Protocol of the Session on March 7, 2019

Nein! – Und anders, als Sie es sagen, Herr Gläser, bestimmt nicht die Regierung, sondern der öffentliche Rundfunk selbst das Programm.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Sie sitzen da doch alle drin!]

Wer von einem Regierungsfernsehen spricht, der äußert, was Sie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorwerfen, nämlich: faktenfrei hetzen. Ich weiß, dass heute das Wort „hetzen“ schon mal kritisiert wurde, aber ein Synonym wie „Verleumdung“ oder „Verunglimpfung“ trifft es einfach nicht. Es ist faktenfreies Hetzen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Aber zurück zum Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Ich bin froh, dass wir mit diesem Staatsvertrag den Startschuss für die Modernisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgegeben haben. Erstens ermöglichen wir damit, dass der öffentlichrechtlichen Rundfunk seinen Informationsauftrag auch im Internet wahrnehmen kann.

Zweitens schaffen wir mit der Neudefinition des Begriffs „Presseähnlichkeit“ Rechtssicherheit und einen Rundfunkauftrag, der den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten erlaubt, sich auf ihre Kernkompetenzen Bewegtbild und Ton zu konzentrieren.

Drittens wurde ein Kompromiss zum Einstellen der Lizenzangebote fiktiver Filme und Serien in Mediatheken erreicht. Das war eine alte Forderung; europäische Werke dürfen dort in Zukunft bis zu 30 Tage lang angeboten werden.

[Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Natürlich haben wir noch längst nicht alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben. Ich spreche schon von der Frage, die ja im Raum steht – eine nachhaltige und faire Beitragsstruktur. Ich möchte deshalb jetzt schon nach vorne auf den Dreiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag blicken, in dem unter anderem auch dieses Thema aufgegriffen wird.

Heute beschließen wir einen wichtigen Baustein für einen modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und ab morgen verhandeln wir über das, was noch kommen muss. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Goiny das Wort!

[Kurt Wansner (CDU): Herr Goiny wird jetzt alles klarstellen!]

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was den sachlichen Inhaltsgehalt des Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag anbetrifft, hat die Kollegin Halsch das eben schon richtig ausgeführt. Ich glaube, wir erleben in den letzten anderthalb, zwei Jahren eine intensive Diskussion auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks um seine Struktur- und Programmreform, und an der Stelle sei auch noch mal der Hinweis erlaubt: Es gab seit dem Jahr 2009 keine Rundfunkgebühren- oder Beitragserhöhungen mehr, also ist das seit zehn Jahren nicht teurer geworden – im Gegenteil, es hat eine Senkung des Beitrags gegeben.

[Ronald Gläser (AfD): Quatsch! Es wurden Millionen gezahlt seit 2013!]

Das nur, um an dieser Stelle mal ein paar Fakten in den Raum zu stellen. Und ich finde es sehr richtig: Wir haben nun mal die Digitalisierung und auch die Veränderung von Mediennutzung und Medienangeboten, und natürlich gehört auch die Frage dazu – ich würde keine Zwischenfrage zulassen, Herr Präsident, wenn Sie gestatten –, wie man sich auch vonseiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der privaten Anbieter und Nutzer, der Zeitungsverleger und anderer, auch der Mittel des Internets und der entsprechenden Plattformen bedient. Und natürlich gehört es dazu, auch die Möglichkeit zu eröffnen, hier entsprechend präsent zu sein; und natürlich geht es dann auch darum, wie lange man Dinge einstellen kann.

All das regelt dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag, deswegen finden wir ihn auch richtig. Er ist, das hatte die Kollegin Halsch auch schon gesagt, ein wichtiger Baustein in einer Struktur- und Programmreform und für eine

(Karin Halsch)

Wettbewerbsfähigkeit insgesamt von Mediennutzung, und nur darum geht es ja. Und natürlich haben wir eine Vielfalt von Mediennutzung angeboten – jeder kann hier gerade auch mithilfe des Internets seine Plattform und seine Formate anbieten. Das ist auch etwas, das zu unserer freiheitlichen Gesellschaft gehört, und wenn die AfD hier meint, komische Vergleiche mit Osteuropa ziehen zu müssen, dann kann man nur sagen, wer sich selber seine Veranstaltungen und Reisen von Russland bezahlen lässt, der ist wahrscheinlich der schlechteste Kritiker, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland zu kritisieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Oh Mann, Herr Goiny! Wie billig ist das denn!]

Für die Fraktion Die Linke Frau Helm. – Frau Kollegin Helm, bitte schön!

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Ich habe mir schon gedacht, dass die Fraktion, die die Rederunde angemeldet hat, wenig über den Inhalt des Rundfunkänderungsstaatsvertrags sprechen wird. Ich will insofern die zwei wichtigsten Punkte aus meiner Sicht zusammenfassen. Zum einen haben wir einen sehr wackligen Kompromiss zwischen den Presseverlagen und den Rundfunkanstalten zum Thema Presseähnlichkeit gefunden. Ich fürchte, der Konflikt wird uns erhalten bleiben. Das hat auch die sehr spannende, hochkarätig besetzte, aber sehr kontroverse Anhörung im Ausschuss gezeigt. Ich finde aber auch, dass wir diese Debatte offensiv weiterführen sollten.

Das Zweite ist, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nur ermöglichen, sondern ihm zum Auftrag machen, dass er auch moderne Telemedienangebote schafft. Das ist etwas, was wir den Gebührenzahlerinnen und -zahlern schuldig sind.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir können nicht auf der einen Seite zu Recht kritisieren, dass ARD und ZDF völlig überalterte Strukturen und eine völlig überalterte Zielgruppe haben und sie auf der anderen Seite ans lineare Fernsehen ketten. Das ist völlig absurd.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN der SPD und den GRÜNEN]

Ich glaube, dass sich dieser Kompromiss in der Praxis bewähren muss.

Zu der Frage, die hier schon aufgekommen ist – Stichwort Expansion ins Internet –, höre ich immer wieder, gerade von Kritikerinnen und Kritikern der Öffentlich

Rechtlichen: Ich habe schon lange keinen Fernseher mehr! Ich habe meinen Fernseher abgeschafft! – Ich gucke auch schon lange kein Fernsehen mehr, ich konsumiere aber sehr viele sehr diverse Medien, und ich möchte erwarten können, dass der Rundfunk mir meine Angebote dort offeriert, wo ich sie abrufen möchte. Es ist auch nicht zu vermitteln, warum ein Beitrag, der von den Gebührenzahlerinnen und -zahlern schon bezahlt worden ist, nicht weiterhin im Internet abrufbar ist, sondern nur gestern Abend, wenn ich vielleicht meine Kinder aus dem Kindergarten abgeholt habe oder arbeiten war, warum er nur zu diesem Moment abzurufen war und nicht auch später noch, obwohl ich bereits dafür bezahlt habe. Auch das ist ein Missstand, den wir jetzt zumindest ein Stück weit behoben haben. Das finde ich auch sehr wichtig.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Ich möchte an dieser Stelle eindringlich in Richtung der Vertreterinnen und Vertreter der Presseverlage vor einer scheinbaren Freundschaft, vor einer scheinbar ausgestreckten Hand warnen, die hier von der AfD kommt, schließlich ist es so, dass der Lügenpressevorwurf und die Fantasie von einer Machtergreifung und einer Presse, die man sich zu eigen macht, nicht nur den Rundfunk betreffen, sondern letzten Endes auch die Presse. Deniz Yücel kann ein Lied davon singen, wie von rechts bejubelt worden ist, dass er für seine Arbeit als Journalist eingesperrt worden ist. Das sollte doch allen zu denken geben,

[Zuruf von Hanno Bachmann (AfD)]

ebenso das, was in anderen Ländern bereits passiert ist.

[Marc Vallendar (AfD): Venezuela!]

Diejenigen, die einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk tatsächlich zu einem Staatsfunk umbauen wollen, sind diejenigen, die nach einer sogenannten Machtergreifung oder Machtgewinnung

[Frank-Christian Hansel (AfD): Propaganda und Blödsinn!]

genau diejenigen waren, die das schon umgesetzt haben. Die Worte sind hier schon gefallen.

[Ronald Gläser (AfD): Was haben Sie genommen?]

Ungarn beispielsweise. Wir sehen diese Tendenzen aber leider auch schon in Österreich. Deswegen möchte ich hier noch mal einen Appell an Sie alle richten: Lassen Sie uns gemeinsam im Widerstreit mit den gegenläufigen Interessen für den Erhalt einer pluralistischen Medien- und Presselandschaft streiten! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der (LINKEN: Sehr gut!]

(Christian Goiny)

Für die FPD hat jetzt der Kollege Förster das Wort.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU) – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Da haben wir eine Ausgabe mit ganz großen Buchstaben! – Karsten Woldeit (AfD): Der war witzig!]

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der uns auf den Tisch gelegt wurde, beinhaltet nur einen kleinen Ausschnitt der Fragen, die man zu diskutieren hat. Wir reden heute aber über diese Vorlage, und da will ich auch in Richtung AfD sagen: Niemand auch der anderen Fraktionen macht es sich leicht bei der Frage, wie ein funktionsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk aussieht, wo in der Zukunft Perspektiven liegen, wo man aber auch Kritikpunkte äußern muss. Wir haben im Ausschuss schon festgestellt, dass noch Potenzial zum Beispiel bei der Zusammenlegung der Digitalkanäle von ARD und ZDF besteht. Diese Meinung vertritt im Übrigen auch die Senatskanzlei, das ist auch nichts Neues. Dass es natürlich auch weiterhin Einspar- und Optimierungsmöglichkeiten gibt, das haben wir gerade heute in einem interfraktionellen Antrag, den wir gemeinsam verabschiedet haben, noch mal klar dargelegt. Man kann also das eine tun, ohne das andere zu lassen. Man kann den öffentlichrechtlichen Rundfunk programmlich stärken und trotzdem darauf hinweisen, dass es auch Einsparbemühungen geben muss. Das passt zusammen.

Der zweite entscheidende Punkt, der heute Erwähnung finden sollte: In der Tat ist eine ausufernde Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Internet gestoppt. Die ARD hat in den letzten Jahren etwas auf die Tube gedrückt, das ZDF war eher zurückhaltend. Künftig wird es aber rein programmbezogene Angebote und keine zeitungs- und presseähnlichen Formate mehr geben. Das ist der Kompromiss zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Zeitungsverlegern. Wenn sich die beiden Akteure, die sich bisher einen erbitterten Rechtsstreit geliefert haben, zumindest auf diesen Kompromiss verständigen, muss man sagen: Wie immer ein Kompromiss auch aussieht, er hat Licht- und Schattenseiten. Es wird eine Schlichtungsstelle dazu geben, die strittige Fälle behandelt. Wir werden sehen, wie sie funktioniert. Auch da wird nicht nur eitel Sonnenschein sein, da wird es auch Fälle geben, die entsprechend zu thematisieren sind. Ehe man sich aber über Jahrzehnte weiter vor Gericht mit Klagen überzieht, ist doch ein Kompromiss, wo beide Seiten, Presseverleger und öffentlich-rechtlicher Rundfunk, sagen: Damit können wir leben –, erst einmal besser als kein Kompromiss. Das will ich an der Stelle klar sagen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Und ja, es ist absurd, dass man in Berlin, wenn man nach acht Tagen noch einen Beitrag der „Abendschau“ sehen will, einen Kasten vorfindet, worin steht, dass der Beitrag entfernt werden musste, weil das geltende Medienrecht es bisher nicht zuließ, diesen Beitrag noch einmal abrufen zu können. Wir haben alle den Rundfunkbeitrag gezahlt und können dann auch erwarten, dass diese Beiträge lange und dauerhaft im Netz zu sehen sind. Auch das ist nicht zu beanstanden.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass der Telemedienauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch in Zukunft fortgeschrieben werden muss. Im Übrigen kann das an der Stelle nicht zu einer Beitragssenkung führen, weil dafür keine zusätzlichen Beiträge genutzt und angemeldet worden sind. Das ist ja gerade deshalb in den letzten Jahren so gut genutzt worden, dieses einzustellen, weil man einfach nur auf den Knopf drücken musste. Die Nachrichten, die einmal geschrieben worden sind, wurden praktisch ins Internet eingestellt. Das ist der Rahmen gewesen, und das hat keine zusätzlichen Kosten verursacht. Deswegen kann man an dieser Stelle auch keine Beiträge senken. Das muss man klarstellen.

Ansonsten werden wir schauen, wie sich das entwickelt. Es ist jedenfalls ein tragfähiger Kompromiss, vielleicht nicht der ganz große Wurf, aber deutlich besser als nichts und deswegen auch für uns zustimmungsfähig. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]