[Beifall bei der AfD – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wir danken auch! – Katrin Schmidberger (GRÜNE): Danke für das Kompliment!]
In den innerstädtischen Lagen explodieren die Gewerbemieten. Das Mietrecht sieht leider keinerlei Schutz für Gewerbe oder Einzelhandel vor, was besonders Klein- und Mittelbetriebe oft an den Abgrund bringt. Dem privaten Wohnraum wird im Mietrecht ein existenzieller Schutz zuerkannt, der gewisse Einschnitte in die Rechte des Eigentümers erlaubt. Diese Logik muss auch auf den Mietenmarkt für Gewerbe und Einzelhandel übertragen werden.
Wenn ein Vermieter einen Reibach machen will und deswegen den Gewerbetreibenden oder den Einzelhändler an die Luft setzt, dann haben wir es mit einer existenziellen Bedrohungslage zu tun, die vermieden werden muss.
Herr Gräff! Die CDU gibt gerne vor, dass gerade Klein- und Mittelbetriebe ihr besonderes Klientel sei. Das halte ich für pure Heuchelei. Sie blockiert nicht nur seit Jahren die Stärkung des Mieterschutzes im Bund, sondern hält alle Eingriffe in die Eigentumsrechte für pures Teufelswerk. Es sei noch mal daran erinnert, dass CDU-Bürgermeister Diepgen 1992 einen Gesetzentwurf
in den Bundesrat einbrachte, der einen Schutz des Gewerbes vor existenzgefährdenden Kündigungen und extremen Mieterhöhungen forderte – also das, was Sie eben als Quatsch bezeichnet haben.
Sie haben ja gesagt, solche Initiativen sind Quatsch. Der Bundesrat hat diesem Ansinnen zugestimmt, aber die CDU-FDP-Regierung im Bund hat es dann 1993 leider abgelehnt.
Die Preisexplosionen bei Gewerbemieten zerstören bereits jetzt viele Kiezstrukturen. Ich lebe in Kreuzberg, wo täglich kleine Geschäfte der boomenden Tourismusversorgung weichen müssen.
Gewerbetreibende machen dort laut auf sich aufmerksam – wie Sie hier auch –, da sie um ihren Standort fürchten. Der Druck auf wohnortnahe Gewerbestrukturen wird massiv verstärkt, wenn zudem internationale Konzerne – meist Tech-Firmen – in die hippen Innenstadtviertel einbrechen. In Kreuzberg droht der Google-Campus, den keiner will, denn Google ist kein guter Nachbar. Erfahrungen anderer Städte zeigen, dass solche Ansiedlungen in den Kiezen extreme Verdrängungsprozesse nach sich ziehen.
Es ist naiv, anzunehmen, dass in der Ohlauer Straße noch der Handydoktor oder der Plattenladen ihre Dienste anbieten oder der Blumenladen, das kleine Theater oder die Handwerksbetriebe für Installation und Heizungsbau noch existieren werden, wenn Google kommt.
Sie sind ja bestimmt Handwerksfreunde. Wer ja zum Google-Campus sagt, der sagt auch den ansässigen Gewerbetreibenden und Einzelhändlern: Macht euch vom Acker!
Nein! – Alarmierend ist die Verdrängung sozialer Einrichtungen. Das wurde ja bereits mehrmals erwähnt. Dass Eigentum auch verpflichtet, wird konsequent ignoriert. Obwohl der Staat einen Versorgungsauftrag hat – sei es für Kitas oder Heimplätze –, werden den Trägern reihenweise die Räume entzogen.
Das ist ein unhaltbarer Zustand, der nach Abhilfe schreit, und der hat sehr wohl etwas damit zu tun, dass es kein Mietrecht für Gewerbe gibt, Herr Gräff, denn die sozialen Träger fallen darunter.
Wir haben in unseren Anträgen Schutzmaßnahmen für Gewerbe, Einzelhandel und soziale Träger vorgelegt. Wir wollen den Milieuschutz auch auf Gewerbe ausweiten, damit wohnortnahe Versorgungstrukturen geschützt werden – und damit auch die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Die Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum soll den Vorgaben des Milieuschutzes folgen. Berlin soll Schutz für Gewerbe und soziale Träger bieten und eigene Unternehmen stärker in dieses Ziel einbinden. Um die Existenz von kleinen und mittleren Betrieben zu sichern, brauchen wir auch für Gewerbe ein Mietrecht, das einen Kündigungsschutz beinhaltet, verbindliche Gewerbemietspiegel vorsieht und eine Regelung für Mietobergrenzen.
Wenn wir den Markt nicht regulieren, gilt das Recht des Stärkeren – seine Interessen, sein Geld, woher es auch immer kommt.
Es ist unsere Entscheidung, ob wir selbst bestimmen wollen, wie sich die Stadt entwickelt, oder ob wir das den Renditejägern überlassen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war die klassenkämpferischste Rede, die ich seit Langem in diesem Haus gehört habe.
[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Die halten Sie doch jetzt!]
Wer wissen will, wo die Linkspartei steht: Dass Sie sich als Antiwirtschaftspartei positioniert haben, ist heute eindrucksvoll belegt worden.
Auch Herr Albers ist jetzt wieder wach. Guten Morgen! Herr Albers! Wenn Sie sich mit mir unterhalten wollen, dann drücken Sie auf das Knöpfchen. –
Das war wirklich eine Absage an die Zukunftsfähigkeit des Standortes Berlin. Wer wissen will, warum Berlin als wirtschaftsfeindlich wahrgenommen wird, der sollte Ihrer Rede zugehört haben. Das war schlimm.
[Beifall bei der FDP und der CDU – Bravo! von der FDP Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Für solche Reden haben wir doch Sie!]
Es würde mich auch interessieren, wie die Frau Wirtschaftssenatorin und die wirtschaftspolitischen Sprecher der rot-rot-grünen Regierungsfraktionen zu diesen Aussagen stehen. Ich hatte immer verstanden, dass das Google-Campus begrüßt wird, aber jetzt hören wir hier von der Linkspartei: Nein, das sind diejenigen, die Gewerbe kaputtmachen. – Unglaublich, wie Sie bei einem einzigen Haus, das da in Friedrichshain-Kreuzberg steht, wo 50 Arbeitsplätze geschaffen werden können – Gott sei Dank! –, eine Bedrohung der kleinen und mittleren Unternehmen sehen wollen.
Dabei ist klar: Es ist eine komplizierte Daueraufgabe, eine ausgewogene Gewerbestruktur hinzubekommen. Da gibt es auch Spannungen. Das will ich hier gar nicht bestreiten. Es gibt gerade in einer dynamischen Stadt wie dieser sich ändernde Bedürfnisse, wir haben auch sich ändernde wirtschaftliche Prozesse, und das führt zu Spannungen. Jeder hat auch ein anderes Bild von dem Thema „Berliner Mischung“. Das ist ja nicht ganz gleich,