Protocol of the Session on March 22, 2018

Dann lernen Sie was! –

Ich kann Sie nicht

verstehen! Sie haben eine Kartoffel im Mund!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Gebel das Wort.

Ich glaube, Sie haben sehr gut gezeigt, warum der gestrige Tag gegen Rassismus sehr aktuell ist und wichtiger denn je.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Oh! von der AfD – Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden jetzt seit knapp einer Stunde über das Thema Schwangerschaft und Geburt, und ich bin die erste Frau, die dazu redet.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Aber ehrlich gesagt wundert mich das nicht. Die Debatten der letzten Wochen, auch zu § 219a, zum Frauentag vor zwei Wochen und heute, belehren mich immer wieder eines anderen. Bei allem Respekt, werte Herren, wir Frauen wollen uns im Jahr 2018 nicht mehr erklären lassen, was gut für uns ist. Das wissen wir selber.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Mir ist das Thema Hebammenversorgung nicht nur politisch ein Herzensanliegen, schon sehr lange, sondern es ist mir auch ein Bauchanliegen. Ich bin jetzt im sechsten Monat schwanger, und ich habe die letzten Monate die Berliner Hebammenversorgung am eigenen Leibe testen können. Ja, es ist heute schwieriger, eine Hebamme zu finden. Ich finde das krass, bin aber auch gleichzeitig froh, dass es die Facebookgruppe Hebammenvermittlung gibt. Ich hoffe auch, dass dann bei der Geburt im Krankenhaus meiner Wahl alles klappt, denn bei aller Freundschaft, ich möchte eigentlich ungern hier im Abgeordnetenhaus irgendwie improvisieren müssen.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN, der LINKEN und der AfD]

(Herbert Mohr)

Denn man weiß ja nie. Eine Schwangerschaft und eine Geburt, das ist nie hundertprozentig planbar. Das macht sie ja so aufregend und auch irgendwie so gruselig. Aber genau deshalb, weil wir wissen, wie unsicher das alles ist, sorgen wir als Rot-Rot-Grün für eine sichere und eine gute Geburt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Woldeit von der AfD?

Nein danke!

Nein!

Und jede Frau, die schon einmal ein Kind auf die Welt gebracht hat, weiß ganz genau, wovon ich rede. Es gibt kein vergleichbares Erlebnis im Leben. Schwanger sein, das ist wie Achterbahn fahren ohne Notbremse. Eine Geburt, das ist wie ein Wunder, aber auch ein Höllenritt. Eine gute Hebamme macht das erträglicher. Und der passende Geburtsort macht einen auch entspannter.

Eine sichere Geburt braucht eine Hebamme, die sich voll auf ihre Arbeit, auf die Frau und auf das Baby konzentrieren kann. Und da sind wir als Politik gefragt! Wir müssen und wir werden dafür sorgen, dass es genug Hebammen gibt, dass die Hebammen gute Arbeitsbedingungen haben und dass Eltern und Hebammen gerade bei der Vor- und Nachsorge besser zusammenfinden. Dafür stehe ich – natürlich auch ein bisschen aus Eigeninteresse –, aber dafür setzt sich auch die grüne Fraktion und vor allen Dingen diese Koalition ein.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Und ja: Wir wissen, dass es hier noch viel zu tun gibt. Die Geburtenraten in Berlin steigen, die Zahl der Hebammen aber nicht, und dadurch verschärft sich die Situation. Hier müssen und hier werden wir handeln.

Aber ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht, wo die CDU die letzten Jahre war. Ich habe fünf Jahre auf den Aktionsplan von Mario Czaja gewartet, und wir als R2Grün machen hier andere Politik. Deswegen hat der Senat diese Woche ein Aktionsprogramm beschlossen. Wir schaffen damit die Sicherheit, in der Eltern mit Freude und nicht mit Sorge dem Geburtstermin entgegenfiebern, denn wir verstehen die Sorgen werdender Eltern. Wir verstehen die

Schwierigkeiten von Hebammen, und wir helfen ihnen. Wir sorgen für eine gute Versorgung vor und nach der Geburt, und wir sorgen dafür, dass sich Frauen wohlfühlen und in Ruhe entbinden können.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Das schaffen wir durch bessere Arbeitsbedingungen für Hebammen, das heißt Entlastung auf der einen und Befähigung auf der anderen Seite. Und für gute Arbeit braucht eine Hebamme eben gute Arbeitsbedingungen. Hier müssen aber auch die Kliniken ran. Wir können doch nicht ernsthaft über einen Mangel an Hebammen auf der einen Seite diskutieren, und gleichzeitig akzeptieren wir, dass die Kliniken sie zu Putz- und Organisationsarbeiten verdonnern. Das haben wir hier angegangen!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Und Rot-Rot-Grün hat auch den steigenden Bedarf an Ausbildungsplätzen für Hebammen erkannt. Deswegen haben wir 130 neue Plätze geschaffen. Das ist ein Drittel mehr Ausbildungsplätze als in den Jahren zuvor. Hier ist wirklich etwas passiert. Ja, wir erkennen auch endlich ausländische Berufsabschlüsse schneller an. Denn für uns ist doch klar: Egal, ob aus Aleppo oder Augsburg, Berlin braucht mehr Hebammen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Aber zur Wahrheit gehört auch dazu, dass der fatale Hebammenengpass auf die falsche Politik der FDP- und CDU-Minister im Bund zurückgeht.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Sebastian Czaja (FDP): Was?]

Oh ja! Beschäftigen Sie sich mal mit der Finanzierung des Gesundheitssystems! – Wir löffeln doch hier in Berlin bei den Hebammen – genau wie im Übrigen auch bei den anderen Problemen im Gesundheitssektor – die Suppe aus, die uns Gröhe, Bahr und jetzt auch Spahn über Jahre eingebrockt haben und einbrocken werden. Es ist ein Unding, dass sich die Bundeshaftpflichtversicherung – die Berufshaftpflichtversicherung von Hebammen – seit 2004 mehr als vervierfacht hat! 5 000, 6 000, 7 000 Euro als jährliche Eigenbeteiligung zur Versicherung: Da ist es doch nachvollziehbar, dass immer mehr Hebammen das Handtuch schmeißen. Wer diese schwer schuftenden Frauen in die Knie zwingt, kann hier nicht gleichzeitig so tun, als sei man selbst nicht Teil des Problems!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Wir haben bereits vor Monaten Konzepte entwickelt. Wir unterstützen zum Beispiel die Idee einer Berufshaftpflichtversicherung für alle Heilberufe, die sich am Einkommen orientiert. Und wir werden das auch – das ist dann der Weg des Landes – mit einer Bundesratsinitiative auf den Weg bringen. Umsetzen müsste das dann Jens

Spahn, aber da bin ich etwas resigniert. Wer in seiner ersten Arbeitswoche als Gesundheitsminister den Rentnern empfiehlt, vielleicht nicht zum Arzt zu gehen, wenn es ein bisschen wehtut, und wer Frauen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche verweigert, der wird auch nichts für die Hebammen tun. Bei diesem Gesundheitsminister kann man in Deutschland fast nur raten: Werden Sie in den nächsten vier Jahren lieber nicht schwanger oder krank!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des fraktionslosen Kollegen Wild?

Nein! – Ich möchte noch etwas zur selbstbestimmten Geburt sagen, denn dazu gehört auch die freie Wahl des Geburtsortes. Ich persönlich habe immer im Kreißsaal im Krankenhaus entbunden. Ich hatte tolle Hebammen, die mich durch die zwei Geburten, die ich schon hatte, geführt haben. Und ich hoffe, das wird auch bei der kommenden, bei der dritten so sein. Für mich war das der perfekte Weg. Ich hatte diese Mischung aus Absicherung, Nähe der ärztlichen Versorgung, aber auch die Geborgenheit durch sehr souveräne, sehr eigenbestimmte Hebammen. Es war persönlich, und es war ausreichend anonym.

Aber ich weiß: Jede Frau ist anders. Es gibt eben diejenigen, denen nur das Wissen um eine Hightech-Station nebenan die Sicherheit gibt, sich bei der Geburt entspannen zu können und eine sichere Geburt zu haben. Und es gibt auch diejenigen, die am liebsten zu Hause entbinden. Ich habe eine Freundin, da hat die Schwiegermutter nebenan gesessen und auf die Kinder aufgepasst, und sie hat das Kind auf die Welt gebracht. Da ist jeder anders.

Für mich als Politikerin ist entscheidend, dass jede Frau in Berlin die frei Wahl des Geburtsortes hat, denn nur wer sich wohlfühlt, hat die Chance auf eine gute und sichere Geburt. Aus diesem Grund haben wir 20 Millionen Euro für den Ausbau von Kreißsälen bereitgestellt. Für uns ist klar: Keine Frau darf abgewiesen werden. Das war und ist ein wichtiger Schritt. Aber jetzt müssen wir auch die Geburtshäuser absichern und sie bezüglich des Personals und vor allem mit Blick auf die Haftpflicht und Investitionen unterstützen.

Das gilt auch noch mal ganz besonders für die Berliner Beleghebammen, denn bis heute bekommen sie die Haftpflicht nicht vom Krankenhaus erstattet. Das ist für mich ein Unding! Da sage ich auch ganz klar zu den Krankenhäusern: Die Krankenhäuser müssen die Haftpflicht für die Beleghebammen zahlen!

[Beifall bei den GRÜNEN, Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Wir als Koalition sind jetzt mit dem Aktionsprogramm für eine sichere und gute Geburt einen wichtigen Schritt gegangen, und der Runde Tisch Geburtshilfe ist eine gute Grundlage, denn wir haben auch noch einiges zu tun: Wir haben die Frage der Geburtshäuser. Wir haben die Frage der Vor- und Nachsorge. Wir haben auch die Frage der Flankierung mit digitalen Mitteln, außerklinische Geburten und auch solche Dinge wie kostenloses Parken für Hebammen im Dienst und vieles, vieles mehr. All das steht noch auf der Agenda. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass der Runde Tisch weiter tagen wird, und zwar so lange, bis wir eine gute und sichere Hebammenversorgung in Berlin sichergestellt haben. Mit weniger geben wir uns als R2G nicht zufrieden!

[Beifall bei den GRÜNEN, Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Sie sehen, ich spreche nicht nur als Mutter und Schwangere, wir haben das Thema als Koalition auf dem Schirm! Wir kümmern uns. Und dieses Signal hätte ich mir auch von den Herren in der heutigen Debatte gewünscht. Ich hätte mir mehr erhofft, vor allem auch das klare Signal an Zehntausende werdende Mütter und Väter und an die Hebammen und Entbindungshelfer in dieser Stadt. Wir stehen an ihrer Seite. Ihre Sorgen, ihre Ängste und Probleme sind uns nicht egal. Wir kämpfen dafür, dass keine Frau in Berlin Angst haben muss, vor dem Kreißsaal abgewiesen zu werden. Wir kämpfen dafür, dass keine Hebamme wegen Arbeitsüberlastung oder finanzieller Risiken ihre Arbeit aufgeben muss. Wir kämpfen für sichere Geburten und eine gute Versorgung.

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal ganz herzlichen Dank an die Hebammen für ihre wichtige und aufopferungsvolle Tätigkeit sagen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Nun gebe ich Frau Senatorin Kolat das Wort. – Bitte schön, Frau Senatorin!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich sehr, dass das Abgeordnetenhaus heute ein sehr aktuelles Thema, aber vor allem auch ein Zukunftsthema aufgegriffen hat, denn Berlin ist seit vielen Jahren eine wachsende Stadt, und die Prognosen zeigen, dass Berlin auch in Zukunft wachsen wird. Wir haben neben diesem Wachstum auch den glücklichen Umstand, dass die Geburtenraten in Berlin steigen. Junge Menschen kommen gerne nach Berlin. Sie leben gerne hier. Sie arbeiten gerne hier. Sie lieben sich und be

(Silke Gebel)