Protocol of the Session on February 22, 2018

Ich kann nur vermuten, dass Sie mit diesem Antrag noch einmal ganz besonders darauf hinweisen wollen, dass leider unter der links-rot-grünen Regierung nicht viel passiert oder bislang passiert ist. Allerdings sehe ich dennoch in Ihrem Antrag einen Punkt, der bisher in der Stadtplanung überhaupt nicht berücksichtigt wird. Sie sprechen ja von barrierefreier Mobilität generell und nicht nur von barrierefreiem ÖPNV. Zur barrierefreien Mobilität gehört meiner Meinung nach auch, dass z. B. Elektroladesäulen barrierefrei erreichbar sein müssen. Wenn ich

mir die in der Stadt installierten Ladesäulen anschaue – inklusive der zwei neuen hier hinten auf dem Parkplatz des Abgeordnetenhauses –, sind diese mit Sicherheit nicht barrierefrei zu erreichen. Hier muss tatsächlich nachgebessert werden. Wenn Sie beabsichtigen, LinksRot-Grün eine Art Handbuch an die Hand zu geben, dann sind wir gern dabei. Aber Sie haben ja vorhin schon von Herrn Jahnke von der SPD-Fraktion gehört – ich zitiere –: Die SPD braucht keine Ratschläge. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Holger Krestel (FDP): Den Rat muss man ja nicht so ernst nehmen!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Kollege Moritz das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP beantragt ein verbindliches Konzept mit Leitlinien für barrierefreie Mobilität, um allen Bürgern und Bürgerinnen gleichwertige Mobilitätschancen zu geben. Alle Ihre Forderungen in dem Antrag kann ich eigentlich unterschreiben, und ich denke, auch meine sozialpolitischen Kollegen und Kolleginnen unterstützen diese Anliegen. Ihr gefordertes Konzept findet sich in unterschiedlichen Gesetzen und Planwerken in großen Teilen schon heute wieder, so z. B. im Entwurf des Mobilitätsgesetzes. Dort heißt es in § 3 unter der Überschrift „Mobilität für alle“:

Mobilität in Berlin soll bezogen auf die wesentlichen Wegezwecke an allen Tagen des Jahres und rund um die Uhr in ganz Berlin und unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen und persönlichen Mobilitätsbeeinträchtigungen sowie von Lebenssituation, Herkunft oder individueller Verkehrsmittelverfügbarkeit gewährleistet werden.

In den durch das Mobilitätsgesetz künftig auch gesetzlich verankerten verkehrlichen Planwerken wie dem Stadtentwicklungsplan Verkehr, dem Nahverkehrsplan – der ist schon angesprochen worden –, der Fußverkehrsstrategie und dem künftigen Fußverkehrsplan sind die meisten Ihrer Forderungen doch enthalten. Auch bei der Erarbeitung des Mobilitätsgesetzes sind selbstverständlich auch die Betroffenenverbände der Menschen mit Behinderungen genauso wie die Seniorenvertretungen einbezogen worden. Sie haben auch Änderungen herbeigeführt. Diese Beteiligung der betroffenen Menschen wird auch im kommenden Fußverkehrsdialog im Mittelpunkt stehen. Im Fußverkehrsteil des Mobilitätsgesetzes wird ganz sicherlich umfassend die Barrierefreiheit angesprochen werden.

Aber kurz zurück zur FDP: Was haben Sie denn z. B. in den Haushaltsberatungen zur Verbesserung der Barrierefreiheit beigetragen? Ich kann mich an keinen einzigen

(Kristian Ronneburg)

Antrag im Verkehrsausschuss erinnern. Die Koalition hat die Mittel für den Fußverkehr erhöht, die FDP wollte dort streichen. Wir haben Sonderprogramme für die Gehwegsanierung beschlossen und das Inklusionstaxi abgesichert. Alle U-Bahnhöfe sollen bis 2020 barrierefrei erreichbar sein. Wie gesagt, die meisten Anliegen wurden bereits im Mobilitätsgesetz aufgenommen und werden von uns bearbeitet. Aber wir wissen natürlich auch, dass das damit noch nicht abgeschlossen ist. Der Anspruch, dass wir ein Gesamtkonzept zur Mobilitätssicherung für Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit den einschlägigen Akteuren erarbeiten wollen, steht schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag. Das nehmen wir ernst und werden wir auch umsetzen.

Ich bin aber gespannt, wie sich die FDP in der Beratung zum Mobilitätsgesetz hier im Parlament aufstellen wird. Wenn es dann um fußgängerfreundliche Ampelschaltungen geht, werden wir Sie beim Wort nehmen und sehen, wie Sie dabei agieren werden. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz und mitberatend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich komme zum

lfd. Nr. 28:

Ziele setzen: Grundschülerleistungen auf Mindestniveau bringen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0774

hierzu:

Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0774-1

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU und hier die Kollegin Bentele. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 13. Oktober des letzten Jahres wurden die Ergebnisse der bundesweiten Vergleichsstudie veröffentlicht, die die Grundschülerleistungen in Deutsch und Mathematik bundesweit mit den von der KMK, also von allen 16 Bundesländern gemeinsam gesteckten Bildungsstandards vergleicht. Dass sich Berlin meist am unteren Ende der Skala befindet, daran haben wir uns in gewisser Weise schon gewöhnt. Das soll heute

auch nicht unser Thema sein. Unser Thema muss aber sein, dass die Berliner Grundschüler mit jeweils 20 Prozent beim Lesen, mit 16 Prozent beim Zuhören, mit 34 Prozent bei der Orthografie und mit 28 Prozent in der Mathematik unter den von der KMK definierten Mindeststandards liegen und dass sich in den letzten fünf Jahren fast so gut wie nichts an dieser äußerst schlechten Ausgangslage verändert hat.

[Beifall bei der CDU]

Die Reaktion von Frau Scheeres auf die Veröffentlichung der Ergebnisse war dröhnendes Schweigen. Sie ist heute auch nicht da, ganz bezeichnend. Zu jedem Firlefanz gibt es eine Pressemitteilung der Senatsverwaltung. Aber bei den IQB-Ergebnissen, die die ganze Republik als Bildungsgradmesser zur Kenntnis nimmt, kommt keine eigene Reaktion aus der Bernhard-Weiß-Straße, keine eigene Einordnung der Ergebnisse, die massiven Handlungsbedarf aufzeigen. Warum gibt es auch dieses absolut peinliche Versteckspiel um die VERA-3-Ergebnisse?

[Dr. Gottfried Ludewig (CDU): Richtig!]

Warum wir müssen wir Ihnen im Ausschuss, in Anhörungen mühsam alles aus der Nase ziehen? Warum kennen noch nicht einmal Berliner Wissenschaftler, die sich mit Schulqualität auseinandersetzen, die Programme, die die Senatsbildung angeblich am Start hat und noch viel mehr? Warum arbeiten diese Wissenschaftlicher eigentlich nicht daran mit?

So, wie Sie, Frau Scheeres – Herr Rackles wird es ihr bestimmt übermitteln –, verhält sich keine, die die Herausforderungen in ihrem Bereich erkannt hat und die überzeugende bildungspolitische Antworten und Strategien bereithält.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Sie werden auch nicht damit davonkommen, die Aufgabe der Verbesserung der Grundschulleistungen an Abteilungsleiter, Schulaufsichtsbeamte und Grundschulleiter abzuschieben. Dass nicht allen Kindern in der Stadt in den ersten vier Grundschuljahren sichere Grundlagen in Deutsch und Mathematik mit auf den Weg gegeben werden, ist hochgradig unsozial. Dafür müssen Sie politisch geradestehen.

[Beifall bei der CDU - Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Dass so etwas in einem Bundesland möglich ist, in dem das Bildungsressort über 20 Jahre lang von der SPD geführt wird, die sich doch der sozialen Gerechtigkeit verschrieben hat, ist schon geradezu faszinierend, aber auch faszinierend traurig. Hier in Berlin schaffen es viele Kinder und Jugendliche auch aufgrund defizitärer Elternhäuser nicht, die in der Grundschule aufgelaufenen Defizite jemals wieder auszugleichen. Was in der Grundschule verbockt wird, zieht sich wie ein roter Faden durch die Bildungskarriere. Deshalb müssen Sie, Frau Scheeres,

(Harald Moritz)

wenn Sie noch in Ansätzen Glaubwürdigkeit als Schulsenatorin haben wollen, dieses Thema von jetzt an bis zum letzten Tag der Legislaturperiode zum Chefinnenthema machen.

[Paul Fresdorf (FDP): Chefinnen!]

Sie müssen es auch deshalb zum Chefinnenthema machen – danke, Herr Fresdorf! Sie haben es bemerkt. –, weil es nicht darum geht, in aktionistischer Manier eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen ins Leben zu rufen, die unverbunden und unevaluiert nebeneinander herlaufen, sondern weil wir eine abgestimmte Gesamtstrategie brauchen und vor allem einen Haltungswechsel. So viel ist heute schon klar: Verbesserungen werden wir nur mit einem engeren Lernverlaufsmonitoring und besserer Unterrichtsqualität erreichen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Das ist etwas, was die Berliner Grundschullehrkräfte im Kern betrifft. Sie müssen sich schnellstens mit ihnen, am besten in einer Klausur, zusammensetzen und bloß nicht wieder von oben dekretieren. Diagnostische Tests stoßen teilweise noch auf große Vorbehalte. Instrumente wie VERA bleiben vielfach ungenutzt. Eine Kritik des Unterrichts findet viel zu selten statt. Was wir jetzt aber ganz dringend brauchen – dafür müssten Sie, Frau Scheeres, persönlich stehen und werben –, ist eine Kultur des Hinschauens. Intuition ist gut, aber angesichts der immer heterogenen Schülerschaft und den schlechten Ergebnissen, wird in Zukunft mehr Diagnosefähigkeit und Kontrolle gefragt sein. Statt der Aufschiebung der Probleme in das nächste Schuljahr oder in die nächste Klasse brauchen wir klare Meilensteine und einen Unterricht, der sich nicht auf das Austeilen von verschiedenen Übungsblättern oder die Aufrechterhaltung der Disziplin beschränkt, sondern der viel mehr zur Sache und die Tiefe geht als bisher. Hierzu gehört fairerweise auch, dass wir uns die Rahmenbedingungen, unter denen Grundschullehrer arbeiten, noch einmal ganz genau unter der Prämisse anschauen, wo wir Unterrichtsfernes soweit wie möglich anderen Professionen übertragen, damit die wertvolle Lehrerzahl wirklich zu 100 Prozent bei den Schülern als Lernzeit ankommt.

[Beifall bei der CDU]

Zweitens, Frau Scheeres, müssten Sie und Ihre Verwaltung endlich eingestehen, dass wir uns mit der hohen Zahl an neu eingestellten Quereinsteigern gerade an den Grundschulen auf Jahre hin ein massives Qualitätsproblem eingehandelt haben. Da hilft es überhaupt nicht weiter, dass der Staatssekretär behauptet, die im Schnelldurchgang ausgebildeten Lehrer seien nach dem Examen vollwertige Lehrkräfte. Das mag, wenn überhaupt, auf dem Papier so sein, aber da lügen Sie sich doch selbst in die Tasche.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Bilden Sie diese Lehrkräfte stattdessen fundiert aus! Die Vorschläge liegen doch nun alle auf dem Tisch: mehrwöchige pädagogische Vorkurse oder längeres Referendariat, weniger Unterrichtsverpflichtung, begrenzter Unterrichtseinsatz, um nur einige wenige zu nennen. Die kleinen Verbesserungen bei den Quereinsteigern, die Sie derzeit beabsichtigen, werden definitiv nicht ausreichen, um das Level an Diagnosefähigkeit, Methodenkenntnisse und Unterrichtsqualität bei unseren Lehrkräften zu erreichen, das wir dringend brauchen, um unsere Grundschüler auf ein anderes Niveau zu heben.

Mit unserem Antrag fordern wir Sie, Frau Scheeres, dazu auf, sich bis zum Ende der Legislaturperiode ganz konkret das Ziel zu setzen, alle Berliner Grundschüler auf ein Mindestniveau zu bringen und hierfür ein Maßnahmenkonzept zu entwickeln. Der Zeitraum bis Ende Juni ist nicht üppig bemessen. Wir müssen hier aber in Berlin auch nicht alles neu erfinden. Schleswig-Holstein hat genaue Kriterien für guten Unterricht erarbeitet. Hamburg, das sich als Stadtstaat in den letzten Jahren nachweislich verbessert hat, führt zentrale Vergleichsarbeiten in den Klassen 2, 3, 4, 7, 8 und 9 durch. BadenWürttemberg hat vorgemacht, wie man alle Akteure von den Lehrern bis zu den Wissenschaftlern an einen Tisch holt und offen über Probleme und Lösungswege spricht.

Also, Frau Scheeres, hören Sie den Weckruf und lassen Sie nicht zu, dass Ihre Regierungsbilanz bei den Grundschülerleistungen nach zehn Jahren so aussieht wie nach sieben Jahren, nämlich viel Stabilität unter Mindestniveau! Unsere Kinder verdienen mehr.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Dr. Lasić das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bentele! Ich habe mich ganz ehrlich gewundert, mit was für einem Antrag Sie heute ins Plenum kommen. Ihr Lieblingshashtag ist allseits bekannt: Opposition wirkt, den Sie gern jedes Mal verwenden, wenn R2G etwas Gutes auf den Weg bringt,

[Zuruf von der AfD: Niemals!]

egal, ob es sich dabei um eine Stärkung der Quereinsteiger geht oder Politik als Schulfach. Ich gebe gern zu, in

(Hildegard Bentele)

Ihren Anträgen ist ab und zu durchaus auch ein guter Impuls dabei. Aber bei dem Antrag heute weiß ich ehrlich nicht, welchen guten Ansatz ich erkennen soll.

[Heiko Melzer (CDU): Möglicherweise haben Sie die schon früher nicht verstanden!]