In der Berufs- und Studienorientierung – kurz BSO – müssen die vielfältigen Möglichkeiten der beruflichen Qualifikation aufgezeigt werden. Trotz des Landeskonzepts BSO, trotz der BSO-Teams und trotz des Qualitätssiegels für exzellente berufliche Orientierung erfahren viele, viel zu viele Schüler sowohl die Tage zur beruflichen Orientierung als auch die Praktika als reine Zeitverschwendung.
Einer unserer Anträge thematisiert das Übergangssystem. Dieser Antrag flankiert unseren Antrag, der für Berlin die Wiedereinführung des 11. Pflichtschuljahres für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag fordert. In allen Bundesländern gibt es dieses, nur leider nicht in Berlin. Zur Wiedereinführung gehört unserer Meinung nach eine Neustrukturierung des Übergangssystems, damit es nicht
zu einer Warteschleife verkommt. Das 11. Pflichtschuljahr kann nur dann zu sinnvollen Ergebnissen führen, wenn die Angebote anschlussorientiert, aber nicht abschlussorientiert sind. Auch bei den Übergangsmodellen brauchen wir den Umstieg von vollzeitschulischen zu dualen Modellen. Die Neustrukturierung des Übergangssystems muss die Zielsetzung verfolgen, dualen Angeboten den Vorrang vor schulischen Bildungsgängen zu geben. Damit Jugendliche angehalten werden, ernsthaft auf Ausbildungsplatzsuchen zu gehen, sollten die Anmeldungen für vollschulische berufsbildenden und befähigende Bildungsgänge an den OSZ erst nach Ausbildungsbeginn und nicht bereits parallel zu den Ausbildungsbewerbungen möglich sein.
Dass wir so viele Jugendliche im Übergangssystem auffangen müssen, darf einfach kein Dauerzustand sein. Betriebe attestieren den Jugendlichen allzu oft mangelnde Ausbildungsreife. Aber wenn wir uns einmal ehrlich machen, diese fehlende Ausbildungsreife ist schlicht dem Versagen sozialdemokratischer Schulpolitik geschuldet, denn die 23-jährige Berliner SPD-Bildungsmisere sitzt tief im Fleische Berlins. Daher sind von der SPD keine Lösungen zu erwarten, denn sie ist selbst das Problem. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine gute Ausbildung ist für den weiteren Lebensweg eines jungen Menschen von allergrößter Bedeutung. Sie entscheidet darüber, ob man eine sichere berufliche Zukunft haben kann und ob man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Letztlich entscheidet sie auch darüber, wie hoch das Risiko sein wird, arbeitslos zu werden.
Unser Ziel ist es, dass jeder junge Mensch eine gute Ausbildung bekommt. Kein Jugendlicher oder junger Erwachsener soll ohne Berufsabschluss bleiben.
Wir setzen dabei auf die Ausbildung in den Betrieben, die von der Berufsschule flankiert wird, also die sogenannte duale Ausbildung. Das ist das Modell, mit dem wir in Deutschland seit Jahrzehnten sehr erfolgreich sind, und in vielen anderen Ländern betrachtet man das als Vorbild.
Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass dieses Modell auch in Zukunft funktioniert. Darum ist es wichtig,
bestehende Probleme zu beseitigen. Die gibt es auch in Berlin. Auf der einen Seite fehlen Ausbildungsplätze. 6 700 unversorgte Bewerber standen in Berlin zum 1. September dieses Jahres 5 700 offenen Ausbildungsplätzen gegenüber.
Auf der anderen Seite fehlen in vielen Branchen aber ausreichend Bewerber. Ausbildungsplätze können nicht besetzt werden, und das verstärkt den Fachkräftemangel. Die duale Ausbildung steht zunehmend in Konkurrenz zum Studium, und es gibt Probleme mit der Ausbildungsqualität. In manchen Betrieben werden Auszubildende zu wenig gefördert, mitunter schlicht ausgebeutet. Darauf gehen die vorliegenden Anträge leider überhaupt nicht ein.
Die gute wirtschaftliche Entwicklung in Berlin wird sich nur fortsetzen, wenn wir gut ausgebildete Fachkräfte haben. Wir brauchen Krankenschwestern und Krankenpfleger, wir brauchen Installateure und Installateurinnen, und wir brauchen Elektronikerinnen und Elektroniker. Wenn wir wollen, dass Menschen sich für diese Berufe entscheiden, dann muss die Ausbildung attraktiv sein, dann müssen die Ausbildungsbedingungen stimmen. Junge Menschen wollen in der Ausbildung angemessen bezahlt und wertschätzend behandelt werden sowie gute Berufsperspektiven haben. Das sind Kriterien, nach denen sie ihre künftigen Berufe auswählen.
Die Anreize, eine duale Ausbildung zu absolvieren, müssen also verbessert werden. Imagekampagnen helfen da nicht weiter. Es geht um wirklich harte Fakten. Das fängt bei der Bezahlung an. Bei den in den Tarifverträgen vereinbarten Ausbildungsvergütungen gibt es regional doch sehr große Unterschiede. In Berlin bekommt man als KfzMechatroniker im dritten Lehrjahr zum Beispiel
690 Euro, in Baden-Württemberg hingegen 956 Euro. Und wenn ein Betrieb überhaupt keinen Tarifvertrag hat, dann liegen die Gehälter der Azubis oftmals noch weit unter diesem Niveau. Eine gesetzlich festgelegte Mindestausbildungsvergütung wäre darum ein wichtiger Schritt, um für mehr Gerechtigkeit und Sicherheit für die Auszubildenden zu sorgen.
Neben dem Geld zählt aber natürlich auch die Qualität einer Ausbildung. Wie sind denn die Arbeitszeiten, und was ist mit Überstunden? Dominieren ausbildungsfremde Tätigkeiten die Ausbildung? Wie sieht die konkrete Betreuung durch den Ausbilder im Betrieb aus? Wie ist die technische Ausstattung? Werden Perspektiven für die Zeit nach der Ausbildung angeboten? Wenn ich im Ausbildungsreport des DGB lese, dass über die Hälfte der Azubis auch nach Feierabend erreichbar sein muss und mehr als ein Drittel regelmäßig Überstunden leisten muss, dann kann von guter Ausbildung keine Rede sein.
Dann wundert es mich auch nicht, wenn das Interesse an einer dualen Ausbildung abnimmt und ein Schüler sich vielleicht für die schulische Ausbildung entscheidet.
Weitere Zielgruppen für die duale Ausbildung müssen und können angesprochen werden. Um auch mehr leistungsstarke Schüler oder Studienabbrecher für die duale Ausbildung zu gewinnen, kann die Ausbildung zum Beispiel durch integrierte Auslandsaufenthalte oder eine Fremdsprachenförderung attraktiver gestaltet werden. Es würden sicher auch mehr Studienabbrecher den Weg in die duale Ausbildung finden, wenn Studienleistungen in der dualen Ausbildung angemessen angerechnet werden würden.
Herr Abgeordneter! Es würde das Ganze wirklich erleichtern, wenn jeder auf seinem Platz sitzt und von dort die Fragen stellt!
In Berlin passiert schon eine Menge, um mehr Menschen in eine Ausbildung zu bringen. Beispielhaft seien hier nur die Jugendberufsagenturen, berufsqualifizierenden Bildungsgänge und intensive Berufs- und Studienorientierungen in den Schulen genannt. Die vorliegenden Anträge ignorieren die bestehenden Strukturen und die guten Konzepte und Modellprojekte, die sich längst in der Umsetzung befinden, leider völlig und sind ein recht willkürliches Sammelsurium. Damit allein wird man dem komplexen Thema der dualen Ausbildung nicht gerecht und macht sie weder zukunftsfester noch qualitativ hochwertiger. Viele der genannten Punkte werden in Berlin schon umgesetzt oder wurden nach intensiver Diskussion aus guten Gründen verworfen. Die von mir genannten Probleme kommen in den Anträgen zu kurz. Aber: Als Anlass, um für duale Ausbildung zu werben, erneut alle Beteiligten an ihre Verantwortung zu erinnern und tatsächlich die bestehenden Probleme anzugehen, sind sie willkommen und Anlass, uns in den Ausschüssen erneut intensiv mit der dualen Ausbildung zu beschäftigen. Das werden wir tun!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Berlin fehlen derzeit 121 000 Fachkräfte. Millionen und Millionen von Euro Umsatz können nicht getätigt werden, weil Fachkräfte fehlen. Schulen können nicht modernisiert werden, weil Fachkräfte fehlen.
Und was uns fehlt, sind Auszubildende, ausbildungsfähige Auszubildende oder Personen, die sich überhaupt bewerben. 40 Prozent der Unternehmen – fast jedes zweite! – waren nicht in der Lage, eine angebotene Ausbildungsstelle zu besetzen, auch die Unternehmen, die extrem teuer bezahlen, die extrem qualifizierte Ausbildungen anbieten und extrem hohe Ausbildungsvergütungen leisten. Dass sie die Stellen nicht besetzen konnten, liegt nicht daran, dass die Unternehmen alle bekloppt sind oder zu schlecht bezahlen. Das gilt ja auch für die öffentliche Hand, für Polizisten oder Feuerwehrleute, die auch nicht eingestellt werden können, weil sie sich nicht bewerben.
Die CDU sieht dies als ein deutlich wirtschaftspolitisches Problem an, und deswegen bin auch ich als Wirtschaftspolitiker hier. Die CDU will, dass anerkannt wird, dass die teilweise dreijährige duale betriebliche Ausbildung in Deutschland in weiten Bereichen bezüglich der Abschlussqualifikation genau dem entspricht, was die OECD als Abitur in anderen Ländern fordert. Insofern ist der Akademisierungswahn, den wir haben, mit dem Ziel einer Maximierung der Abiturquote in Deutschland, völlig verfehlt.
Eine duale betriebliche Ausbildung entspricht in weiten Bereichen dem, was das Abitur in anderen Ländern hat. Die CDU will den Fachkräftemangel beheben, indem die duale Ausbildung im Betrieb klare Priorität vor vollschulischen Ausbildungsgängen im Oberstufenzentrum erhält. Die CDU will, dass die Kapazitäten an den Oberstufenzentren sehr eng mit dem Handwerk und der Industrie abgestimmt werden. Die CDU will, dass die Oberstufenzentren nicht das Ziel haben, möglichst lange möglichst gut ausgelastet zu sein, möglichst stabile Lehrpläne oder starre Stundenpläne zu haben. Vielmehr sollen die OSZ das Ziel haben, die Schüler so schnell wie möglich wieder loszuwerden, hinein in eine duale Ausbildung in der Wirtschaft, denn dort gehören die Menschen hin.
In den Bereichen, wo Personen in den Oberstufenzentren ohne einen Schulabschluss beschult werden, brauchen wir Talentscouts. Da brauchen wir Leute, die gucken, welche
Fähigkeiten diese Personen haben – unabhängig vom Schulabschluss, unabhängig von den Deutschkenntnissen –, die sie in die Lage versetzen, in einem Industrie- oder in einem Handwerksunternehmen, in der klein- oder mittelständischen Wirtschaft anzukommen. Dahin haben wir diese Personen so schnell wie möglich zu befördern. Das ist gut für das Land, das ist gut für die Menschen.
Die CDU will, dass die Anmeldefristen für die Ausbildung an den Oberstufenzentren deutlich hinter dem Beginn des Ausbildungsjahres in der dualen Ausbildung liegen. Heute kann sich ein Schüler in der Schulpause per App schon mal bei einem OSZ anmelden oder sich gemeinsam mit seinen Eltern von der Wohnzimmercouch aus per Internet anmelden. Da ist er das lästige Bewerbungsschreiben, dieses lästige Darstellen im Lebenslauf, die lästigen Gespräche bei Firmen, das lästige Bewerben bei Unternehmen los. Dann hat er nach den zehn Schuljahren einen ganz smoothen Übergang ins Rest des Lebens. Das kann nicht unser Ziel sein. Wir müssen die Leute in die Unternehmen bekommen.
Heute liegt das Durchschnittsalter von Personen, wenn sie eine duale Ausbildung beginnen, bei 21,4 Jahren. Ich wiederhole, anders formuliert: Ein durchschnittlicher Schüler verlässt die Sekundarschule im Alter von 16 Jahren. 21,4 Jahre alt sind die Personen in Berlin im Durchschnitt, wenn sie ihre Ausbildung in einem Unternehmen beginnen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie dennoch bereit sind, auch die nicht von meinem Platz ausgehende Wortmeldung zu berücksichtigen! – Herr Kollege! Können Sie mir erklären, warum Sie die OSZ so darstellen und so schlechtreden und dabei zum Beispiel völlig außen vor lassen, dass die OSZ zum Teil auch Produktionsschulen sind, die erfolgreich unter anderem Menschen in den Bauhaupt- und Baunebengewerben ausbilden, ganz regulär nach den Vorschriften, die auch für jede betriebliche Ausbildung gelten, und dass sie damit wesentlich dazu beitragen, Fachkräftesicherung zu betreiben, wie das die Unternehmen in diesem Ausmaß überhaupt nicht mehr tun?
Frau Schillhaneck! Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Frage, weil sie mir verdeutlicht, dass ich offensichtlich einen falschen Akzent gesetzt habe. Diese Oberstufenzentren machen eine hervorragende Arbeit, sie erbringen tolle Leistungen, sie nehmen viele Personen auf, holen sie dort ab, wo sie sich befinden. Sie haben häufig qualifizierte Lehrer, die haben sehr qualifizierte und sehr ausgefeilte Bildungsprogramme, aber sie bergen eben auch die Gefahr, dass man von einem Bildungslehrgang in den nächsten Bildungslehrgang hineinhoppelt, dass man von der einen Anschlussqualifikation in die nächste Übergangsmaßnahme hineinhoppelt. Es ist sozusagen kein Zufall, dass die Personen im Durchschnitt erst 5,4 Jahre nach Abschluss ihrer Schullaufbahn in einer dualen Ausbildung ankommen. Das ergibt sich nicht von allein, sondern es ist eben so, dass viele Personen, auch wenn sie in OSZs sind, erst einmal wahrnehmen, dass Sie sich weiter beruflich orientieren müssen, dass sie immer noch nicht so weit sind, den harten Weg in eine berufliche, duale Ausbildung zu gehen. Das kann es nicht sein! Wir müssen den Personen aus den OSZ den Weg hinein in die duale Ausbildung eröffnen, hinein in die Unternehmen, wo sie hingehören.