Protocol of the Session on March 7, 2019

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Lieber Herr Dregger! Ich darf zunächst vorausschicken, dass die Meldung, dass der Abschiebegewahrsam für Gefährder am Kirchhainer Damm geschlossen wäre, eine Falschmeldung ist. Selbstverständlich wird er nicht geschlossen. Er ist gerade eröffnet worden, um dort Abschiebungen von Gefährdern, von Straftätern möglich zu machen.

Wir haben aber in den vergangenen Wochen und Monaten fleißig abgeschoben, vor allem Straftäter fleißig abgeschoben. Wir hatten das schon im Innenausschuss diskutiert, dass es ein besonderes Anliegen von mir ist, Straftäter, Gefährder, Menschen, die die Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner Gäste gefährden, dann auch entspre

chend zu entfernen, wenn es die rechtlichen Voraussetzungen dafür gibt. Mit diesem Gewahrsam hatten wir die rechtlichen Voraussetzungen, und das haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten fleißig getan.

Gegenwärtig ist es in der Tat so, dass der Kirchhainer Damm unbesetzt ist und sich im Stand-by-Modus – so will ich das nennen – befindet. Er ist also nicht geschlossen, und sobald wir wieder Menschen haben, die wir auf diese Art und Weise zunächst mal dort unterbringen können, um sie dann entsprechend außer Landes zu bringen, wird der Kirchhainer Damm wieder eröffnet. Ich denke, dass der gegenwärtige Zustand nur wenige Wochen anhalten wird. – Vielen Dank!

Herr Dregger! Wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen? Dann bekommen Sie das Wort.

Ja! – Danke, Herr Präsident! – Warum nutzen Sie den Abschiebegewahrsam nicht auch für Verbrecher, wie ich es bereits gefragt habe, aber auch für Personen, die sich der Abschiebung entzogen haben, der Direktabschiebung, sodass es das verhältnismäßige Mittel ist? Warum wird es dafür nicht eingesetzt, oder gehen Sie davon aus, dass es unter den 12 605 Ausreisepflichtigen in Berlin per 31. Dezember 2018 keine derartigen Personen gibt?

Bitte schön, Herr Senator!

Lieber Herr Dregger! Die Zahlen, die Sie hier verbreiteten, sind falsch, und Sie wissen das auch, weil wir die entsprechende Diskussion im Innenausschuss geführt haben.

[Burkard Dregger (CDU): Die kommen aus Ihrer Antwort auf die Schriftliche Anfrage!]

Es handelt sich nicht um 12 605 Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind.

[Burkard Dregger (CDU): Das steht hier aber! – Marc Vallendar (AfD): Es sind noch mehr, oder?]

Sie wissen sehr genau, dass 10 500 davon sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, weil wir ein Rechtsstaat sind. Etwa 6 000 davon befinden sich gegenwärtig in entsprechenden gerichtlichen Verfahren und können deshalb nicht abgeschoben werden. Die anderen haben entsprechende Duldungen für Ausbildungen beispielsweise oder deshalb, weil sie entsprechend erkrankt sind. Wir reden von einer Größenordnung von etwa 1 300 Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, und das

sind die Größenordnungen, mit denen wir uns auch über die Ausländerbehörde mit dieser Fragestellung beschäftigen.

Sie wissen, dass diese Thematik deutschlandweit diskutiert wird und dass die Zahlen heruntergegangen sind. Wir haben das ausführlich im Innenausschuss diskutiert. Ich bitte Sie, hier nicht den falschen Eindruck zu erwecken, dass der deutsche Staat – es trifft nicht nur Berlin, es trifft nicht nur die rot-rot-grüne Koalition, sondern es trifft alle Bundesländer – dort handlungsunfähig wäre. Das ist nicht der Fall.

[Kurt Wansner (CDU): Wir reden hier über Berlin!]

Die immer wieder fortgeführte Wiederholung der Zahl 12 000 ist falsch und erweckt öffentlich einen falschen Eindruck. Sie wissen auch – ich habe das im Innenausschuss schon geschildert –, dass deutsches Recht selbstverständlich auch in Berlin umgesetzt wird und dass Abschiebungen da, wo sie rechtsstaatlich geboten und durchsetzbar sind, auch in Berlin vollzogen werden.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Burkard Dregger (CDU): Aber was ist mit denen, die sich entziehen?]

Die zweite Nachfrage geht jetzt an Herrn Kollegen Hansel von der AfD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Wie passt das zusammen, was Sie gerade gesagt haben, Herr Senator, dass Sie Abschiebungen gerade von Gewalttätern begrüßen, wo Sie auf dem Europäischen Polizeikongress gesagt haben, nach Berlin zurückkehrende IS-Kämpfer, also die gewaltbereiten Islamisten, würden Sie am liebsten von den sogenannten Legalisten auffangen lassen, also in die Gesellschaft reintegrieren? Wie passt das zusammen?

Herr Senator!

Sehr geehrter Hansel! Vielen Dank, dass Sie mir mit der Frage die Gelegenheit geben, die Einlassungen des Islamismus- und Deradikalisierungsexperten der „B.Z.“, Herrn Schupelius, zurechtzurücken, denn ich nehme an, da her haben Sie das!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sebastian Walter (GRÜNE) – Ah! von der LINKEN]

Das ist ausdrücklich nicht so. Man muss es differenzieren, und ich will das an dieser Stelle tun. Vielleicht dauert es ein bisschen länger, aber ich versuche es, weil es ein komplexes Thema ist.

Zunächst mal: Die Position, dass in Syrien durch Kurden festgehaltene Kämpfer des IS, so sie deutsche Staatsbürger sind, nach Deutschland zurückkehren müssen, teile ich ganz ausdrücklich, denn mit welchem Recht verlangen wir von den Tunesiern oder den Marokkanern, ihre Straftäter, die abgeschoben werden sollen, zurückzunehmen, wenn wir dann umgekehrt sagen: Die deutschen sollen doch in Syrien bleiben. – Das geht nicht. Also wir werden uns der Schwierigkeit unterziehen müssen, deutsche Staatsbürger, wenn sie denn nach Deutschland zurückkehren, hier entsprechend rechtsstaatlich zu behandeln.

Der ehemalige Innensenator Körting hat vor wenigen Wochen im „Tagesspiegel“ dazu einen Artikel veröffentlicht und dargestellt, dass für diese 40 oder 45 eingesperrten IS-Kämpfer die Frage, ob sie denn in Deutschland in Haft genommen werden können, relativ einfach mit ja zu beantworten ist, weil sie sich schon allein der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht haben. Also in dieser Richtung muss man keine Befürchtungen haben. In den nächsten Wochen werden die verschiedenen Landeskriminalämter unter Koordinierung des Bundeskriminalamtes eine Delegation nach Syrien schicken und überprüfen, um welche Personen es sich handelt und wer für welches Bundesland dann für eine entsprechende Rückkehr infrage kommt, um dann auch die Strafverfolgungsbehörden entsprechend in die Lage zu versetzen, dort handeln zu können.

Es ist übrigens keine Thematik, die jetzt durch einen Tweet des amerikanischen Präsidenten aktuell geworden ist. Dadurch ist es dann öffentlich geworden, aber die Sicherheitsbehörden beschäftigen sich mit dieser Frage schon seit über zwei Jahren. Also die Frage der Kämpfer des IS ist nach meiner Auffassung eindeutig mit der Rechtsstaatlichkeit und Justizvollzugsanstalten zu beantworten.

Die andere Frage, die sich stellt und der wir uns auch stellen müssen, ist: Was ist eigentlich mit Frauen und Kindern, die zurückkehren und deutsche Staatsbürger sind? – Da habe ich allerdings die Position, dass wir die Deradikalisierung nicht einfach den Lehrerinnen und Lehrern in der Schule überlassen können, sondern dass wir uns sehr wohl mit dieser Frage professionell auseinandersetzen müssen, und gerade deshalb haben wir die Frage der Deradikalisierungsnetzwerke in den letzten zwei Jahren noch mal intensiv bearbeitet und haben die finanzielle Ausstattung für Deradikalisierung, die in der letzten Legislaturperiode bei 400 000 Euro pro Jahr lag, noch mal verdreifacht, fast vervierfacht, um die Expertinnen und Experten, die sich mit Deradikalisierung

(Senator Andreas Geisel)

beschäftigen, beispielsweise Violence-Prevention

Network, entsprechend zu stärken und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Deradikalisierung stattfindet.

Dann hatten wir auch eine Anhörung im Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses und haben die Experten, die sich mit Deradikalisierung beschäftigen, gefragt: Wie funktioniert das, und was braucht Ihr für Voraussetzungen, um entsprechend erfolgreich zu sein? – Deren Antwort war: Deradikalisierung kann nur durch Experten stattfinden. Wenn Menschen deradikalisiert werden, dann erfolgt das in mehreren Stufen. – Ich hab das auf dem Europäischen Polizeikongress so formuliert – das war etwas lax, aber ich glaube, das macht es verständlich –, dass wir im ersten Schritt der Deradikalisierung von jemandem, der gewaltbejahend war, nicht erwarten können, dass er im nächsten Schritt dann aufrechtes Mitglied der Jungen Union wird und ein Staatsbürger ist, der sich hier ins demokratische Gemeinwesen einbringt. Diese Geschichte aus der Bibel – „Vom Saulus zum Paulus“ – kennen wir alle, sie ist in der Praxis aber leider ein seltener Fall. In der Praxis läuft das in verschiedenen Stufen ab.

[Zurufe von der AfD]

Und wenn jemand deradikalisiert worden ist und deutlich erklärt, dass er keine Gewaltbereitschaft mehr hat, steht man vor der Frage: Wer ist die nächste Auffangstufe? Wer könnte die nächste Auffangstufe sein? – Wir haben in Berlin verschiedene muslimische Gemeinden, die den sogenannten Legalisten zuzurechnen sind. Das sind keine Freunde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das ist mir klar.

[Marc Vallendar (AfD): Und mit denen kann man es machen! – Georg Pazderski (AfD): Aber die haben doch extremistisches Gedankengut!]

Aber es sind Menschen, die ganz deutlich erklären, dass sie nicht gewaltbereit sind, dass sie Gewalt ablehnen, und deshalb ist es als nächster Auffangschritt nach Auffassung der Experten, die das im Verfassungsschutzausschuss dargestellt haben, ein sinnvoller Schritt, diese Strukturen zu nutzen, um Menschen, die vorher gewaltbereit waren, zumindest erst mal in das nicht gewaltbereiten Spektrum zu überführen – als einen Phasenschritt bei der Deradikalisierung.

[Zurufe von der AfD]

Das ist ein Prozess, der über mehrere Jahre ablaufen muss und bei dem wir gegenwärtig prüfen, mit wem wir dort sprechen können, um Gewalttaten zu verhindern. Dazu sage ich Ihnen: Angesichts der Situation, die wir in Berlin haben – und das bezieht sich jetzt nicht auf die Kämpfer im IS –, angesichts der Tatsache, dass auch die Zahl der Salafisten in Berlin in den letzten Jahren ansteigend ist, hilft es nicht, einfach nur eine Statistik zu führen und die Situation zu beklagen und zu jammern.

[Ach! von der AfD]

Es hilft übrigens auch nicht, Stammtischparolen zu verbreiten, die auch nicht helfen und die Situation nicht lösen, sondern es hilft nur, konsequent an Deradikalisierung zu arbeiten, diese Netzwerke zu stärken und die entsprechende Finanzierung sicherzustellen. Das haben wir im Haushalt getan, und das werden wir im nächsten Haushaltsbeschluss auch tun müssen, um erfolgreich in einem jahrelangen Prozess Menschen dazu zu bringen, nicht gewalttätig zu sein.

Das finde ich einen vernünftigen Weg, den wir gehen, weil es die Sicherheitssituation in der Stadt verbessert. Das ist ein langwieriger Weg, es ist schwierig, bringt bestimmt keine kurzfristigen Erfolge, aber deutlich mehr Erfolg, als einfach nur Statistiken zu führen oder Stammtischparolen zu verbreiten.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD]

Dann kommen wir jetzt zur Fraktion Die Linke, und Frau Gennburg hat das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Bundesweit wird die Debatte über die Einführung eines Mietendeckels geführt, insbesondere in Berlin wird sehr heiß diskutiert, wie die Idee des Juristen Peter Weber umgesetzt werden kann, um endlich auch auf Landesebene die Mieten landesrechtlich wirksam zu begrenzen. Ich frage den Senat: Wie und wann wird es endlich diesen Mietendeckel auch in Berlin geben?

[Stefan Evers (CDU): Sankt Nimmerlein! – Zuruf von Stefan Förster (FDP)]

Für die Beantwortung hat Frau Senatorin Lompscher das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Gennburg! Diese Diskussion ist dem Senat natürlich nicht entgangen.

[Stefan Evers (CDU): Es geht nicht alles an euch vorbei!]

Deshalb gab es auch schon die Verabredung, dass ich gebeten bin, dem Senat eine Empfehlung zu geben, selber ein externes Gutachten einzuholen, prüfen zu lassen, ob

(Senator Andreas Geisel)

das geht und wie das geht, weil auch im Senat die Auffassung besteht: Wenn es geht, dann soll man es machen. Die unterschiedlichen rechtlichen Auffassungen, die zumindest uns bekannt sind, lassen derzeit keine abschließende Einschätzung zu. Deshalb greife ich hier mal vor: Für die Senatssitzung nächsten Diensttag habe ich eine entsprechende Besprechungsunterlage angemeldet, wo einfach klar ist: Wir müssen hier weiter gucken und diesen Vorschlag gemeinsam auch mit externem Sachverstand vertiefend prüfen.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]