Protocol of the Session on March 7, 2019

Wir stimmen dem Antrag zu, vermissen aber den eigentlichen Ansatz, das Problem bei der Wurzel zu packen. Der Fahndungsdruck auf die Täter muss ansteigen. Das Verbrechen darf sich nicht lohnen. Der finanzielle Schaden der Einwohner Berlins ist erheblich. Hier sind insbesondere Innensenator Geisel und Justizsenator Behrendt gefragt. Handeln Sie endlich in diesem Bereich! Fangen Sie bitte nicht erst an, wenn Politiker und Personen des öffentlichen Lebens betroffen sind. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schlüsselburg. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute kann ein guter Tag für den Verbraucherschutz werden, wenn wir diesen Antrag heute mit einer großen Mehrheit in Richtung Bundesrat geben. Es kommt tatsächlich eher selten vor – da stimme ich der Kollegin Seibeld zu –, dass fast alle Fraktionen – darauf komme ich gleich noch zu sprechen – gemeinsam einen Antrag tragen. Das ist gut so, denn die Problemlage in unserer Stadt ist tatsächlich erdrückend.

Die Kollegen Lux und Kohlmeier und ich haben den Senat mal nach der Entwicklung zwischen 2012 und 2017 gefragt. Die Daten, die wir zum Waren- und Warenkreditbetrug und dem Tatmittel Internet bekommen haben, sind erschreckend. In diesem Zeitraum ist der Waren- und Warenkreditbetrug in Berlin um 91,3 Prozent gestiegen, und fast 60 Prozent aller Delikte in diesem Bereich werden inzwischen mit dem Tatmittel Internet begangen. Das ist erschreckend, und die Dunkelziffer wird erheblich höher sein.

(Florian Dörstelmann)

Die Staatsanwaltschaft und auch das LKA haben uns in der Anhörung gesagt: Landauf, landab und nicht nur in Berlin sind täglich viele Verbraucher Opfer dieser Praxis. Der Antrag macht ganz konkrete Vorschläge, wie wir das künftig abstellen können.

Die Vorredner haben viel ausgeführt. Ich will nur zwei Punkte erläutern, die die Koalition noch einmal etwas geschärft hat. Es geht um die Beschränkung des Rechnungskaufs. Ich denke, der Vorschlag, den wir hier machen, ist ein guter, weil er in der Praxis sehr wirksam sein wird. Er ist gleichzeitig ein sehr verhältnismäßiger Vorschlag, weil er schonend in die Privatautonomie eingreift. Es geht darum, beim Erstkontakt zu gucken, ob die Person die richtige ist. Dort ein Vorkassesystem zu machen, ist sinnvoll. Und danach, wenn es glattgelaufen ist, auch den Rechnungskauf zuzulassen, entspricht vielleicht diesem deutschen Sonderweg, denn in Deutschland ist der Weg des Rechnungskaufs sehr beliebt. In anderen europäischen Ländern ist das anders. Insofern, glaube ich, ist das ein schonender Eingriff in die Privatautonomie.

Auch die Schaffung einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage zur Kostenerstattung für die Verbraucher ist sehr sinnvoll. Das wurde schon ausgeführt. Für viele Leute ist die Beratung bei Rechtsanwälten eine Hürde, und nicht alle Leute haben eine Rechtsschutzversicherung. Das merke ich auch in den Bürgersprechstunden immer wieder.

Zum Schluss eine Bitte an die CDU: Sorgen Sie nach dem heutigen Tag bitte im Bundesrat und Bundestag bei Ihren Kollegen dafür, dass es eine Mehrheit gibt! Zwischen 2005 und 2013 stellte die Union die Verbraucherschutzminister. Das waren Horst Seehofer und Frau Aigner. Da hätte man auch schon in die Richtung etwas regeln können. Es ist aber trotzdem gut, dass wir heute hier alle gemeinsam den Anstoß geben.

An die FDP habe ich die Bitte: Erklären Sie doch bitte mal Ihr Abstimmungsverhalten! Wollen Sie ernsthaft die Maschinerie, die wir hier gerade beschrieben haben und die täglich vielen Leuten Schaden zufügt, schützen?

[Zuruf von der FDP: Nein!]

Dazu hätte ich gerne Ausführungen. Vielleicht überlegen Sie sich in der Redezeit, die Sie jetzt noch haben, noch einmal, ob Sie in Ihrer Fraktion nicht doch ein zustimmendes Abstimmungsverhalten realisieren wollen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Krestel das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist das Anliegen zur Bekämpfung des Identitätsdiebstahls mit einer Bundesratsinitiative richtig und wichtig. Es kann nicht angehen, dass auf der Grundlage von in der heutigen Zeit zumeist frei zugänglichen personenbezogener Daten, wie dem Namen und dem Geburtsdatum, in betrügerischer Absicht zu Lasten einzelner Personen Waren aus Internet bestellt werden. Sodann droht diesen Personen, bedingt durch deren Unkenntnis der betrügerischen Bestellung, ein Inkassoverfahren, ein SchufaEintrag und gegebenenfalls sogar noch ein Gerichtsverfahren. Vor diesem Hintergrund war der ursprüngliche Antrag der CDU, welcher dieses gesamte Problemfeld sehr gut dargestellt und eine entsprechende Handlungsmöglichkeit geboten hat, sehr zu begrüßen.

[Beifall bei der CDU]

Diesem ursprünglichen Antrag der CDU haben wir im Rechtsausschuss auch vorbehaltlos zugestimmt.

Der sodann im Hauptausschuss eingebrachte Änderungsantrag der Koalition ging jedoch in die falsche Richtung. Dazu zwei Punkte: Die Idee, dass bei einer Erstlieferung nur noch die Vorkasse oder Nachnahme möglich sein soll, ist ein zu weitreichender Eingriff in die Vertragsautonomie, welcher auch vor dem Hintergrund der Schutzintention vor dem Identitätsdiebstahl nicht gerechtfertigt ist.

[Beifall bei der FDP]

Die Erzwingung eines Anerkenntnisurteils, obwohl ein sofortiges Anerkenntnis vorliegt, ist ein zu weitreichender Eingriff in das Zivilprozessrecht.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Das wird ja geändert!]

Hier werden auch künstlich Anwaltsgebühren geschaffen, und wir brauchen keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Rechtsanwälte. Ich gehe davon aus, dass die genug zu tun haben. Deshalb haben wir uns im Hinblick auf den Änderungsantrag und den abgeänderten Ursprungsantrag im Hauptausschuss nicht für diese abgeänderte Bundesratsinitiative ausgesprochen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Abgeordnete Lux.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschichte, um die es hier geht, ist doch relativ einfach. Im Internet kursieren Daten von Personen, wie Name, Anschrift und Geburtsdatum, die sehr einfach zu bekommen sind. Damit kann ich mir als Täter ein Paar

(Sebastian Schlüsselburg)

schöne Schuhe bestellen und sie an eine andere Adresse liefern lassen als an die der Person, deren Identität ich gerade gestohlen habe. Das passiert zigtausendfach. Auch einige Abgeordnete sind Opfer und Geschädigte dieser Tathandlungen geworden. Sie können sich vorstellen, dass mit den Mitteln des Internets, mit den Mitteln des Vertragsabschlusses heute so etwas noch zunehmen wird.

Das Problem ist: Unser Rechtssystem entstammt dem römischen Recht. Damals hat man Leistungen ausgetauscht. Einer überreicht dem anderen eine Zahnbürste, und dafür erhält er das Geld. Man kennt das noch vom Schulhof. Beides wird gleichzeitig übergeben, dann entfernt man sich und sieht sich nie wieder. Damit ist alles gut. Heute ist das anders. Heute können wir in aller Welt Verträge schließen, zigtausendfach. Wir können die Forderungen abtreten. Wir können Konten eröffnen, ohne dass die Identität überprüft worden ist. Und Unternehmen machen daraus ein Geschäftsmodell. Sie treten Ihre Forderungen, auch wenn sie nicht valide sind, an Inkassounternehmen ab, die nicht wirklich überprüfen, ob diese Forderungen valide sind.

Ich finde es sehr sinnvoll, dass von diesem Parlament hier und heute ein Zeichen der höheren Sorgfaltspflicht, der Entschleunigung und der Nachprüfbarkeit im Zivilprozess ausgeht. Das ist ein gutes Signal.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Es ist nichts weiter als das Prinzip des sorgfältigen Verträgeschließens. Man muss den Namen und auch die Identität einer Person dahinter irgendwie kennen. Man muss den Kaufgegenstand und den Kaufpreis bestimmen, und dann kann man auch Kaufverträge schließen.

Wenn man dann eine Forderung gegen irgendeine Person abtritt und das Forderungsunternehmen noch Geld drauflegt, um die Forderung einzutreiben, dann ist man natürlich als Verbraucher oder Verbraucherin, der oder die sich im Rechtssystem nicht so gut auskennt, erst einmal überfordert und überprüft: Habe ich das vielleicht doch gekauft, oder hat das jemand auf meinen Namen gekauft? – Es entsteht viel Ärger. Man zahlt vielleicht sogar, weil man gutgläubig ist, und am Ende entsteht da ein Geschäftsmodell, an dem keiner ein Interesse hat.

Deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher stärken, dass wir die Unternehmen in die Pflicht nehmen, Forderungen zu prüfen, dass wir diejenigen, die Rechtsschutz gegen diese Übermacht an Forderungen brauchen, auch stärken. Dass dann Inkassounternehmen auch für den gegnerischen Anwalt zahlen müssen, ist ganz klar. Ich finde, dass der Antrag, den wir gemeinschaftlich auf den Weg bringen, deswegen sehr gut ist – dazu hätte sich am Ende auch die FDP entschließen können. Das ist ein sehr sorgfältiger, genauer Eingriff in die Privatautonomie, der sorgsam abgewogen wird. Dann werden wir sehen, was am Ende

dabei rauskommt. Ein guter Schritt – vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Beifall von Christian Goiny (CDU) und Cornelia Seibeld (CDU)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 18/1067 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen die Fraktion der FDP – die Annahme mit Änderungen. Wer dem Antrag mit den Änderungen gemäß der Beschlussempfehlung Drucksache

18/1704 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU, die AfD, die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Wer enthält sich zu diesem Antrag? – Das ist die FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag mit Änderungen angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 18 A:

Erster Staatsvertrag zur Änderung des Vertrags über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern – Vertrag zur Ausführung von Artikel 91c GG

Dringliche Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 50 Absatz 1 Satz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 18/1713

Der Dringlichkeit haben Sie eingangs bereits zugestimmt. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Von der Vorlage hat das Haus hiermit Kenntnis genommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 19:

Zusammenstellung der vom Senat vorgelegten Rechtsverordnungen

Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 18/1692

Von den vorgelegten Rechtsverordnungen hat das Haus hiermit Kenntnis genommen.

Der Tagesordnungspunkt 20 war Priorität der AfDFraktion unter Nummer 3.1.

Es ist jetzt 18.43 Uhr. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 21 als letzten zu beraten und die restlichen Punkte noch aufzurufen und ohne Beratung zu behandeln, gegebenenfalls auch über

(Benedikt Lux)