Protocol of the Session on February 21, 2019

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 32

Umstiegsbedingungen für Pendler*innen auf den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr verbessern

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1588

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke und hier der Abgeordnete Ronneburg. – Bitte schön!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bewältigung der Pendlerverkehre

[Oliver Friederici (CDU): Pendler! Stimmt nicht!]

zwischen Berlin und Brandenburg ist ein Dauerbrenner in der öffentlichen Debatte wie auch hier im Plenum. Mit Stand vom Juni 2017 pendelten regelmäßig etwa 277 000 Menschen

[Oliver Friederici (CDU): Genau!]

nach Berlin, davon etwa 210 000 aus Brandenburg. Aus Berlin pendelten regelmäßig etwa 166 000 Menschen, davon etwa die Hälfte nach Brandenburg. Laut aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom Juni 2018 ist die Zahl der Berlinpendler seit 2013 auf 321 000 Menschen gestiegen, und mit Stand Juni 2018 sind es in etwa 215 000 Pendler aus Brandenburg.

Genaue Zahlen zur Wahl der Verkehrsmittel der Pendler liegen nicht vor. Offensichtlich nutzen aber viele den privaten Pkw, weil das öffentliche Verkehrsangebot im ländlichen Raum Brandenburgs nicht in der Dichte vorhanden ist. Auch die aktuellsten statistischen Daten zur Stauentwicklung in den Großstädten sind sehr eindrücklich. Nirgendwo sonst verlieren Autofahrerinnen und Autofahrer mehr Zeit als in Berlin. Sie standen im letzten Jahr etwa 154 Stunden im Stau. Die Straßen sind also voll. Der Zeitverlust ist eklatant, die Menschen sind davon frustriert, und wir müssen dringend umsteuern.

Unser vorrangiges Ziel dabei ist eine vernünftige Angebotspolitik, und das erreichen wir vor allem über den Ausbau des ÖPNV und des Schienenpersonennahverkehrs. Da haben wir gemeinsam mit der rot-roten Landesregierung in Brandenburg bereits einiges auf den Weg gebracht. Maßnahmen wie das gemeinsame Investitionsprogramm „i2030“ zur Verbesserung der Schieneninfrastruktur werden von allen Seiten begrüßt, auch von der Opposition. „i2030“ ist wirklich ein Meilenstein der in der gemeinsamen Planung unserer Metropolenregion. Erstmals sitzen Berlin, Brandenburg, die Deutsche Bahn und der VBB zusammen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass mehr Züge fahren können. Gemeinsam haben wir einen entscheidenden Fehler der Vergan

(Sibylle Meister)

genheit korrigiert, dessen Folgen uns heute noch viele Probleme bereiten, und zwar das Fehlen von Planungen, solange eine Finanzierung für die Umsetzung nicht in Aussicht war. Viele längst überfällige Projekte wurden auf Halde geschoben, und jetzt gehen wir das entschlossen an. Es freut uns sehr, dass wir mit dem „i2030“Projekt „Heidekrautbahn“ bereits das erste Projekt haben, für das eine Planungsvereinbarung geschlossen werden konnte. Daher vielen Dank an Senatorin Günther und die Senatsverwaltungen, die sich sehr dafür eingesetzt haben.

[Oliver Friederici (CDU): Weil wir das gut vorbereitet haben!]

Weitere Unterschriften unter solche Vereinbarungen – es gibt noch sechs weitere Korridore und das Maßnahmenbündel zur S-Bahn – werden hoffentlich bald folgen. Die Siemensbahn ist hinzugekommen, und eine weitere gute Nachricht ist die Neuvergabe des Netzes Elbe-Spree. Die Kapazitäten im Netz werden erhöht. Es werden längere Züge fahren. Es wird eine dichtere Taktung geben. Ab 2022 sollen 5 Millionen Zugkilometer mehr gefahren werden. Das sind Erfolgsnachrichten.

[Beifall von Steffen Zillich (LINKE)]

Als Koalition werden wir auch andere Projekte weiter vorantreiben, um den Umstieg vom Auto auf die Schiene zu fördern. Die Untersuchungen für die Abschnitte der Schienen-TVO werden wir weiter vorantreiben, um den Verkehr im Osten Berlins zu verbessern. Für die Linksfraktion kann ich sagen, dass wir gemeinsam mit den Koalitionspartnern beraten werden, wie wir den Infrastrukturausbau, die Zweigleisigkeit und Elektrifizierung der Ostbahn gemeinsam weiter vorantreiben können. Es ist wirklich eine Schande, dass der Bund dem Vorschlag von Berlin und Brandenburg nicht gefolgt ist. Er hat die Ostbahn in den Bundesverkehrswegeplan nicht aufgenommen. Da müssen wir weiter Druck machen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wir als Koalition schlagen nun mit unserem vorliegenden Antrag Eckpunkte für die Erarbeitung eines umfassenden Pendlerverkehrskonzeptes unter Beteiligung aller maßgeblichen Akteure vor. Wir wollen einen klaren Zeit- und Finanzierungsplan haben, und es ist klar: Die inhaltliche Richtschnur ist die Förderung des Umstiegs vom Auto in die öffentlichen Verkehrsmittel. Unser Fokus liegt darauf, die länderübergreifenden Planungsinstrumente und -gremien kritisch zu überprüfen. Wir müssen sie für eine integrierte Verkehrsplanung zwischen den Ländern und ihren jeweiligen Verwaltungseinheiten fit machen, ausbauen und schlagkräftiger machen. Die Berliner Außenbezirke gehören unbedingt mit an den Tisch und müssen einbezogen werden.

Ein Schwerpunkt wird dabei sein, wie wir die Zubringerverkehre organisieren, damit Pendler eben nicht auf das Auto angewiesen sein müssen, wenn sie in die Stadt oder heraus fahren. Da brauchen wir eine Verbesserung der

Busanbindungen, und es gibt bereits sehr viele positive Entwicklungen bei der Förderung dieser neuen Zubringerverkehre, wie erst jüngst in Hoppegarten-Neuenhagen und Fredersdorf-Vogelsdorf, wo ein zusätzliches Busangebot zur Verbesserung des Anschlusses an die S 5 finanziert werden konnte. Das ist sehr positiv, aber wir als Berliner dürfen die Gemeinden und Landkreise in Brandenburg nicht allein lassen. Wir schlagen als Koalition vor, dass wir zur Angebotsverbesserung auch neue Finanzierungslösungen mit Brandenburg und den Landkreisen entwickeln.

Weiterhin müssen wir Anreize für den Umstieg schaffen, was das Tarifsystem angeht. In diesem Jahr werden wir ein neues verbundweit gültiges Azubiticket zu einem guten Preis anbieten können, und auch mit dem neuen Firmenticket für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden wir einen ordentlichen Preisvorteil gewähren können. Diese Maßnahmen müssen nun alle nacheinander auch ineinandergreifen, und ich bin mir sehr sicher, dass wir am Ende der Legislaturperiode sicherlich noch nicht alle Probleme gelöst haben werden, aber bereits viele Dinge auf den Weg gebracht haben werden, die nicht vor allzu langer Zeit noch völlig illusorisch erschienen. Das gehört zur Wahrheit dazu. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Friederici das Wort.

Hochverehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Ronneburg! Sie müssen, wenn Sie den ersten Satz beginnen, noch einmal Ihre Rede reflektieren, noch einmal in sich gehen.

[Steffen Zillich (LINKE): Ist doch jetzt schon vorbei!]

Sie haben hier von Pendlerverkehren gesprochen. In der Überschrift des Antrags sprechen Sie von Pendlerinnen, mit Sternchen,

[Harald Moritz (GRÜNE): Ach, heute das Genderthema!]

und vor rund 30 oder 50 Minuten sprachen Sie von Fahrradfahrenden und zu Fuß Gehenden. Sie müssen das vereinheitlichen. Reden Sie doch einfach von Pendlern, und dann wissen wir auch alle, was gemeint ist, und die Menschen, die sich hier in dieser Stadt bewegen und vom Umland hierher kommen und auch wieder rauskommen möchten, wissen dann auch Bescheid. Also, erst mal diesen Gender-Wahnsinn wegnehmen und dann um die Inhalte kümmern.

[Beifall bei der AfD]

(Kristian Ronneburg)

Das hatte ich Ihnen eben schon mal gesagt, und jetzt kommen wir zu den Inhalten. Sie schreiben mehr oder weniger das Grundprogramm des Koalitionsvertrags ab, gießen das in einen Antrag, und jetzt kommt das Interessante dieses Antrags, und deswegen stimmen wir diesem Antrag zu: Die ersten vier Absätze sind eine Selbstverständlichkeit. Dass Sie von einem Verkehrsmittel in ein anderes einsteigen wollen und da möglichst wenig Wartezeit haben wollen, ist eine Selbstverständlichkeit. Dazu bedarf es keines Parlamentsantrags. Nichts anderes beschreiben Sie hier.

Dass Sie die Heidekrautbahn erwähnen, ist sehr löblich, finde ich auch in Ordnung, nur die Planung und die Grundbedingung, dass die Heidekrautbahn bald fährt und in Betrieb sein wird, das liegt nicht an Ihnen, das liegt an der Vorgängerkoalition aus CDU und SPD – da kann ich mich an diverse Runden erinnern, bei denen wir die Grundstücke dafür eingesetzt haben. Das ist der wahre Adressat, nämlich die Koalition vorher – nicht Sie!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Der fünfte Strich, den Sie hier im Antrag beschreiben, nämlich endlich zu prüfen, ich zitiere,

ob und wo ein Ausbau von Park & RideParkplätzen und Radabstellanlagen sinnvoll und machbar ist

ist genau das, was wir Ihnen seit zwei Jahren in dieser Legislaturperiode sagen, was Sie immer abgelehnt haben.

[Beifall bei der CDU]

Jetzt schließen Sie sich dieser Linie an, nämlich dem, was wir gesagt haben: Wir müssen die Pendlerverkehre, die aus Brandenburg nach Berlin kommen und umgekehrt, leistungsfähig umschichten. Die müssen ein ordentliches Angebot bekommen mit Park-and-Ride-Plätzen. Da bedarf es eines Programms, das umzusetzen. Sie regieren jetzt leider über zwei Jahre lang, es ist leider nichts passiert in dieser Zeit. Das ist schön, dass diese Linkskoalition jetzt endlich der Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr Beine macht, damit das Projekt endlich mal startet. Nur: Warum haben Sie das nicht schon zwei Jahre vorher gemacht? Das fragt sich wahrscheinlich der eine oder andere Pendler, der hier jeden Tag nach Berlin hinein- und abends wieder herausfährt. Denn seit der Regierungsübernahme von SPD, Linken und Grünen hier in Berlin im Jahr 2016 hat sich signifikant nichts Neues getan.

Deswegen ist es gut, dass Sie diesen Antrag stellen, wenigstens diesen Minimalkompromiss mit vier Schrägstrichen, die selbstverständlich sind und neu wie Park-andRide-Parkplätze. Und wenn Sie hier eine ganze Reihe von Maßnahmen ansprechen, die Sie jetzt planen, prüfen, verbessern wollen, in länderübergreifende Verkehrsplanungen mit aufnehmen möchten, so wird dies Geld kos

ten. Ich hoffe, dass Sie das nicht bei der Haushaltsplanaufstellung für den nächsten Doppelhaushalt vergessen. Da passen wir nämlich auf. Wenn Sie das dort nicht verankert haben, dann ist auch dieser Antrag nichts anderes wert als das Stück Papier, das wir hier alle in den Händen halten – nämlich sonst nichts Inhaltliches. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Schopf das Wort!

[Heiko Melzer (CDU): Ich hoffe, Ihre Rede hat sich erledigt mit Herrn Friederici!]

Ich glaube nicht! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Friederici! Der Kollege Ronneburg hat es ja schon gesagt: Etwa 200 000 Menschen aus Brandenburg fahren regelmäßig zur Arbeit nach Berlin, und in umgekehrter Richtung pendeln rund 80 000 Erwerbstätige.

Ein erheblicher Anteil der Pendler nach Berlin nutzt allerdings das Auto, und das bis ins Stadtgebiet, oft auch deshalb, weil die Anbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln vom ländlichen Wohnsitz schlicht unzureichend ist. – Dieses Grundproblem, Herr Friederici, lässt sich nicht allein durch einzelne verkehrliche Maßnahmen wie etwa die Ausweitung der Tarifzone oder den Ausbau von Park-and-Ride-Zonen auf Berliner Boden regeln. Damit lösen wir diese Probleme nicht. Vielmehr bedarf es für die Region Berlin-Brandenburg einer gemeinsamen verkehrlichen Lösung, die auch in der Zukunft trägt.

Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Züge in Brandenburg zur Verfügung stehen, denn schon heute sind die SBahnen und die Regionalbahnen voll ausgelastet. Wir müssen vor Ort attraktive verkehrliche Lösungen schaffen, die den Brandenburgern einen Anreiz bieten, sich bereits wohnortnah für den Umstieg in den ÖPNV zu entscheiden. Damit mehr Pendler bereit sind, das Auto stehenzulassen, ist aus unserer Sicht das Problem der unzureichenden Anbindung der Haltepunkte des schienengebundenen Nah- und Regionalverkehrs zu lösen. Lediglich begleitend sollen Park-and-Ride, Bike-andRide oder die gezielte Parkraumbewirtschaftung in den Umstiegszonen den bestehenden Parkplatzdruck kompensieren.

Neben dem Fahrrad können zudem Zubringerbusse zu den Haltepunkten der Bahn ein wichtiger Beitrag sein. Wichtig sind dabei unter anderem die Betriebsdauer, die Takte und die Umsteigeanschlüsse. Es kann und darf

(Oliver Friederici)

nicht sein, dass die Busverbindungen des Umlandes nicht in enger Abstimmung mit dem Nah- und Regionalverkehr ausgebaut sind. Wir brauchen ein berlin-brandenburgisches Gesamtkonzept, welches den ÖPNV und den Regionalverkehr insbesondere für die Pendler noch attraktiver macht und dabei alle Verkehrsträger umfasst.