Protocol of the Session on November 15, 2018

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Beim Thema S-Bahn – Finanzierung zur Gesellschaftsgründung – kann man nur sagen: Auch das soll ein strategischer Aufschlag sein, der aber bisher offensichtlich von Ihnen nicht auskömmlich finanziert ist. Auch hier kommen Sie jetzt um die Ecke und sagen: Oh! Da müssen wir doch noch etwas nachschieben!

Und die Ideenlosigkeit beim Thema Personal und öffentlicher Dienst wird auch dann noch einmal deutlich, wenn man sich ansieht, dass Sie jetzt auch etwas in die Versorgungsrücklage geben wollen, aber gar nicht wissen, wie viel. Nun kann man die Versorgungsrücklage weiter aufbauen – dagegen wollen wir gar nicht sein –, aber dass Sie es erstens nicht beziffern können oder wollen und zweitens bei der Beamtenbesoldung nach wie vor nichts machen, was erkennbar eines der Hauptprobleme für den öffentlichen Dienst in dieser Stadt ist,

(Torsten Schneider)

[Carola Bluhm (LINKE): Das haben Sie aber in der letzten Legislaturperiode anders gesehen!]

das ist in der Tat auch ein bemerkenswerter Ausdruck Ihrer Versuche, hier mit Stückwerk nachzujustieren. Dies wird auch von den Gewerkschaften dieser Stadt zu Recht kritisiert.

Ich frage mich ernsthaft, wie der Regierende Bürgermeister – ich weiß gar nicht, ob er überhaupt noch einen Gestaltungsanspruch in dieser Stadt hat – oder aber der Innensenator noch mit irgendeinem Feuerwehrmann in dieser Stadt diskutieren will, denn das Thema Investitionen bei der Feuerwehr kommt gar nicht vor. Sie haben wunderbare Sonntagsreden gehalten und den Feuerwehrleuten auf die Schulter geklopft, aber in Ihrem Nachtragshaushalt ist nicht ein Cent für die dringend notwendigen Investitionen bei der Berliner Feuerwehr. Das ist ein Skandal!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Und wenn man sich das alles mal anguckt, dann muss man sagen, dass dieser Nachtragshaushalt genügend Gelegenheit gibt, das auch noch mal im Hauptausschuss intensiv zu diskutieren, vor allem vor dem Hintergrund, wie weit Sie in der Lage sind, Ihre Haushaltspolitik als Instrument der Umsetzung von Planung und Konzepten zu verstehen. Sie haben sich hier offensichtlich mit Ihrem Nachtragshaushalt auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt, obwohl Sie größtmögliche finanzielle Gestaltungsspielräume haben, so große Gestaltungsspielräume, wie seit der Wiedervereinigung keine Landesregierung hatte. Wenn dieser Nachtragshaushalt mit diesem Volumen und dem, was Sie uns hier vorlegen, das Ergebnis Ihrer Bemühungen ist, dann ist das in der Tat kein Zeichen von politischem Gestaltungswillen oder politischer Gestaltungskraft. Das werden wir auch im Rahmen der Haushaltsberatungen noch weiter zum Ausdruck bringen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Torsten Schneider (SPD): Ich freue mich schon auf Ihre Anträge!]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Zillich das Wort!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch unser Dank gilt dem Kollegen Klaus Feiler für jahrelange Zusammenarbeit aus unterschiedlichen Perspektiven unsererseits. Wir werden die Chance haben, ihm das in der nächsten Woche auch noch mal persönlich zu sagen.

Ja, dieser Nachtrag ist erst einmal Ausdruck einer guten Nachricht, was die finanzielle Situation des Landes betrifft. Wir erwarten in diesem Jahr wieder ein Finanzie

rungssaldo von gut 2 Milliarden Euro plus. Wir stehen also vor der Aufgabe, uns darum zu kümmern und zu entscheiden, was wir damit machen wollen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass wir hier als Parlament die Gelegenheit haben, unseren Beitrag dazu zu leisten. Wir begrüßen es daher, dass der Senat einen Nachtragshaushalt vorgelegt hat.

Natürlich geht an dieser Stelle wieder die Debatte um Tilgen oder Investieren los. Es ist nicht überraschend, dass auch gefordert wird, dass das Geld, das wir jetzt übrighaben, angesichts unseres Schuldenstandes in die Tilgung fließen soll. Aber noch mal: Vermögenspolitisch sind beide Antworten auf die Frage: Investieren oder tilgen? – gleich viel wert. Man muss sich fragen: Was ist für die Stadt derzeit am wichtigsten? Und man muss sich fragen: Was hat jeweils welche Risiken und Nebenwirkungen? Die Verschuldung ist für die Stadt abstrakt ebenso ein finanzpolitisches Risiko wie der Investitionsstau; allerdings muss man auch sagen, dass die Gefahr erheblich steigender Zinsbelastungen für den Landeshaushalt kurzfristig nicht droht, wenn man sich das Kreditportfolio, das wir haben, ansieht.

Eines will ich aber auch in Richtung CDU sagen, damit die Debatte vielleicht ein bisschen ehrlicher geführt wird: Man kann nicht einerseits fordern, dass Entschuldung prioritär sei, weil man die zukünftige Zinsbelastung in den Griff bekommen möchte, und andererseits zur selben Zeit fordern, die Lehrerinnen und Lehrer wieder zu verbeamten, und damit massiv finanzielle Belastungen in die die Zukunft verschieben. Das passt finanzpolitisch beides nicht zusammen, von den bildungspolitischen Implikationen ganz zu schweigen!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Schillhaneck (GRÜNE)]

Wir bleiben dabei, einen deutlichen Schwerpunkt auf Investitionen zu legen, weil wir es im Interesse der Menschen dieser Stadt brauchen.

Dabei sind wir auch bei der ernsten Nachricht, die uns der Haushaltsstatus liefert: Wir werden wieder in einem erheblichen Umfang Investitionsmittel nicht ausgeben. Die Investitionen dauern länger. Die Kapazität fährt hoch, aber sie fährt viel zu langsam hoch. Das ist jetzt zunächst mal kein Argument dagegen, Geld für Investitionen zurückzulegen, wenn wir es denn haben, denn die Finanzierungsbedarfe, die Investitionsbedarfe bleiben. Und deshalb wird es auch richtig sein, wenn wir im Rahmen der Überschüsse, ob über SIWANA oder den Nachtragshaushalt, weiter Geld für Investitionen zurücklegen. Aber es heißt eben auch: Es ist die oberste Aufgabe für den Senat, sich um die Umsetzung zu kümmern. Wir erwarten vom Senat, dass er sich dieser Herausforderung prioritär widmet – praktisch und konzeptionell.

Wenn wir über die Verwendung von Überschüssen reden, müssen wir natürlich auch das strukturelle Saldo im Blick

(Christian Goiny)

behalten. Insofern ist die Frage, was wir hier tun, wichtig. Es geht vor allen Dingen darum, Rücklagen zu bilden, Darlehensvergaben, Kapitalzuführungen zu machen, also nachhaltig vermögenswirksame Ausgaben, damit uns das strukturelle Saldo nicht aus dem Ruder läuft. Das passiert im Kern mit diesem Nachtragshaushaltsentwurf, und das beantwortet vielleicht auch eine der Fragen, welche Maßnahmen dort drin sind – mit den Kapitalzuführungen an Vivantes, die HOWOGE, ITDZ und die Rücklagen für die Anschaffung von S-Bahnen.

Das finden wir dem Grunde nach richtig. Aus unserer Sicht stehen wir allerdings auch vor der erheblichen Aufgabe, uns bei der Verwendung der Jahresüberschüsse beim Thema Ankauf von Grundstücken für öffentliche Bedarfe handlungsfähig zu halten, damit unsere soziale Infrastruktur nicht durch die Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt verdrängt wird. Gleiches gilt für die Nutzung des kommunalen Vorkaufsrechts.

Im Entwurf werden noch ein paar andere Themen angesprochen, wo politische Verabredungen abgebildet werden, soweit es haushaltsrechtlich notwendig ist. Das betrifft das Thema 30 Jahre friedliche Revolution, das betrifft das Thema 100 zusätzliche Stellen für die Beschleunigung des Wohnungsbaus. Wir werden darüber zu reden haben, ob das noch für weitere politische Verabredungen gelten muss.

Zum Thema Verpflichtungsermächtigung hat der Kollege Schneider das gesagt, was es auch aus unserer Sicht dazu zu sagen gibt. Da müssen wir ganz genau gucken: Wir müssen sehen, inwieweit dadurch die Entscheidungen kommender Haushaltsberatungen vorweggenommen

werden. Aber da gibt es Instrumente, genau das zu steuern.

In diesem Sinne werden wir in den Haushaltsberatungen einiges zu bereden haben. Ich bin mir sicher, dass wir auf der übernächsten Plenarsitzung hier einen Nachtragshaushalt, der mit Freude unsere Zustimmung findet, vorliegen haben werden. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Ich darf an dieser Stelle noch ganz herzlich Herrn Verrycken als neuen Staatssekretär im Parlament begrüßen – herzlich willkommen am alten, neuen Ort!

[Allgemeiner Beifall]

Dann hat die Abgeordnete Dr. Brinker für die AfD das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! – Auch von meiner Seite noch einmal herzlichen Dank für die konstruktive Arbeit im Hauptausschuss und viel Erfolg für Ihre neuen Aufgaben, Herr Verrycken! Wir werden ja weiterhin viel miteinander zu tun haben.

Auch an dieser Stelle von unserer Seite herzlichen Dank an Herrn Feiler für die konstruktive Zusammenarbeit! Aber das werden wir dann ausgiebig kommenden Mittwoch im Hauptausschuss noch mit ihm persönlich besprechen.

[Beifall bei der AfD]

Zum Entwurf über den Nachtragshaushalt: In der Pressemitteilung der Senatskanzlei vom 6. November zu diesem Nachtragshaushalt kommt der Finanzsenator wie folgt zu Wort – ich zitiere:

Die Entscheidung für einen Nachtragshaushalt ist angesichts der Steuermehreinnahmen von rund 1,2 Mrd. Euro richtig. Es gibt wichtige Projekte für Berlin, die aufgrund des großen Bedarfs dringend noch in diesem Jahr angeschoben werden sollten. Hierfür ist die adäquate Absicherung der landeseigenen Unternehmen und Einrichtungen von großer Bedeutung. Mit der Kapitalzuführung tragen wir dafür Sorge, dass wir auch die kommenden, verantwortungsvollen Aufgaben bewältigen.

Schauen wir uns diese recht allgemein gehaltenen Aussagen genauer an! – Ja, bei Steuereinnahmen von mehr als einer Milliarde Euro ist ein Nachtragshaushalt unerlässlich. Und ja, es gibt wichtige Projekte, die vorangebracht werden müssen.

Leider gibt es wichtige Projekte, die der Senat bisher nicht mit der gebotenen Eile und Zügigkeit in die Wege geleitet hat. Was meine ich damit? – Lassen Sie mich das am Beispiel der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE erläutern – Sie ist hier ja schon mehrfach angesprochen worden –, die ursprünglich eine Milliarde Euro der 5,5 Milliarden Euro der Schulbauoffensive übernehmen sollte: Sie soll nach dem vorliegenden Gesetzentwurf mit 300 Millionen Euro zusätzlichem Eigenkapital ausgestattet werden. Warum die Ausstattung des Eigenkapitals? – Heute schon ist klar, dass aus einer Milliarde Euro wahrscheinlich bereits 1,7 Milliarden Euro geworden sind. Warum? – Weil offenbar der Gebäudescan nicht alle Kosten erfasst hat und die Baupreise steigen.

Und jetzt wird es spannend: Ab 2020 gilt in Deutschland bekanntlich die Schuldenbremse. Bereits im Frühjahr 2017, also vor anderthalb Jahren, hat die AfD-Fraktion einen Antrag gestellt, die Schuldenbremse endlich gesetzlich in der Landesverfassung zu verankern.

[Beifall bei der AfD]

(Steffen Zillich)

Bisher hat es der Senat versäumt, einen Gesetzentwurf zur Schuldenbremse vorzulegen. Immerhin fand auf unsere Initiative ein vom Finanzsenat organisiertes Symposium statt, bei dem unter anderem die Bundesbank viele unserer Forderungen bestätigte.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Herr Schneider, Sie waren leider nicht da! Tut mir leid!

[Beifall bei der AfD]

Die Schuldenbremse hat zur Folge, dass der Kernhaushalt und die Nebenhaushalte ab 2020 keine zusätzlichen Kredite mehr aufnehmen dürfen. Landeseigene Gesellschaften wie die HOWOGE, die zwar zum öffentlichen Bereich gehören, aber nicht dem Kernhaushalt zuzurechnen sind, können sehr wohl Kredite aufnehmen. Wie kann ich nun die Kreditfähigkeit eines Unternehmens deutlich verbessern? – Indem ich das Unternehmen mit so viel Eigenkapital wie möglich ausstatte.

Genau das passiert jetzt mit der HOWOGE, die alle großen Schulbaumaßnahmen künftig tragen soll und für Milliardenkredite fitgemacht werden soll. Wir müssen aber aufgrund der aktuellen Daten- und Zahlenlage leider auch davon ausgehen, dass die Schulbauoffensive statt 5,5 Milliarden, wie es uns bisher immer vorschwebte, eher 10 Milliarden kosten könnte. Berlin kann sich aber, mit Verlaub, keinen zweiten BER leisten. Das muss dringend verhindert werden!

[Beifall bei der AfD]

Deshalb wäre es für uns alle sinnvoll und hilfreich gewesen, wenn vor diesem Nachtragshaushalt ein Gesetz zur Schuldenbremse vorgelegen hätte. So ist der Entwurf, der uns jetzt vorliegt, weder transparent noch nachhaltig, da zur Bewertung wichtige Kriterien fehlen. Vertrauen wird so vom Senat nicht geschaffen.

[Beifall bei der AfD]

Ebenso hatte die AfD-Fraktion den Antrag gestellt, endlich tatsächlich die Pensionsverpflichtungen des Landes Berlin festzustellen.