalten und ein Justizsenator auf Spenden der Schausteller verweisen muss, weil er selbst nichts gemacht hat?
In der Begründung des Antrags werden ein fairer Konsum, fairer Handel und faire Produktbedingungen als Ziel genannt. Es soll das Bewusstsein für fairen Konsum und die positiven Effekte für die Menschen in den produzierenden Ländern geschärft werden. Bei dieser Gelegenheit
möchte ich zuerst das Bewusstsein für faire Bedingungen, insbesondere faire Arbeitsbedingungen in Deutschland schärfen. Ausgerechnet dem Berliner Senat wird nämlich vorgeworfen, mit seinen eigenen Mitarbeitern, namentlich der Berliner Polizei, nicht besonders fair umzugehen.
Die Berliner Polizisten leisten verdammt gute Arbeit, allerdings unter widrigsten Bedingungen in puncto Ausstattung, Ausrüstung, Arbeitsplatz und Arbeitszeit und mit der deutschlandweit miesesten Bezahlung. So sind Schichten von zehn bis zwölf Stunden keine Seltenheit. In einem Fall hatte ein Berliner Polizeibeamter sieben Wochen am Stück Dienst ohne einen freien Tag.
Selbst die Polizeibeamten, die dieses Haus hier bewachen, haben seit einiger Zeit kein Wachhäuschen mehr und sind Wind und Wetter ausgesetzt. Sich für eine globale Fairness positionieren und die eigene Polizei davon ausschließen zu wollen, das ist Heuchelei. Es geht um reine Klientelpolitik für grün-linke Besserverdiener und nicht um das tatsächliche Verbreiten fairer Arbeitsbedingungen.
Außer der Frage, ob die Erreichung des Status einer Fairtrade-Town eine Priorität für Berlin sein soll, steht der Fairtrade-Handel auch inhaltlich in der Kritik. So zahlen Verbraucher für Produkte mit Fairtrade-Siegel üblicherweise einen höheren Preis. Dieser führt aber eher dazu, dass bei den Handelsriesen und Fairtrade-Zertifizierern die Margen steigen, als dass das Geld bei den Kleinproduzenten ankommt.
Ein Mehrwert für Geringverdiener und armutsgefährdete Familien in Berlin ist darin auch nicht erkennbar. Auch die Qualität der Fairtrade-Produkte hält nicht immer, was das Siegel verspricht. Laut Medienberichten mischen Hersteller gelegentlich Produkte aus der FairtradeHerstellung mit Produkten aus gewöhnlicher Herstellung und verkaufen die Endprodukte als Fairtrade-Erzeugnisse.
Es wäre auch noch zu klären, wie attraktiv der Status einer Fairtrade-Stadt ist. Es gibt bereits, wie wir gehört haben, einige Fairtrade-Städte in Deutschland. Am 8. Januar 2017 wurde Untereisesheim in Baden-Württemberg die 453. Fairtrade-Stadt in Deutschland. Berlin sollte nicht den Anspruch haben, als 454. deutsche Stadt auf einen bereits alternden Trend aufzuspringen. Das sagt übrigens einiges über die Dringlichkeit des Antrags und den Anspruch des Senats aus. Berlin braucht dringender eine Arbeitsgruppe für die Schaffung besserer Arbeitsbe
Solange das nicht geschieht, brauchen wir den Status Fairtrade-Town genauso wenig wie die Unisextoiletten des Justizsenators.
Das Thema sollte analog zum angestrebten Platz in der Rangliste der auf den Trend aufgesprungenen Städte mit Priorität 454 behandelt werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich mich mit Ihnen hier so schnell befassen muss. Aber ich will es kurz machen. Ich weise ausdrücklich zurück, dass Sie die Frechheit besitzen, dieses Haus in eine Konnexität zu schieben zwischen der Fairheit des Welthandels und der fairen Behandlung von Terroropfern. Das ist eine unglaubliche Entgleisung, und ich bitte Sie und fordere Sie auf, sich dafür zu entschuldigen.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Das ist jetzt skandalisiert! Das Einzige, was man kann!]
Herr Buchholz, Sie möchten nicht erwidern? – Gut. – Dann kommen wir zum nächsten Redner. Das ist der Kollege Kössler von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zurück zur Sachebene. Und da freue ich mich, dass meine erste Rede, meine erste Initiative, einer der ersten Anträge dieser jungen und frischen Koalition, ein ganz wichtiges Thema beinhaltet, nämlich globale Verantwortung. Und das, lieber Herr Buchholz, ist keine Kleinigkeit. Ich gebe Ihnen die Empfehlung, mal zu überlegen, ob man als Fraktion nicht nur ein Thema, sondern vielleicht auch mehr Themen bearbeiten sollte.
Globale Verantwortung – mit Blick auf die Koalitionsparteien könnte man sagen: Hier trifft ein „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“ auf ein „Hoch die internationale Solidarität!“, oder, einfacher gesagt: Think globally, act locally. Übersetzt: Global denken, lokal handeln. Dafür steht unsere Koalition, und dafür sollte auch eine Stadt, die sich Weltstadt nennt, stehen, für globale Verantwortung.
Die Kriterien der Kampagne sind bereits benannt. Ich möchte trotzdem noch drei Punkte bekräftigen, auch weil sie hier auftauchten.
Berlin beweist hier wieder einmal, dass es eine hochpolitische und engagierte Stadt ist. Es gibt die erforderliche Steuerungsgruppe bereits, das wurde schon gesagt. Gestern kamen hier im Haus die Vertreterinnen und Vertreter aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Es gibt sogar erste Arbeitsgruppen. Und ich verrate Ihnen was: Es gab sogar explizit Lob für diese rot-rot-grüne Koalition, dass wir uns mit Stadtgesellschaft und Parlament im Gleichschritt aufmachen, globale Verantwortung zu übernehmen. Das mag Ihnen nicht passen, das passt aber der Zivilgesellschaft da draußen.
Sie brauchen auch keine Angst zu haben, dass die Kriterien für Berlin zu schwer sind. Es gibt bereits vier Faitrade-Bezirke. Herr Evers hat bereits einen genannt. Und allein das, was die schon gemacht haben, erfüllt schon fast die Hälfte der Kriterien für Berlin.
Ich möchte auch bekräftigen, dass es hier nicht nur um ein Siegel geht und um eine Firma, sondern es gibt eine ganze Reihe von Siegeln und Produkten, aus denen ausgewählt werden kann. Die Wahlfreiheit ist also gewahrt. Doch natürlich reicht das noch lange nicht. Unsere Koalition sieht das als Startschuss. In Absprache mit der zuständigen Senatorin wollen wir auch die landeseigenen Betriebe zu einer Teilnahme bewegen, denn sie prägen das Bild unserer wunderbaren Stadt mit, und sie können Fairtrade noch bekannter machen. Ich freue mich auch, dass wir in unserer Koalition vereinbart haben, die Wertgrenzen für ökologische, soziale und faire Beschaffung endlich wieder auf ein wirksames Maß abzusenken. Etwas, das eine Fehlentscheidung der letzten Regierung war, sehr geehrter Herr Evers, das wollen wir wieder rückgängig machen. Denn wenn die Bezirke, die jährlich Milliarden umsetzen, sich ihrer Verantwortung bewusst werden, dann können sie da auch eine ganze Menge anstoßen.
Und nicht zuletzt habe ich, haben wir den Anspruch, dass Berlin nicht nur gleichzieht mit Bremen, Hamburg und über 450 anderen Städten allein in Deutschland, sondern dass wir darüber hinaus mehr machen. Wir sind Hauptstadt. Das passt zu dem Anspruch, den Berlin hat. Und
Eine gute Eine-Welt-Politik bedeutet aber, dass wir das in allen Politikbereichen als Querschnittsaufgabe anpacken müssen. Ich möchte da als Beispiel mal die Energiepolitik nennen. Hier werden wir den Kohleausstieg als erstes Bundesland wirklich wasserfest beschließen. Und mit Blick auf Länder wie Kolumbien, wo in dieser Woche der Kohlegegner Aldemar Parra Garcia auf offener Straße erschossen wurde, sagt diese Koalition auch: Nein zur Blutkohle! Die letzte erforderliche Steinkohle in diesem Bundesland darf nicht unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen gefördert werden.
Es muss außerdem Schluss sein mit Freihandelsverträgen, die nur dem globalen Norden und seinen großen Konzernen dienen. Deshalb sagen wir auch: Dem CETAAbkommen stimmen wir nicht zu. Und eine Eine-WeltPolitik wird bei uns auch wieder stärker in der Außenwirtschaftspolitik oder im Umgang mit den Berliner Städtepartnerschaften eine stärkere Dimension bekommen.
Zudem wollen wir uns kritischer mit dem kolonialen Erbe in dieser Stadt auseinandersetzen. Und wir wollen endlich, sage ich, und als Neuköllner mit Stolz, das lange versprochene Eine-Welt-Haus ermöglichen und die Arbeit der Initiative Global Village unterstützen. Denn eine starke und eine laute Zivilgesellschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist vielleicht manchmal für eine Regierung etwas anstrengend. Herr Geisel kann davon ein Lied singen. Aber eine kritische und eine laute Zivilgesellschaft ist eines der Dinge, die unsere Demokratie so wertvoll machen. Und deshalb wollen wir sie stärken. Auch dafür steht diese Koalition.