und befinden uns trotzdem noch auf einem PlasticHighway to Hell. – Herr Pazderski, Seien Sie doch nicht so patzig, weil Ihre Fraktion Sie nicht hat reden lassen!
Doch! – Ich glaube, das Problem liegt nicht nur im Unwissen. Es liegt auch nicht nur im Kapitalismus, nicht nur bei der Plastikindustrie und auch nicht nur in unserer Bequemlichkeit. Am Beispiel Coffee-to-go-Becher, ein kleines Problem, aber das gehen wir jetzt an, lässt sich gerade anhand eines aktuellen Forschungsvorhabens in Großbritannien zeigen: Es braucht eine Kombination. Es
braucht mehrere Sachen: Informationen, Anreize, aber auch Abgaben. Und so ist es halt in dieser ganzen Abfallpolitik, von Sperrmüll, Mülltrennung bis hin zur Plastikverpackung. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, und deshalb bekommt Berlin heute das Leitbild Zero Waste.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag setzen wir auf etwas, was unsere Stadt schon kann. Wenn man in 2010 im Internet „Zero Waste“ und „Berlin“ eingegeben hat, hat man ungefähr 40 000 Treffer erhalten. Heute sind es 3,5 Millionen. Die Start-ups in dieser Stadt entwickeln modische Taschen aus Lkw-Planen und Kompostwindeln. In Kreuzberg haben wir den wirtschaftlich gut laufenden Laden Original Unverpackt, der weltweit Nachahmer findet.
Die BUND-Jugend macht ganz wunderbare PlasticAttack-Aktionen, in Neukölln soll ein Haus der Kreislaufwirtschaft entstehen. Hier in unserer Stadt passiert im Bereich Abfallvermeidung und Zero Waste wahnsinnig viel. Darauf wollen wir als Koalition aufbauen. Deshalb fordern wir die Umweltsenatorin auf, ein Aktionsprogramm Zero Waste zu machen. Deshalb haben wir fast 1 Million Euro für genau diese Akteure im Haushalt bereitgestellt – für Second Hand Tausch- und Leihläden, Food- oder Tool-Sharing, Refill, Recup, Repair, Remap. Es gibt so viel. Diese Akteure sind für die moderne Abfallpolitik das, was die Schönauer Stromrebellen für die Energiewende waren. Sie inspirieren uns und zeigen, dass es geht.
Zu guter Letzt lassen Sie mich sagen: Ich freue mich. Auch in diesem Parlament geht manchmal etwas. Wir haben im Umweltausschuss über den Antrag zu Zero Waste City inhaltlich gestritten. Wir haben die Köpfe mit der Opposition zusammengesteckt und ihn einstimmig beschlossen. Das ist angesichts der Aktuellen Stunde die beste Lehre, die man ziehen kann: Alleine sucht man vielleicht den Schuldigen, Lösungen findet man gemeinsam. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Liebe Gäste! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Herr Kössler! Sie sagten gerade,
manch einer komme aus einer spießigen Kleinstadt. Sie definierten das ein Stück weit negativ. Solle ich Ihnen was sagen? – Ich komme aus einer spießigen Kleinstadt. Und ich sage Ihnen noch was: Mir gefällt auch eine spießige Kleinstadt, wo man im Rahmen einer WG nicht auf die Straße gehen muss,
seinen Sperrmüll hochträgt und ihn dann dementsprechend nutzt, wie Sie es getan haben. Nein, meine Damen und Herren! Das, was Sie als spießig empfinden, das empfinden wir als sauber, reinlich und ordentlich.
[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Steffen Zillich (LINKE): Dann ist das ja schon mal klargestellt!]
Gut, ne? – Herr Kollege Freymark! Ich danke Ihnen sehr für die engagierte Rede. Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie unser Thema befürworten. Ich stelle mir aber schon die Frage, warum Sie dann unsere Aktuelle Stunde abgelehnt haben, wenn es doch so ein wichtiges Thema ist. Diesen kleinen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen. Dennoch vielen Dank für Ihre engagierte Rede!
[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Sven Kohlmeier (SPD): Großartig! – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]
Wir fordern eine Null-Toleranz-Politik für Berlin. Wir fordern diese, um der zunehmenden Verwahrlosung entgegenzuwirken. Wie kann man das verstehen? Wie kann man das begreifen? – Dazu hilft ein Blick in das New York der Achtzigerjahre. Damals sah New York wie folgt aus: Es gab Höchstzahlen diverser Kriminalitätsbereiche, Höchstzahlen an Mord, Gewalt, Vergewaltigungen, Prostitution, Drogen sowie Verwahrlosungen am laufenden Band und überall sichtbar.
Dann gab es den Kriminologen Kelling und den Politikwissenschaftler Wilson, die eine Theorie aufgestellt haben, wie man dem entgegenwirken könne. Die Theorie heißt Broken-Window-Theory – auf Deutsch: Zerbrochene-Fenster-Argumentation. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich kurz aus der Argumentation zitieren: Wird eine zerbrochene Fensterscheibe nicht schnell repariert, sind im Haus bald alle Scheiben zerbrochen, wird in einem Stadtviertel nichts gegen Verfall, Unordnung, Vandalismus, Graffiti, aggressives Betteln, herumliegenden Müll, öffentliches Urinieren – Sie, Herr Kössler, hatten es gerade auch als Beispiel genannt –, aggressiv pöbelnde Gangs von Jugendlichen an Straßenecken
unternommen, dann wird das zum Indiz dafür, dass sich niemand um diese Straße oder dieses Stadtviertel kümmert und es außer Kontrolle geraten ist.
1994 hat dieser Politikstil die Bürger von New York absolut überfordert. Sie forderten eine grundlegende Änderung. Über 70 Prozent der New Yorker wollten eine massive Änderung der Politik, und sie wählten Rudolph Giuliani, einen Republikaner, zum Bürgermeister der Stadt New York. Rudolph Giuliani machte Folgendes: Er nahm genau diese Null-Toleranz-Politik an. Er setzte sie durch. In seiner Amtszeit von 1994 bis 1998 – was passierte da? – Es folgte ein massiver Rückgang sämtlicher Fallzahlen in nahezu allen Verbrechenskategorien. Das ist ein Erfolgsgarant, wenn man es konsequent macht. Das ist eine Forderung, die wir an den Senat stellen.
Nach mir wird die Wirtschaftssenatorin sprechen. Es gibt noch einen kleinen Nebeneffekt. Was hat die NullToleranz-Politik von Rudolph Giuliani in New York ebenfalls bewirkt? – Ein klassisches Wirtschaftswachstum, denn die Unternehmen kommen dort hin, wo sich die Leute sicher fühlen, wo sie sich geborgen fühlen und die Stadt auch dementsprechend ordentlich ist. – Frau Senatorin! Nehmen Sie es als zusätzliche Motivation, unseren Forderungen Folge zu leisten!
Wie sieht es heute in Berlin aus? – Die „Berliner Zeitung“ titelte vorgestern, Berlin sei nun auch Drogenhauptstadt.
Berlin ist deutschlandweit Kriminalitätshauptstadt. Wie viele kriminalitätsbelastete Orte haben wir? – No-goAreas werden sie nicht genannt, es gibt ja den polizeitaktischen Begriff der kriminalitätsbelasteten Orte. – Laut Angaben der Polizei sind es aktuell zwölf. Ich rede vom Alexanderplatz, vom Leopoldplatz, vom Kleinen Tiergarten, von Schöneberg-Nord, vom Nollendorfplatz, von Teilen des Regenbogenkiezes, vom Görlitzer Park, von der Warschauer Brücke, vom Kottbusser Tor, von der Hermannstraße, vom Hermannplatz und von der Rigaer Straße. Wenn Sie uns widersprechen und sagen, hier finde keine Verwahrlosung statt, dann sind Sie fern der Realität.
Nun könnte man sagen: Ja, wir sind Drogenhauptstadt, und wir machen was dagegen. Wir gehen massiv gegen den Drogenkonsum, gegen den Drogenhandel vor. – Was aber macht der Senat? – Wir nehmen jetzt Parkläufer. Wir nehmen einen Parkmanager. Keine Polizisten, keine Anzeigen werden geschrieben, und – und das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – wir machen sogar noch eine Ausstellung für Drogendealer. Das ist nicht mehr normal aus meiner Bewertung!
Das Thema Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist auch eins unserer Kernthemen. Wenn man in die richtige Bekämpfung gehen würde und sagte, man wolle den kriminalitätsbelasteten Orten, den No-go-Areas entgegenwirken, dann kann man das vernünftig machen. Oder wir machen das wie folgt: Wir schaffen für viel Geld mobile Videowagen an, fahren damit durch die Gegend und machen noch ein großes Schild dran: Hier ist jetzt Videoüberwachung –, damit auch bloß jeder Bescheid weiß. Auch das ist der falsche Weg.
Ein ehemaliger Regierender Bürgermeister sagte einmal, er fühle sich in einer schmuddeligen Stadt wohl. Ich fühle mich in einer schmuddeligen Stadt nicht wohl.
81 Prozent der Berliner Bevölkerung sehen das offensichtlich auch so – sie sind nämlich mit Ihrer Politik unzufrieden. Dementsprechend fordern wir die NullToleranz-Politik im Sinne der Stadt Berlin. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schlagwort Null Toleranz mag in den Ohren mancher wie ein Patentrezept klingen, um alle Probleme im öffentlichen Raum zu lösen. Aber es gibt dieses eine Patentrezept nicht, um die erkennbare Verwahrlosung auf einigen Plätzen zu beenden.
Was bedeutet Null Toleranz gegen Trinker, gegen Drogensucht, gegen Wohnungslose? – Es bedeutet, alle anderen Maßnahmen außer der Repression aufzugeben. So einfach werden wir es uns aber nicht machen, und so einfach können wir es uns auch nicht machen.
Ihr Spezialität sind Scheinlösungen, die den Wunsch nach einfachen Antworten bedienen. Sie haben aber kein Konzept, ich habe jedenfalls keines erkannt – weder was die Müllbeseitigung noch die Kriminalitätsbekämpfung angeht. Ein richtiges Konzept ist nicht erkennbar.
[Beifall bei der SPD – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE) – Lachen bei der CDU, der AfD und der FDP – Holger Krestel (FDP): Achtung! Tusch!]
Das ist Folgendes – erstens: kein Einheitsbrei, sondern gezielte Strategien mit situationsangepassten Maßnahmen. Das ist das, wovon wir uns leiten lassen. Am Kottbusser Tor gehen wir mit hoher Polizeipräsenz und Kontrolldichte gegen den Drogenhandel vor, und Sie können sicher sein, dass wir auch mit verdeckten Maßnahmen der organisierten Drogenkriminalität zu Leibe rücken, sie nach Möglichkeit aushebeln, wo immer es geht.