Protocol of the Session on February 22, 2018

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Merken Sie nicht, dass Sie mit Ihrem Getöse den politischen Gegner stärken, den zu bekämpfen Sie vorgeben?

(Sven Kohlmeier)

Wollen Sie nicht mal versuchen, die inhaltliche Leere der AfD durch eine qualifizierte Sachauseinandersetzung offenzulegen?

[Beifall bei der CDU – Beifall von Sven Heinemann (SPD)]

Wäre es nicht viel wichtiger, die drängenden Fragen der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zu debattieren, der Verkehrspolitik und der Mobilität, der Umweltpolitik, der Digitalisierung, der Pflege, insbesondere, wie wir Menschen und Familien unterstützen können, die Familienangehörige pflegen? Oder sollten wir nicht mal herausarbeiten, in welchen Fragen AfD und Linke sich sehr einig sind, wie in der Aufgabe der Westintegration Deutschlands in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die NATO und im Vasallentum gegenüber Russland und seiner völkerrechtswidrigen Annexion der Krim-Halbinsel?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Merken Sie nicht, meine Damen und Herren der politischen Randgruppen links und rechts der Vernunft,

[Lachen bei der LINKEN und der AfD – Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

wie sehr Sie sich ähneln in Ihrer Radikalität, in Ihrer Unsachlichkeit und in Ihrer gegen unser Land gerichteten Position? Werden Sie sich doch bitte Ihrer Vorbildfunktion als Abgeordnete bewusst! Unsere Bürger dürfen von uns erwarten, dass wir unserem Land dienen und die Anliegen unserer Bürger in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen. Unsere Demokratie ist stark genug, Andersdenkende zu ertragen, auch wenn es manchmal schwerfällt. Daher empfehle ich Ihnen: Besuchen Sie mal einen demokratischen Benimmkurs,

[Lachen bei der AfD – Gunnar Lindemann (AfD): Lesen Sie mal das Grundgesetz!]

oder nehmen Sie einen Mediator! Beteiligen Sie sich nicht an Versammlungen, die das Versammlungsrecht verletzen! Zeigen Sie doch mal, dass Sie zu einer inhaltlichen und argumentativen Auseinandersetzung miteinander in der Lage sind!

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Aber behelligen Sie uns nicht mit Ihrem Blick für das Unwesentliche! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Helm das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Einleitend möchte ich mich erst mal ganz herzlich bei allen bedanken, die am Samstag gegen den rechten Aufmarsch auf der Straße waren – für Frauenrechte und gegen Rassismus.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

In letzter Zeit versuchen Rechte immer wieder, zu provozieren und in Kiezen aufzumarschieren, in denen mehrheitlich Berlinerinnen und Berliner leben, gegen die und deren Lebensweise eben diese Rechten massiv mobil machen. Zuletzt wurde der Aufmarsch der rechtsextremen Identitären Bewegung gestoppt, bei dem sie zur sogenannten Rückeroberung des Weddings aufgerufen hatten. Auch hier ließen die Berlinerinnen und Berliner ihre Nachbarn mit diesen eindeutigen Drohungen nicht alleine. Und auch dafür an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für die Solidarität!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ich will hier einmal geraderücken – weil das ein bisschen in Schieflage geraten ist –, wer sich da am Samstag in Kreuzberg gegenüberstand: Zu dem angeblichen Frauenmarsch der AfD, zu dem im Vorfeld wochenlang in allen rechten Medien und allen rechten Gruppen mobilisiert worden war, waren einige Hundert, in überragender Mehrheit männliche, Rechte aus dem ganzen Bundesgebiet angereist. Neben den vielen AfD-Abgeordneten waren darunter der mehrfach vorbestrafte Pegida-Chef Lutz Bachmann samt seiner Gefolgschaft, Neonazihooligans der rechtsextremen „Soldiers of Odin“, etliche Aktivisten und Funktionäre der rechtsextremen Identitären Bewegung, diverse NPD-Funktionäre usw., usw. – Sie kennen sie alle.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, herzlichen Dank! Ich glaube, es ist genug Zeit für alle. – Der Lautsprecherwagen und das Redepult wurden organisiert von dem rassistischen „Bürgerbündnis Havelland“, das seit drei Jahren in Westbrandenburg auf Demonstrationen unter anderem zusammen mit NPDRednern gegen Asylsuchende Stimmung macht. Als Protestschilder dienten übergroße Cover des rechtsradikalen „Compact“-Magazins, und auf den Schildern wurden diverse Sachen gefordert wie Abschiebungen, Inhaftierungen der Kanzlerin oder von George Soros, und in den Reden wurde die Gültigkeit des Grundgesetzes infrage gestellt, gegen Muslime polemisiert – und das ganze übliche Potpourri. Frauenrechtliche Forderungen spielten keine oder, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle.

(Burkard Dregger)

Der Versuch, eine breite Unterstützung für so eine Pegida-Demo zu erreichen, indem man sie als angeblichen Frauenmarsch deklariert, war einfach zu durchschauen und ist folglich auch gescheitert.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Und so nahmen auch einige Tausende ihr Recht wahr, laut und vernehmlich zu widersprechen. Dass Sie es als Niederlage empfinden, liebe AfD, trotz bundesweiter Mobilisierung nicht genug Leute zusammenbekommen zu haben, um einen Marsch durch das verhasste Kreuzberg zu erzwingen, das ist durchaus verständlich.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Genau so war es auch gemeint, und genau so ist es auch zu lesen.

Das ist aber kein Grund, hier das Ende des Rechtsstaats herbeizureden oder – wie gestern auch im Bundestag passiert – die Polizei mit unhaltbaren Vorwürfen zu überziehen. Sie konnten Ihre Abschlusskundgebung vor dem Kanzleramt ganz normal wie geplant abhalten.

[Lachen bei der AfD]

Alles ist friedlich geblieben. Sie haben die Demonstration zwischenzeitlich aufgelöst und darauf verzichtet, auf einen Alternativvorschlag zu warten. Das ist Ihr gutes Recht, aber das Recht der Gegendemonstrantinnen und -demonstranten eben auch.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Zu den rechtlichen Fragen hat der Kollege Kohlmeier schon einiges gesagt.

[Zurufe von der AfD]

Ich möchte kurz noch ergänzen zu den immer gleichen, sehr vorhersehbaren Vorwürfen aus der rechten Ecke, jeden und jede, die sich faschistischen, nationalistischen oder rassistischen Aufmärschen entgegenstellen oder eben auch entgegensetzen, als kriminell, linksextrem und gewalttätig zu verunglimpfen: Lassen Sie mich kurz das Jahr 2011 in Erinnerung rufen, als der sich sicher nicht des Linksextremismus verdächtig gemachte ehemalige Präsident des Bundestages Wolfgang „Thierse, blockierse!“

[Zurufe von der AfD]

sich damals einem anderen Nazi-Aufmarsch, organisiert von der NPD, friedlich entgegengesetzt hatte. Und auch im Jahr 2011 entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über einen Fall von 2004. Die Richterinnen und Richter sahen in einer friedlichen Sitzblockade eben keine Nötigung und haben diese Haltung seitdem immer wieder bestätigt. Das Versammlungsrecht schützt Blockaden ebenso, wie es auch Ihre Aufmärsche immer wieder schützt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Sie haben zwar das Recht, sich zu versammeln, aber Sie müssen eben auch immer wieder mit dem Widerstand der Zivilgesellschaft rechnen. Und dafür bin ich sehr dankbar. Und ich bin dankbar dafür, dass das auch immer wieder geschieht.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Aber ein paar Worte muss ich mir doch noch erlauben zu der Doppelzüngigkeit, mit der die AfD hier vorgibt, sich für Frauen einzusetzen, denen angeblich hier der Mund verboten werde. Also das spottet jeder Beschreibung. Es zeigte sich schon zwei Tage später, als die Identitäre Bewegung und die gleichen Aktivisten und Aktivistinnen, die auch auf dem angeblichen Frauenmarsch waren, versuchten, eine Veranstaltung zu sabotieren, bei der es ganz genau um sexualisierte Gewalt ging. Und auch von der AfD, deren Funktionäre immer wieder mehr Männlichkeit für die Nation fordern, haben Frauen nichts zu erwarten. Im Gegenteil, in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl lässt sich deutlich ablesen, dass Frauen nach dem Willen der AfD vor allem die Aufgabe des Volkserhalts zukommt.

[Lachen bei der AfD – Heiterkeit von Torsten Schneider (SPD) – Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Sie wollen – ich zitiere – „der dramatischen Zunahme von Ehe- und Kinderlosigkeit“ einen Paradigmenwechsel hin zu einer „nationalen Bevölkerungspolitik“ entgegensetzen. Zu diesem gehört, die Unterstützung für Alleinerziehende zu streichen, das Familienrecht auf den Stand der Siebzigerjahre zurückzusetzen und Unterricht zur Haushalts- und Eheführung verpflichtend in den Schulen einzuführen.

[Zurufe von der AfD]

Ja, das ist empörend, aber das sind Ihre Ideen und die Ihrer Kameraden und nicht meine.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, danach zu suchen, aber im Programm fand sich keine einzige Zeile zu Frauenrechten. Im Gegenteil: Das Ministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend soll in ein Ministerium für Bevölkerungsentwicklung umgebaut werden. Jegliche Frauenpolitik soll also verschwinden. Stattdessen: Kinder gebären nach Staatsplan.

[Gunnar Lindemann (AfD): Wo steht denn das? – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Die tatsächlichen Frauenrechte wurden gegen den Widerstand der AfD und anderer reaktionärer Kräfte erkämpft, zuletzt die Reform des Sexualstrafrechts 2016, die sexuelle Belästigung endlich zu einer Straftat macht. Die