Protocol of the Session on February 22, 2018

Ich weiß wirklich beim besten Willen nicht, wo dies der Fall gewesen sein soll.

[Zuruf von Henner Schmidt (FDP)]

Wir werden hier unsere Arbeit tun. Es findet ja eine breite Beteiligung statt, wie ich es dargestellt habe, um dieses Mobilitätskonzept zu erarbeiten und um vor allen Dingen den verschiedenen, widerstreitenden Interessen, die es zweifelsohne in einer verdichteten und sich weiter verdichtenden Stadt gibt, gerecht zu werden.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Herr Friederici! Sie haben jetzt für die Fraktion der CDU das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jahnke! Ich sage es ganz deutlich, der CDUFraktion tun Sie sehr leid.

[Heiterkeit bei der FDP]

Wir haben hier ein großes Problem in der Stadt, zunehmenden Lieferverkehr, Zweite-Spur-Parker, Radspuren werden beparkt, und Sie sprechen von Konzepten, von Findungskommissionen und Ähnlichem, also lustiger

geht es nicht. Ich weiß nicht, wer Ihnen die Rede aufgeschrieben hat.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Martin Trefzer (AfD)]

Die Realität derart zu verleugnen, dazu gehört wahrscheinlich schon die Erfahrung jahrzehntelanger Regierung der SPD in Berlin.

[Heiterkeit und Beifall bei der FDP]

Sie haben auch noch ernsthaft gesagt, wir brauchen keine Lösung, weil das Problem ja schon da ist. Das haben Sie so gesagt, und das verwundert mich.

[Paul Fresdorf (FDP): Ja, können Sie selber nachlesen!]

Wenn Sie von Lösung sprechen, sprechen Sie ständig von Modellprojekten und Pilotprojekten. Ich sage Ihnen mal ganz deutlich: Wenn Sie in der Frankfurter Allee eine Spur wegnehmen, dafür eine Fahrradspur nehmen, das Parken verbieten und nur noch auf zwei Spuren gefahren werden darf, wo dann auf einer Spur künftig Lieferfahrzeuge in der zweiten Spur stehen, ist das Ihre Lösung für diese Stadt Berlin, ist das Ihre Lösung in der Verkehrspolitik? – Ich kann es mir nicht vorstellen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Nehmen Sie die Katzbachstraße! Das ist auch so ein brillantes Problem mit einer Fahrradspur, parkenden Autos, Lieferfahrzeuge stehen in der zweiten Spur. Wer dann durch eine Hauptstraße fahren muss – keine Zwischenfragen! –, muss auf den Gegenverkehr ausweichen. Das ist die Politik von Rot-Rot-Grün in Berlin auf Hauptstraßen. Das ist das Lieferkonzept, das Sie haben. Aber Sie kritisieren eine Partei wie die FDP, die hier ein Konzept vorlegt. Das ist doch Nonsens, was Sie hier sagen. Sie verbinden doch hier die Realität mit Fiktion. Das funktioniert doch alles gar nicht, was Sie hier sagen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Bravo! von der CDU und der FDP]

Und dann kommen Sie hier allen Ernstes in der letzten Plenarsitzung her und sagen: Ein Antrag, auch von der FDP, nach dem Tiefgaragen unter öffentlichen Plätzen privat gebaut und betrieben werden sollen, in die man den Parksuchverkehr hineinbringen kann, um eben ZweiteSpur-Parker nicht zu haben, sondern einzelne Lieferzonen – da sind Sie dann dagegen. Also was wollen Sie in dieser Stadt?

[Zuruf von Frank Zimmermann (SPD)]

Wollen Sie allen Ernstes, dass Kühlschränke, Wohnzimmerschränke und alles andere auf Lastenfahrrädern, Kettcars oder was auch immer geliefert werden?

[Heiterkeit bei der FDP]

Wo ist denn da Ihr Konzept? Sie regieren seit anderthalb Jahren in dieser Stadt. Die Situation wird von Tag zu Tag schlimmer, weil man gerade im Berliner S-Bahnring, wo

(Henner Schmidt)

Ihre Wähler wohnen, gerne bei Amazon, im Internet über Apps bestellt. In welcher Welt leben Sie denn?

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Nein, keine Zwischenfragen! – Sie werden ein Konzept nur mit der Stadtgesellschaft schaffen, mit den Verbänden, mit den Menschen, die es in dieser Stadt auch wichtig und richtig meinen. Das Problem, gerade angeführt bei der Sozialdemokratie, ist: Sie sind eine Programmpartei, wahrscheinlich die einzige hier im Raum. Sie haben ein Programm, Sie haben eine Ideologie.

[Zurufe von Carola Bluhm (LINKE) und Regina Kittler (LINKE)]

Ich will mal die Linken noch dazu zählen, Sie schreien schon gleich wieder auf. Sie haben eine Ideologie.

[Heiterkeit bei der FDP – Zuruf von Torsten Hofer (SPD)]

Sie wollen das durchsetzen, was nach Ihrer Meinung für diese Stadt richtig ist. Sie wollen mit dem Kopf gegen die Wand. Alle anderen Städte in Deutschland – Düsseldorf, Hamburg, München – haben Lieferzonen, unterirdische Parkbereiche, wo sie den Verkehr unter die Stadt bringen, damit parkende Autos unten stehen und Lieferverkehr oben stattfindet. Alles das lehnen Sie ab. Tradierten Systemen in allen westeuropäischen Metropolen wollen Sie mit Lastenfahrrädern begegnen. Das ist doch völliger Schwachsinn, was Sie hier machen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Anja Kofbinger (GRÜNE): Das ist doch völliger Schwachsinn, was Sie erzählen!]

Und da kritisieren Sie eine Oppositionspartei wie die FDP, deren Antrag sich die CDU gerne anschließt, die hier Lösungen für ein Problem aufzeigt, das Sie in den letzten anderthalb Jahren nicht im Traum angehen wollten und auch nicht lösen wollen. Wie wollen Sie denn dieses Problem sonst lösen, wenn Sie nicht in den engen Straßenräumen endlich Konzepte umsetzen? Pilotprojekte sind ja ganz schön, aber nennen Sie mir mal ein Lieferfahrzeug, einen Lkw, der länger als 30, 40 km momentan mit Batterien durch die Stadt fährt!

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Und einen 7,5-Tonner gibt es auf dem Markt nicht. Ich garantiere Ihnen, den wird es auch in fünf Jahren nicht geben. Wir brauchen jetzt eine Lösung für diese Stadt. Wir brauchen jetzt eine richtige Aufteilung des Verkehrs und nicht die Antwort der Koalition von Rot-Rot-Grün, nämlich Lieferfahrräder oder Lastenfahrräder in Berlin einzuführen oder die Verkehrsfläche für alle zu reduzie

ren, damit man Begegnungszonen hat und überbreite Fahrradspuren wie beispielsweise vielfach in Berlin-Mitte von einzelnen Parteigremien der Sozialdemokratie, der Grünen und der Linken gefordert.

Dann will ich Ihnen noch eines sagen: Gehen Sie heute mal über den Potsdamer Platz! Wir haben im Moment Sonne. Wir haben minus fünf Grad. Sie werden in einer Stunde am Tag ungefähr 200 Fahrräder sehen, die über diesen Potsdamer Platz fahren. Sie haben aber in der gleichen Zeit mindestens 5 000 Autos, Lkws und Busse, die über diesen Stadtplatz fahren. Auch diese Menschen brauchen ihr Recht. Auch diesen Menschen müssen Sie Gehör geben.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Die haben ganz viel Platz!]

Wenn Sie Ihre Verkehrspolitik ideologisch einseitig auf Ihre Wählerschaft ausrichten, werden Sie in dieser Stadt keinen Frieden im Verkehr, sondern immer neue Konflikte herbeiführen, und dafür stehen CDU und FDP – darf ich jetzt wahrscheinlich auch sagen – auf keinen Fall zur Verfügung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Gindra das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wo Herr Friederici den Saal so leidenschaftlich wieder aufgeweckt hat, hätte ich eigentlich erwartet, dass der umfängliche Konzeptplanantrag der CDU hier auf dem Tisch liegen würde. Sie beziehen sich aber auf den FDP-Antrag. Beide müssten Sie wissen, dass wir eigentlich schon viel weiter sind.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Torsten Hofer (SPD)]

Herr Henner Schmidt hat zu der Schriftlichen Anfrage 18/12331 im September 2017 schon umfänglich beantwortet bekommen, wie mit der Stadtgesellschaft und den betroffenen Kurierdiensten und Lieferfirmen ein integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept in Erarbeitung ist.

Die Vorschläge in dem FDP-Antrag sind ja nicht alle verkehrt, sie sind aber sozusagen auf dem Tisch der Diskussion. Aber an einem Punkt konterkariert die FDP ihren ganzen Antrag völlig, und zwar aus ideologisch geprägter Verblendung – das macht den ganzen Antrag eigentlich zum Verhinderungsgesetz für das Land Berlin: Die FDP verlangt nämlich den Verzicht des Landes Berlin, selbst innovativ Distributionsstrukturen für den

(Oliver Friederici)

Lieferverkehr wie Mikrodepots aufzubauen. – Herr Schmidt, das haben Sie ausgeführt: Sie wollen das nicht, und das ist für mich eine ideologische Verblendung, denn wir haben mit vielen Akteuren, privaten Akteuren, auf diesem Straßennetz zu tun. Es ist im Grunde ein Netzproblem, wo wir auch an anderen Stellen eine Regulierung und eine Steuerung durch das Land, durch den Staat brauchen. Herr Jahnke hat schon darauf hingewiesen – das hat er vorweggenommen: 2 500 Lieferfahrzeuge, 376 000 Pakete, die täglich in Berlin bewegt werden. Die Branche rechnet bis 2021 mit einer Zunahme um 30 Prozent, was insbesondere dem Onlinehandel geschuldet sein wird.

Wir wollen uns von dem FDP-Antrag nicht fesseln lassen, eigene innovative Konzepte umzusetzen. Wir unterstützen ausdrücklich, dass das Land Berlin beginnt, sogenannte Mikro-Hubs einzurichten, wo ein Pilotprojekt unterwegs ist. Die Frage ist, wie wir dort schneller vorankommen und diskriminierungsfrei für alle Anbieter ein Netzwerk von Mikro-Hubs einrichten können. Die Firma Schenker ist zum Beispiel auch bei diesem Konzept dabei und erklärt, dass viele Pakete, viele Anlieferungen mit Lastenfahrrädern oder stärkeren Gefährten mit Elektroantrieb zugestellt werden können – also, ein flächendeckendes Konzept zur Anlieferung in die Ortsteile und Bezirke und von dort mit stadtverträglichen Fahrzeugen zu den Leuten, die dort eine Lieferung erwarten.

Noch ein paar Worte zur Gesamtproblematik: Das große Anwachsen des Kurier- und Paketdienstes ist nicht gottgegeben. Es ist die Summe vieler individueller Entscheidungen und von Rahmenbedingungen, die den Onlinehandel gegenüber dem ortsansässigen Einzelhandel bevorzugen. Jenseits der Sonntagsreden, die eine Verödung von traditionellen Geschäftsstraßen und sterbende Universalkaufhäuser beklagen, muss man festhalten: Den großen internationalen Playern gestattet man – Bund und EU – mit Steuervermeidungstaktiken, kaum zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur beizutragen, die sie selbst immer intensiver nutzen. Demgegenüber muss jeder kleine Einzelhändler für einen zusätzlichen Verkaufsständer vor seinem Laden Sondernutzung für Straßenland anmelden und auch bezahlen. Das sind Wettbewerbsverzerrungen, an die wir mal rangehen sollten, denn ich sehe nicht ein, warum der Onlinehandel in demselben Maße steigen muss und soll.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]