Protocol of the Session on February 22, 2018

Was hilft nun am besten? – Wir sagen, dass wir endlich als einen ersten Schritt verbindliche Vorschriften zur technischen Optimierung der Fahrzeuge selbst brauchen. Als Gesetzgeber sind wir da eindeutig in der Pflicht. Wir brauchen den Pflichtabbiegeassistenten, und wir brauchen auch optimierte Fahrerhäuser, um potenzielle, lebensgefährliche Gefährdungen von Fußgängern und Radfahrern zu reduzieren. Damit unterstützen wir auch die Kraftfahrer selbst. Ihnen wird in ihren Jobs sehr viel abverlangt. Wir brauchen auch in ihrem Sinne unbedingt bessere Sichtbeziehungen und diese technischen Einrichtungen, die die Anwesenheit von anderen Verkehrsteilnehmern den Fahrern vor dem Fahrzeug und an den Seiten anzeigen. Sehen und gesehen werden – das ist auch das oberste Gebot im Straßenverkehr.

Da herrscht beim Abbiegen eine große Gefahr, und noch mehr Spiegel für die Lkw-Fahrer, um den toten Winkel zu reduzieren, werden grundsätzlich das Problem nicht lösen können. Durch weitere Spiegel kann der tote Winkel letztendlich reduziert, aber nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Die Wirksamkeit von Spiegeln ist also begrenzt, und letztlich schaffen sie in manchen Fällen

auch direkt Probleme: Sie können die Sicht versperren und führen auch nicht gerade zur Übersichtlichkeit in der Fahrerkabine. Es bleibt also eine latente Gefahr.

Wir müssen bei alledem natürlich immer die Verkehrsinfrastruktur mitdenken, beispielsweise bei Kreuzungen, und durch den entsprechenden Umbau müssen wir diese Kreuzungen in Berlin sicherer machen. Aber was wir in jedem Fall brauchen, ist auch die technische Optimierung der Fahrzeuge. Wir fordern also die verpflichtende Einführung des Abbiegeassistenten. Verschiedene Hersteller entwickeln hier Systeme, mit deren Hilfe mit Radarsensoren die gesamte Länge des Lkws sowie die Bereiche hinter und vor dem Fahrzeug überwacht werden können. Unfallforscher gehen davon aus, dass damit jeder zweite Unfall zwischen Lkws, Fußgängern und Radfahrern vermieden werden kann.

Außerdem wollen wir auch prüfen, ob die Nachrüstung von Bestands-Lkws mit Abbiegeassistenten möglich ist und inwiefern dort auch Fördermöglichkeiten geschaffen werden können. Die Anschaffung eines Abbiegeassistenzsystems bewegt sich ungefähr im Rahmen von 1 500 Euro pro Lkw. Das sind also Kosten, die eine kluge und nachhaltige Investition beinhalten. Sie würden den Arbeitsalltag von Kraftfahrern deutlich erleichtern und wären ein Sicherheitsgewinn für die Allgemeinheit.

Wichtig ist, das Problem natürlich grenzüberschreitend zu betrachten. Wir brauchen die Unterstützung auf europäischer Ebene. Wir brauchen feste, international einheitliche Kriterien für die Prüfung von Abbiegeassistenzsystemen, um sie dann über EU-Typgenehmigungsvorschriften verbindlich einzuführen.

An dieser Stelle sei die Bemerkung erlaubt, dass den Überlegungen, die gerade auf europäischer Ebene zur künftigen Regelung der Ruhezeiten von Fahrern im Fernverkehr kursieren, deutlich widersprochen werden muss. Ihnen sollen künftig statt nach zwei Wochen nunmehr erst nach vier Wochen 48 Stunden zusammenhängende Ruhezeit zur Verfügung stehen. Das ist ein Skandal, und da kann ich sagen, dass wir als Linke da ganz klar auch an der Seite der Gewerkschaften stehen. Die Sicherheit im Straßenverkehr muss immer vorgehen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Letztendlich werden auch diese technischen Systeme nicht dazu führen, dass wir komplett Unfälle vermeiden. Menschliches Versagen können wir nie ausschließen, das wird sich nicht vermeiden lassen. Aber wir können mit dem gemeinsamen politischen Willen die Weichen dafür stellen, dass wir die von der Fachwelt favorisierten technischen Lösungen an den Fahrzeugen fördern und flächendeckend etablieren. – Vielen Dank!

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Schmidt das Wort. – Bitte schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier ein ganz ernsthaftes Problem, denn es sind immer wieder tragische Unfälle beim Rechtsabbiegen zu beklagen. Und dabei sind besonders die Unfälle mit den Lkws sehr gefährlich, denn diese sind groß und schwer und können nun mal ihre Umgebung schlecht einsehen.

Und, Herr Scholtysek, ja, manchmal sind auch die Fußgänger und Radfahrer selbst daran schuld, nur das Problem ist, dass sie dann eben schwer verletzt oder tot sind, und dann nützt es einem auch nichts, im Nachhinein zu diskutieren, wer recht gehabt hat.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Wir hatten solche Unfälle in den letzten Wochen, wir hatten tote Radfahrer und Fußgänger in dieser Stadt, und das ist einfach nicht hinzunehmen. Deshalb ist es richtig, dass technische Möglichkeiten, die bestehen, auch tatsächlich genutzt werden, wenn sie solche Unfälle verhindern können. Und deshalb ist eine solche Bundesratsinitiative auch grundsätzlich sinnvoll.

Man muss natürlich sagen, dass das lange dauern wird, dass das höchstwahrscheinlich erst mal nicht sofort eine Auswirkung auf die Lkws im Bestand haben wird, dass die europäischen Abstimmungsprozesse, die nötig sind, sicherlich nicht einfach sein werden. Und ein deutscher Alleingang ist eher nicht möglich.

Aber man muss auch sagen, dass selbst bei optimaler technischer Ausrüstung – da hat Herr Scholtysek recht – solche Unfälle nicht komplett zu verhindern sind und dass es deshalb auch weiterer Maßnahmen bedarf. Dazu gehört zum Beispiel, Kreuzungen so umzubauen, dass Fahrradfahrer und Fußgänger sichtbarer werden. Und natürlich gehört auch dazu, dass all diese technischen Maßnahmen die Verkehrsteilnehmer nicht ihrer Verantwortung entheben und dass es kein blindes Verlassen auf technische Lösungen geben kann, sondern dass Mitdenken, Rücksichtnahme und Vorsicht bei allen Verkehrsteilnehmern nötig sind, wie es die Straßenverkehrsordnung fordert.

[Beifall bei der FDP]

Mit einem gefährlichen Fehlverhalten der anderen muss man jederzeit rechnen, das lässt sich nicht komplett abstellen. Deshalb brauchen wir auch eine bessere Verkehrserziehung und vor allem auch eine wirklich konse

quente Ahndung von Verkehrsverstößen in dieser Stadt. Es gibt viel zu viele Verkehrsrowdys. – Technische Einrichtungen werden also diese Probleme nicht lösen können.

Anders als Herr Friederici komme ich zu der Frage, wie wir jetzt abstimmen werden, erst am Schluss.

[Paul Fresdorf (FDP): Ah, ein Spannungsbogen!]

Die Initiative ist für uns als Freie Demokraten grundsätzlich sinnvoll, und deshalb werden wir in der jetzt beantragten sofortigen Abstimmung diesem Antrag zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Antragsteller haben die sofortige Abstimmung beantragt. Wer also dem Antrag Drucksache 18/0817 zustimmen möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, FDP, AfD und auch die beiden fraktionslosen Abgeordneten – damit alle. Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der FDP]

Ich rufe nun auf die

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 33

Einsetzung einer Enquete-Kommission „100 Jahre (Groß-)Berlin 2.0 – zu einer Verwaltungs- und Parlamentsreform für das Berlin des 21. Jahrhunderts“

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0806

In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Hier hat der Abgeordnete Herr Hansel das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! 2020 wird das Groß-Berlin-Gesetz, das Berlin seine zweistufige Verwaltung beschert hat, 100 Jahre alt. Nach diesen 100 Jahren und 17 Jahre nach dem letzten großen Schritt der Gebietsreform von 2001 dürfte es Konsens sein, dass Berlin weiterhin fit für das 21. Jahrhundert sein muss.

Konsens im Haus dürfte ebenfalls ein: Wir wollen die Berliner Verwaltung bürgerfreundlich, bürgernah und zukunftsfest machen. Dazu braucht es aber mehr als nur politischen Willen. Dazu braucht es strukturelle Grundlagen, die so ausgestaltet sind, dass politischer Wille auch

umsetzbar ist. Darum ist es immer wieder notwendig, darüber nachzudenken, ob die vorgefundenen Strukturen passen oder ob sie ein Hindernis für vernünftiges, auf das Gesamtwohl der Berliner ausgerichtetes politisches Handeln darstellen. Für eine neue politische Kraft ist es eine Pflicht, hier die Diskussion wieder in Gang zu setzen, schon deshalb, weil wir noch nicht in dem Maße in versorgungstechnische Abhängigkeiten verstrickt sind wie die Parteien bzw. Kollegen, die schon länger hier sitzen.

[Beifall bei der AfD]

Und was einem hinter vorgehaltener Hand von Kollegen anderer Fraktionen so zugeflüstert wird, zeigt, dass es durchaus ein veritables Interesse gibt, in der Frage der Verwaltungsreform einen Schritt weiterzukommen. Darum beantragen wir jetzt die Einsetzung einer EnqueteKommission, die ergebnisoffen die in einer einschlägigen Publikation zur Analyse der Bezirksverwaltungs- und Funktionalreform in Berlin gestellte Frage beantworten soll: Ist Berlin noch zu retten? Es ist Ziel, Empfehlungen zu erarbeiten, wie eine transparente und effiziente Aufgabenverteilung zwischen Hauptverwaltung und Bezirksverwaltungen unter dem zunehmenden Druck der wachsenden Stadt – Ihr Mantra – institutionell gestaltet werden kann. Dass das nottut, sehen wir an der Schulsanierungsaufgabe.

Unzweifelhaft gibt es einen erheblichen, veritablen vertikalen Koordinationsbedarf zwischen den Senatsverwaltungen und den Bezirksverwaltungen, um den Aufgaben hier gerecht zu werden. Hamburg, wo einiges besser läuft als in Berlin, kann dabei vergleichend zurate gezogen werden. Im internationalen Kontext wären die Metropolen London mit den Boroughs und Madrid, ebenfalls ein Bundesland und Kommune, durchaus vergleichbar.

Wir wollen diese Fragen direkt verbinden mit der Notwendigkeit einer Diskussion um eine Parlamentsreform, auf die auch Präsident Wieland immer wieder drängt, bisher aber ohne Unterstützung dieses Hauses. Allein die heutige Tagesordnung zeigt, dass die vielen Themen, die wir bearbeiten müssen, nicht vernünftig abgearbeitet werden, sondern teilweise ohne Besprechung in die Ausschüsse verwiesen oder gleich vertagt werden müssen. Ein Teilzeitparlament, wie es unser Abgeordnetenhaus – theoretisch – immer noch ist, wird den Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr gerecht. Das bedeutet: Das Abgeordnetenhaus muss verkleinert und professionalisiert werden.

[Beifall bei der AfD]

160 Abgeordnete sind eindeutig zu viel. 80 bis 100 dürften sicher reichen.

Wir wollen mit dieser Koppelung viele verwaltungs- und demokratietheoretische Aspekte auf die Anwendbarkeit auf Berlin untersuchen. Als wichtiges Beispiel nenne ich die Wahl und Auswahl der Bezirksbürgermeister und Stadträte. Gerade vor Ort müssen verstärkt Verwaltungs

fachleute die Verwaltung führen. Und damit meine ich nicht Fachleute im Auskungeln von Pöstchen in Hinterzimmern.

[Beifall bei der AfD]

Unser Antrag ist zu umfassend, um in allen Punkten vorgetragen zu werden, und er will auch keine Antworten liefern, sondern die Fragen stellen, für deren Beantwortung wir uns bis Herbst 2020 Zeit lassen sollten, um die sich aus der Diskussion ergebenden Empfehlungen noch in dieser Legislaturperiode in ein Reformwerk zu gießen, das dann bereits in der 19. Wahlperiode seine Wirkung entfalten könnte. Das ist zwar sehr ehrgeizig, aber bei gutem Willen machbar.

Sie werden sagen, bisher seien Sie immer bemüht gewesen, im parlamentarischen Vorfeld im Konsens aller Fraktionen über ein zusätzliches Gremium wie die Enquete-Kommission zu beschließen. Das mag so sein. Wir haben Ihnen unseren Entwurf jedenfalls vorab als Angebot zu einem interfraktionellen Antrag zur Verfügung gestellt, um diesen Konsens herzustellen. Eine Reaktion blieb aus. Das mag Gründe haben. Einen, den wichtigsten vielleicht, habe ich genannt: dass Ihnen dann möglicherweise Spielmasse für Versorgungsposten für Parteisoldaten verlorengehen. Das kann ich nachvollziehen, und darum ist es genau an uns, weil wir davon – noch – frei sind, dieses Zeitfenster zu nutzen, um diese Reform jetzt in Gang zu setzen. Wir machen es Ihnen also leichter.

Nehmen Sie unser Angebot an! Springen Sie auf den fahrenden Zug auf! Lassen Sie uns in den Ausschüssen sorgfältig beraten, welchen gemeinsamen Fragenkatalog mit welchen externen Fachleuten wir in der einzusetzenden Kommission abarbeiten wollen, um den Berlinern am Ende etwas zu geben, was sie verdienen, aber nicht haben: eine dienende effiziente Verwaltung, die von unten, vom Bürger, von seinen Nöten und Wünschen her denkt. Wir sind es den Berlinern schuldig.

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Abgeordnete Herr Zimmermann das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Berlin hat eine den Bürgerinnen und Bürgern dienende Verwaltung. Dafür sorgen wir. Dafür haben auch die Beschäftigten in der Berliner Verwaltung ihren eigenen Anspruch und ihr Engagement, um das zu erfüllen. Und das, glaube ich, sollten wir nicht diskreditieren am Beginn einer solchen Debatte über eine Enquete-Kommission.