Protocol of the Session on September 27, 2018

[Mario Czaja (CDU): Na, na, nicht so frech!]

Dazu will ich jetzt noch etwas sagen, zu klugen städtebaulichen Konzepten. Die sind immer historisch eingebettet. Jede Zeit hat kluge städtebauliche Konzepte,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Nicht jede! – Weitere Zurufe von der AfD]

und es ist daran, dass wir jetzt auch mal wieder zu zeitgemäßen klugen städtebaulichen Konzepten zurückkommen.

Deswegen möchte ich ganz kurz gerne ein bisschen Nachhilfe in Stadtbaugeschichte geben, die der CDU hier offensichtlich abhandengekommen ist. Das Haus der Statistik ist Teil des DDR-Städtebaus zur Umgestaltung des Alexanderplatzes und wurde in den Jahren 1968 bis 1970 nach Plänen des Architektenkollektivs Manfred Hörner, Peter Senf und Joachim Härter errichtet.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Macht es nicht besser! – Christian Buchholz (AfD): Ein Kollektiv!]

Ein Kupferrelief von Fritz Kühn widmet sich der Entwicklung des mathematischen und technischen Denkens und schmückt den Haupteingang. Im Gebäudeinneren befand sich das Wandgemälde – Herr Evers hat es schon gesagt – „Lob des Kommunismus“ von Ronald Paris.

[Lachen bei der AfD]

(Harald Laatsch)

Die angrenzenden Gebäudekomplexe Haus des Lehrers und Haus des Reisens sowie das Haus des Berliner Verlages – da müssen Sie sich nicht totlachen, das ist so – befinden sich bereits unter Denkmalschutz, und das ist sehr, sehr gut.

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Der CDU-Antrag zeugt davon, dass der Denkmalwert der Architektur der Sechzigerjahre und Siebzigerjahre in Ost und West in dieser Fraktion noch nicht erkannt worden ist und die Fachwelt der Berliner CDU um Frau Grütters um Schritte vorauseilt.

[Mario Czaja (CDU): Ich glaube, die Rede ist noch von dem Holm!]

Sie hatten – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Christian Buchholz?

Och, nein, bitte nicht. – Sie haben eben ein Verständnis von Baukultur des Barock, die Moderne ist Ihnen offensichtlich entgangen.

[Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der AfD]

Der Antrag tut auch so, als hätte es die Initiative zum Haus der Statistik überhaupt nicht gegeben. Das ist ein eigentümliches Verständnis von Wertschätzung zivilgesellschaftlichen Engagements, das dem Antrag entspringt. Die Initiative setzt sich mit riesigem Engagement für die Entwicklung des Areals als Zentrum für Geflüchtete, Soziales, Kunst und Kreative ein. Und zu Recht steht an der Fassade gerade „Stop wars on migration!“ Super Sache!

[Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der AfD: Oh, nein!]

Die Linksfraktion hat also immer wieder gesagt, wir wollen kein reines Ämterzentrum, wir brauchen eine kreative Mischung. Die Verwaltung darf hier nicht den überwiegenden Nutzungsanteil ausmachen.

[Mario Czaja (CDU): Ich weiß nicht, was in Ihrer Tasche ist, ist wohl Cannabis!]

Ach, Frau Präsidentin! Haben Sie diesen Zwischenruf wahrgenommen? Der Abgeordnete Czaja hat mir unterstellt, ich hätte Cannabis in meiner Tasche. Das könnte man noch mal diskutieren, nicht wahr?

[Daniel Buchholz (SPD): Er meint wohl sich selbst! – Unruhe]

Kommen wir zurück zum Nutzungsmix und zum Nutzen für die Verwaltung. Wir hatten zwischendurch einen Antragsentwurf ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Der hat sich aber inzwischen tatsächlich erledigt. Der wurde

von der Zeit sozusagen überlagert. Es ist gut, dass der Senat jetzt handelt. Es gab neulich schon die große öffentliche Werkstatt. Ich freue mich, dass das jetzt tatsächlich mit tätigem Handeln vorangeht.

[Lachen von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Ich kann wirklich nur die schwache Performance, die Geschichtsvergessenheit der CDU an dieser Stelle noch einmal betonen. Will nur sagen, auch die BIM hat baukulturell lobenswert einen Fassadenwettbewerb ausgelobt. Gesucht wurde eine gestalterisch anspruchsvolle Lösung, um ein Konzept für die Fassadengestaltung und Sanierung zu entwickeln. Die Gewinner des Wettbewerbs wurden im Juli gekürt. Und die Wettbewerbsjury entschied sich für den Entwurf des Berliner Architekturbüros de+ Architekten, der eine moderne Wiederherstellung der Fassade vorsieht.

Kurz und gut, Sie machen Schaufensterpolitik und wollen Ihren Markenkern bis zum Kitsch überformen. „Bauen, bauen, bauen“ wird hier zu „Neubau über alles“ und „Abriss first“. Das ist geschichtsvergessen und apolitisch, CDU eben. Stadtbaugeschichte ist aber Gesellschaftsgeschichte.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Aber nicht die!]

Deshalb mehr Haus der Statistik als Schlossattrappe. Und nehmen Sie Ihre Wippe gleich mit! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der FDP spricht jetzt der Abgeordnete Herr Förster. – Bitte schön!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Da freue ich mich jetzt drauf! – Zuruf von Karsten Woldeit (AfD) – Mario Czaja (CDU): Schön gelb, die Krawatte! – Weitere Zurufe von der AfD]

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass mir Frau Gennburg den geschichtlichen Exkurs weggenommen hat. Zumindest was das Pädagogische betrifft, ticken wir manchmal ähnlich.

[Beifall von Katalin Gennburg (LINKE): So ist es! – Lachen bei der AfD]

Ich wollte auch gerade noch ein paar geschichtliche Ausführungen zum Alexanderplatz machen. Aber dann beschränke ich mich erst einmal auf die literarischen Ausführungen. Das muss sein, ein bisschen Poesie am Anfang, damit wir gemeinsam unser Wissen erweitern können.

[Andreas Otto (GRÜNE): In Reimform bitte!]

(Katalin Gennburg)

Nein, das heute nicht, aber da gibt es bestimmt den nächsten AfD-Antrag, wo es sich wieder einmal lohnen würde.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ich arbeite daran, Kollege!]

Wir haben diesen wunderbaren Roman „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin, 1929 erschienen, mit dem Untertitel „Die Geschichte vom Franz Biberkopf“. Da ist der Alexanderplatz städtebaulich in allen Facetten drin, ein wunderbares Buch, kann man nur als Lektüre empfehlen. Vor allen Dingen, das Buch zählt zu den Hauptwerken der deutschen Moderne und zeichnet sich durch einen innovativen Aufbau, eine expressive Sprache und poetische Erzähltechnik aus. Alles drei kann man von dem CDU-Antrag jedenfalls nicht behaupten, das kann man erst einmal am Anfang feststellen.

[Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der LINKEN und den GRÜNEN]

Aber jenseits dieses formalen Mangels, was die Abfassung dieses Antrags betrifft und was der Leseverständlichkeit nicht gerade zuträglich ist,

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

ist die Diskussion um das Haus der Statistik eine, die seit 25 Jahren anhält. Da muss man auch einmal in Richtung CDU sagen: In der Zeit, in der Sie in Berlin regiert haben, auch in Mitte durchaus mitregiert haben, hätten Sie theoretisch das Haus längst abreißen können, wenn es doch so lange leer stand. Heute Rot-Rot-Grün an dieser Stelle vorzuwerfen, dass sie es in den letzten zwei Jahren nicht sinnvoll genutzt haben, ist ein Stück weit Dialektik, Sie hätten doch längst handeln können an der Stelle. Das muss man in der Tat auch mal sagen.

[Beifall bei der FDP und bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es geht auch gar nicht darum, ob das Haus schön oder hässlich ist. Schön oder hässlich ist jedenfalls keine Kategorie, um Architektur zu beurteilen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Doch, natürlich!]

Nein, wenn es denn eine Kategorie wäre, und wenn man hier auch sagt, zu groß gedacht und zu schlecht gemacht – ich zitiere gerade den Kollegen Evers – oder von „sozialistischer Retroromantik“ und Ähnlichem spricht, hässliche Gebäude haben wir in beiden Hälften der Stadt. Mit dieser Begründung könnte man auch das ICC abreißen.

[Zuruf von Carola Bluhm (LINKE)]

Das muss man mal ganz klar sagen. So brauchen wir nicht zu argumentieren.