Protocol of the Session on September 27, 2018

Nein, ich bin ja immer noch nicht bei meinem Thema. –

[Lachen bei der AfD und der FDP]

Das heutige Thema animiert dazu, dass die Regierung und die Koalition eine gute Entwicklung der letzten Jahre abfeiern und dass die Opposition angeblich wirtschaftsfeindliche Maßnahmen dieser Regierung angreift, die glücklicherweise noch nicht den positiven Trend haben stoppen können – das hatten wir jetzt erlebt –, weil die eigenständigen Leistungen der Wirtschaftsakteure so robust sind. Alles könnte aber noch viel besser aussehen. – Beides ist falsch, wie ich Ihnen gerne nachweisen würde. Senat und Koalition sind dabei, einen erfolgreichen Weg für eine weitere positive wirtschaftliche Entwicklung fortzusetzen, aber wir können uns angesichts der Herausforderungen nicht zurücklehnen. Wir müssen gerade durch notwendige Richtungsentscheidungen und Vorgaben eine nachhaltige Entwicklung privater Akteure fördern.

Beispiel: Siemens. Montag hat uns die schon länger erwartete Entscheidung erreicht, dass 700 Industriearbeitsplätze in der Turbinenfertigung in Berlin verlorengehen werden. Das ist die Folge auch einer notwendigen politischen Richtungsentscheidung, dass die Energiegewinnung immer stärker auf regenerative Energieträger umgestellt wird. Der Reflex der Rechtsaußen-Opposition – wusste ich schon vorher – ist dann, dass einfach Klimawandel und der Anteil des Menschen daran negiert wird, als ob die Freisetzung von Jahrtausende Jahre gebundenem CO2 keine Folgen hätte. Der dringend notwendige sozialökologische Umbau ist aber für uns eine Chance, mit innovativen Lösungen neue Herausforderungen zu bestehen und damit mehr als die weggefallenen Arbeitsplätze dauerhaft aufzubauen. Dazu wollen wir Konzerne wie Siemens, aber auch General Electrics, bei denen ähnliche Entscheidungen anstehen, mitnehmen. Deshalb ist es auch gut, dass unter tätiger Mithilfe des Senats Standortschließungen abgewendet wurden und Pläne für ein Innovationszentrum vorangetrieben und gefördert werden. Deutschland hinkt in der Erreichung seiner Klimaziele hinterher, und Berlin hat mit dem Berliner E

nergie- und Klimaprogramm, – – Bitte keine Zwischenfragen! Ich habe jetzt schon so viel Zeit verloren. –

[Heiko Melzer (CDU): Sind Sie immer noch nicht beim Thema?]

Sie hatten das bisher nicht in der Deutlichkeit gesagt.

mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung, mit dem Ausbau seines eigenen Stadtwerks, mit dem Mobilitätsgesetz und vielem mehr Grundlagen gelegt, auch hier Vorreiter zu werden. Die Vorgaben und finanziellen Mittel, die für diese Vorhaben aufgewendet werden, sind keine wirtschaftlichen Hindernisse, sondern Motor für wirtschaftliche Impulse, für eine nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Beschäftigung in Berlin.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und dabei kann Berlin seine Stärken ausspielen. Die liegen ja bekanntlich nicht darin, dass wir über natürliche Rohstoffe verfügen, schon gar nicht über Braunkohle. Die liegen in den Menschen in dieser Stadt und in Menschen, die diese Stadt auch international anzieht.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]

Fast 190 000 Studierende, 25 000 Wissenschaftlerinnen, oft auch aus anderen Ländern, und allein in den Hochschulen knapp 2 Milliarden Euro Mittel jährlich für die Wissenschaft in Berlin – das ist der Humus, in dem Innovationen entstehen können.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Könnten!]

Wirksam wird dieses riesige Potenzial aber erst im Zusammenspiel. Es war gerade noch rechtzeitig Anfang der 2000er-Jahre, nach langen Jahren des Schrumpfens des verarbeitenden Gewerbes, dass die Politik und die Öffentlichkeit ihre Industriefeindlichkeit der 1990er-Jahre überwunden hat. Seitdem wird eine korrespondierende Industriebasis gepflegt und entwickelt, die in einem Geflecht zwischen wissenschaftlichen Impulsen, daraus erwachsenden Start-ups, wachsenden industriebezogenen Dienstleistungen ihren Platz gefunden hat. Mit Clusterung wurden die Stärken der unsere Industriestruktur prägenden Bereiche gebündelt und für die Vernetzung geordnet. So wurden Grundlagen gelegt, dass innovative Gründungen aus Hochschulen heraus in unserer Stadt ein Wirtschaftsfaktor werden konnten. Mehr als 600 ausgegründete Unternehmen machten im Jahr 2015 etwa 3 Milliarden Euro Umsatz und stellten 22 000 vor allem hochqualifizierte Arbeitsplätze zur Verfügung. Die Gründungsneigung aus unseren Hochschulen ist die höchste in der Bundesrepublik. Immer stärker spielen digitale Dienstleistungen und Produkte dabei eine Rolle. Wer Geld in Hochschulen und Wissenschaften investiert, der bekommt dafür viel zurück.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Besonders sichtbar werden die fruchtbaren Beziehungen zwischen Wissenschaft und Innovationstätigkeiten an den Zukunftsorten der Stadt, allen voran Orte wie der Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof. Gerade der Mix aus Universität, Forschungsinstituten, Start-ups, Industrie und Hightech erzeugt ein kreatives Klima, in dem neue Ideen in die Praxis kommen. Diese Orte sind mittlerweile Hotspots wirtschaftlicher Entwicklung der Stadt.

Der Platz an Gewerbeflächen, aber auch für die notwendigen Infrastrukturen wird knapp. Neue Orte wie die Urban-Tech-Republic auf dem Gelände des Flughafens Tegel oder der Clean-Tech-Park in Marzahn werden dringend gebraucht, um weiteren Entfaltungsraum wie in Adlershof zu schaffen. Auch trotz des enormen Drucks, Wohnungsbaupotenziale in der ganzen Stadt zu akquirieren, müssen wir weiter Entwicklungsräume für die Wirtschaft sichern. Im Übrigen ist das auch Ziel der Ankaufsstrategie, Herr Gräff, die der Senat verfolgt, genau diese Räume dann auch insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen zur Verfügung zu stellen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vergleicht man Berlin mit Innovationsstandorten in der Bundesrepublik, dann fällt neben dem Schwerpunkt Digitalisierung, der Bedeutung der Wissenschaft vor allem die kleinteilige Wirtschaftsstruktur auf, die zum Teil aufgezwungen wurde, aber heute auch eine der Stärken ist. In Berlin – das muss man deutlich sagen – wird die Innovationstätigkeit stark von Klein- und Mittelbetrieben getragen. Während bundesweit knapp 15 Prozent der Ausgaben für Innovationstätigkeit von Klein- und Mittelbetrieben getätigt werden, sind es in Berlin 26 Prozent. Hier spielt wiederum der Dienstleistungsbereich eine große Rolle. Die Innovationserhebung der Technologiestiftung kam zu dem Ergebnis.

Die Investitionsbank Berlin passt ihre Förderprogramme immer wieder entsprechend an, um Start-ups und Klein- und Mittelbetriebe mit Kapital zu versorgen. Wahrscheinlich werden wir auf diesen Bereich noch mehr Aufmerksamkeit legen. Der Anteil der Förderung von Großunternehmen ist trotz schleppender Innovationsneigung im Vergleich deutlich höher.

Ich konnte mich auf Besuchen in Industriebetrieben, z. B. dem Netzwerk Motzener Straße, selbst überzeugen, welche Innovationsanstrengungen und Flexibilität KMU entwickeln, in speziellen Nischen oft konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt sind. Es freut mich daher, dass neben den Zukunftsorten der Masterplan Industrie auch einen stärkeren Bezug auf die Klein- und Mittelbetriebe nimmt und bessere Hilfestellung für Innovationsanstrengungen entwickelt werden sollen, wie sie mit der Digitalagentur

schon in die Richtung gekommen sind. – Jetzt habe ich am Anfang zu viel Zeit verloren und muss mir den Rest des Textes sparen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Das ist auch gut so!]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Swyter das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir freuen uns ja, wenn Sie unseren Titel übernehmen: „Die Chancenstadt Berlin – starker Wirtschaftsstandort durch Innovation“.

[Antje Kapek (GRÜNE): Was?]

Wir freuen uns, wenn unser Optimismus auch Sie inspiriert, zumindest was Ihre Überschriften betrifft. Leider muss ich allerdings sagen, nach diesen drei Reden bleibt das alles hinter dem zurück, was Sie sich wahrscheinlich selbst versprochen haben. Wir haben eine Marketingrede gehört, die war ungefähr so spannend wie ein Marketingfilm einer Kleinstadt. Zum Thema Wirtschaftsförderung – nach einer Minute, Frau Ludwig, waren wir schon bereit abzuschalten. Sie haben über Erfolge gesprochen, die mit Ihnen nichts zu tun haben.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Dann haben wir danach noch eine mehr lustlose Rede gehört vom wirtschaftspolitischen Sprecher der Sozialdemokraten. Und danach haben wir noch den antiwirtschaftspolitischen Sprecher der Linksfraktion gehört,

[Heiterkeit bei der FDP und der AfD]

der bis zum Schluss nicht in seine Rede gefunden hat.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Sebastian Walter (GRÜNE)]

Wir haben uns natürlich mehr dabei gedacht. Wir hatten uns übrigens – und mit Timing haben Sie es nicht – damals vor zwei Wochen auch was gedacht, warum wir diesen Titel gebracht haben. Das hing mit unserem Dringlichkeitsantrag zu Siemens und zum Innovationscampus mit Siemens zusammen. Das war der Anlass, warum wir das vor zwei Wochen als Aktuelle Stunde aufgesetzt hatten – das war die Chance, die sich geboten hatte, dass wir als Abgeordnetenhaus ein klares Signal setzen, um für den Innovationscampus, für Siemens zu werben. Ich weiß, dass der Senat seine Bemühungen hat, aber es wäre umso richtiger gewesen, für den Innovationscampus auch vom Abgeordnetenhaus ein klares Statement zu beschließen. Warum haben Sie es nicht getan? Warum vertagen Sie das wieder in den Wirtschaftsausschuss? Das hätte

man gleich beschließen können. Da stand nun wahrlich nichts drin, was den Interessen dieser Stadt entgegengestanden hätte.

[Beifall bei der FDP]

Jetzt gibt es schon eine Zwischenfrage. – Bitte!

Herr Kollege Jahnke möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Die lassen Sie zu. Habe ich Sie richtig verstanden?

Na klar, ja, ja!

Bitte schön, Herr Kollege Jahnke!

Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass ich in meiner Rede, die Sie als lustlos abqualifiziert haben, gerade Siemens und die Vorhaben zur Innovation dort als einen Schwerpunkt erhoben habe?

[Lachen bei der AfD und der FDP]

Herr Jahnke! Mir ist aufgefallen, dass Sie die eine Seite von Siemens vergessen haben, nämlich das Management.

[Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Deswegen habe ich Sie noch mal daran erinnert. Tatsächlich gibt es gar keinen Dissens hier im Haus. Es wäre die Chance gewesen – und das ist eben die vertane Chance, wir reden hier über viele vertane Chancen –, vor zwei Wochen mit einem Dringlichkeitsantrag klarzumachen: Wir wollen den Innovationscampus von Siemens hier haben. – Und alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus hätten das unterstützen können.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Gräff (CDU) und Christian Buchholz (AfD)]

Übrigens: Auch was den Antrag zum Stellenabbau bei Siemens betrifft – ist ja gerade ganz aktuell –, auch dort haben wir mit einem Änderungsantrag deutlich machen wollen: Wirtschaftsförderung geht nur mit der Wirtschaft, miteinander und nicht gegeneinander. – Deswegen haben wir dort auch darauf Wert gelegt, dass Ihr Antrag geändert wird. Leider haben Sie es nicht getan.

Berlin bietet viele Chancen, so viele Chancen wie kaum eine andere Stadt in dieser Republik. Sie haben jetzt schon alles aufgezählt, die ganzen Erfolge und die In

(Harald Gindra)

novation und Dynamik dieser Berliner Wirtschaft – alles ohne Ihr Zutun!

[Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Wir kommen auch dazu, dass es eben nicht reicht, über das Vergangene zu schwadronieren und sich dafür feiern zu lassen, sondern wir reden ja darüber, dass Berlin trotz allem noch einen gewaltigen Aufholbedarf hat. Wir sind immer noch im letzten Drittel. Oder wollen Sie sich damit abfinden und sagen, wir sind gut unterwegs? Nein, wir sind immer noch im letzten Drittel bei allen wesentlichen wirtschaftlichen Kenndaten dieser Republik.