Protocol of the Session on January 11, 2018

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild gemäß § 64 Absatz 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt auch hier bis zu drei Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Dass ich mal mit Frau Schubert einer Meinung sein würde, hätte ich nicht geglaubt!

[Heiterkeit bei der AfD]

In unregelmäßigen Abständen werden Ladenöffnungszeiten sowie Sortiment und Öffnungen von Spätverkaufsstellen im Abgeordnetenhaus besprochen. Dies hat dazu geführt, dass wir am Abend bis 23.30 Uhr und sonnabends bis 22.30 Uhr einkaufen können. Es gibt Lieferserviceunternehmen. Es gibt Bringedienste und Restaurants und eine ausreichende Versorgung von Touristen aller Einkommensklassen auf Tankstellen und Fernbahnhöfen.

Es ist für mündige Erwachsene zumutbar, vorausschauend zu planen und für Sonntag vier Windeln, eine Tüte Milch, ein Paket Babybrei und ein Fertiggericht bereits am Sonnabend zu erwerben.

[Paul Fresdorf (FDP): Das ist aber keine ausgewogene Ernährung, Herr Wild!]

Und es kann auch erwartet werden, dass man vernünftige Vorräte anlegt. Es wird nicht ein Cent mehr verdient, wenn wir diese Spätis sonntags offen haben und die Restaurants dafür weniger besucht werden. Menschen essen ungefähr die gleichen Mengen an jedem Tag. Die Abschaffung eines Ruhetages, der in allen Weltanschauungen verankert ist, wird nicht zur Verbesserung unserer Lebensqualität führen. Aber sie wird dazu führen, dass Mitarbeitern des Einzelhandels die gemeinsame Familienzeit vorenthalten wird. Der Einzelhandel hat eher Verluste, wenn er seine Umsätze in längeren Öffnungszeiten erwirtschaften muss.

In mediterranen Urlaubsorten gibt es noch die kleinen Tante-Emma-Märkte, von denen vorhin auch die Rede war, die ein Angebot des täglichen Lebens haben, von früh bis spät geöffnet haben. Das Sortiment lässt warme Mahlzeiten zu. Es ist aber nicht vergleichbar mit dem Späti am Görlitzer Bahnhof, denn der Späti am Görlitzer Bahnhof hält ein wenig leicht verderbliches Gemüse aus Brandenburg bereit, aber nicht aus Liebe zum Gemüse, sondern als Nachweis für das Ladenschutzgesetz, welches ihm in der jetzigen Fassung dadurch eine längere Öffnungszeit, auch am Sonntag, ermöglicht.

Vor allem geht es in den Spätis um den meterlangen Verkauf von Alkoholika, am besten gegen Cash an Gastronomen, und um den Verkauf von Zigaretten, Tabakpäckchen, Zigarettenpapier und Filter für den Drogenkonsum. Unsere Gesetzgebung sollte auf Gesundheitserhalt ausgerichtet sein. Wir brauchen keine neuen Spätis. In der Umgebung der Warschauer Straße führen grelle Leuchtreklamen, nächtliches Klimpern von Bierflaschen, öffentliches Trinken und Singen zu erheblichen Beeinträchtigungen dort ansässiger Bürger. Auch in Friedrichshain-Kreuzberg haben die Anwohner ein Recht auf Schlaf, auf eine gesunde Umgebung und ein Recht auf drogenfreie Kinder. – Danke schön!

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

(Marc Urbatsch)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Es wird die Überweisung der beiden Anträge Drucksachen 18/0735 und 18/0736 federführend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe empfohlen. Widerspruch dazu höre ich nicht – dann verfahren wir so.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 19:

Generalistische Pflege – nein, danke!

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0737

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP, und hier hat der Abgeordnete Seerig das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation in der Pflege ist nicht erst seit entsprechenden Wahldiskussionen im Zusammenhang mit der Bundestagswahl in aller Munde. Wir sind uns, glaube ich, darüber alle einig, dass eine bessere Ausbildung in diesem Bereich ein Schlüssel ist, um den bestehenden und vor allem den wachsenden Bedarf zu befriedigen. Denn der Iststand an Interesse an einer Pflegeausbildung wäre nicht in der Lage, die Lücke, die es derzeit zwischen dem Interesse junger Menschen und dem objektiven Bedarf an Pflegekräften gibt, zu schließen. Es sollte denn unser aller Interesse sein, dass wir es auch gerade in diesem Bereich mit Fachleuten und nicht mit kurz qualifizierten Quereinsteigern zu tun haben.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Herbert Mohr (AfD)]

Der entsprechende Konsens ist, glaube ich, über alle Parteien hinweg vorhanden. Wir denken aber, dass die vorgesehene generalistische Ausbildung hier eine Sackgasse ist, die das Problem nicht löst, sondern es nicht nur, aber gerade im Bereich der Altenpflege verschärft. Das Vorbild in diesem Bereich der Pflege sollte der übrige medizinische Bereich sein. Das heißt, wir brauchen gerade und auch in der Pflege Spezialisten statt Generalisten.

[Beifall bei der FDP]

Denn nur so sind wir den künftigen Herausforderungen in diesem Bereich wirklich gewachsen. Wir denken, dass der integrative Ansatz, auch Stuttgarter Modell genannt, ein sinnvollerer Weg ist, weil er eine Balance zwischen Theorie und Praxis schafft – das heißt, eine zweijährige einheitliche Ausbildung für den gesamten Bereich der Alten-, der Kranken- und der Kinderkrankenpflege und danach möglichst eine Schwerpunktsetzung, in der dann insbesondere auch die praktische Ausbildung in einem Fachgebiet erfolgt, also eine spezialisierte Ausbildung plus eine spezialisierte Prüfung. Damit wird ein umfassendes Basiswissen mit der aus unserer Sicht gerade im

Pflegebereich dringend notwendigen Spezialisierung verbunden, denn Altenpflege braucht ein anderes Knowhow als Kinderkrankenpflege. Das Stichwort Gerontopsychiatrie versus Kinderpsychologie sollte da reichen.

Das Ergebnis eines solchen Ausbildungsganges wären eine hohe Flexibilität und gleichzeitig auch sehr gute Weiterentwicklungspotenziale. Wissenschaftliche Untersuchungen dieser Bereiche haben gezeigt, dass eine Spezialisierung möglichst früh geschehen sollte, also nicht erst im Rahmen der Berufstätigkeit. Wenn man das so sieht – und die Wissenschaft sieht es so –, sollten wir Konsequenzen ziehen. Berlin hat dem Thema Pflege mit einem eigenen Ressort ein ganz besonderes Gewicht gegeben. Jetzt ist Berlin auch in der Pflicht, hier inhaltlich Vorreiter und Meinungsführer zu sein, denn gerade die Pflege braucht fachliche Profis und keine Generalisten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion der SPD hat die Abgeordnete Frau Radziwill das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Das ist ein interessanter Antrag der FDP. Herr Seerig! Ich kann zwar Ihnen persönlich abkaufen, dass Sie Interesse haben, dort für die Betroffenen mehr zu machen, aber ich glaube einfach nicht, dass Ihre Partei, die FDP, vorhat, dort in der Pflege etwas Besseres zu machen. Sie haben im Bundestagswahlkampf nichts zur Pflege in Ihrem Wahlprogramm gehabt, und ich finde es auch interessant, wie Ihr Parteivorsitzender das Thema Pflege beherrscht, nämlich gar nicht.

[Henner Schmidt (FDP): Lesen Sie doch unseren Antrag! – Weitere Zurufe von der FDP]

Sie ignorieren die gesellschaftlichen Herausforderungen, und Sie ignorieren auch, dass in diesem Land eine längere Debatte stattgefunden hat und auf der Bundesebene ein Prozess eingeleitet worden ist, der auch eine Entwicklung im Gesetzesbereich genommen hat.

Was ist der aktuelle Stand? – Den könnten wir uns an der Stelle mal kurz anschauen. Das Pflegeberufegesetz wurde am 24. Juli letzten Jahres verkündet und soll stufenweise bis 2020 umgesetzt werden, sodass der erste Ausbildungsjahrgang dann 2020 beginnen kann. Drei Jahre haben wir nun also Zeit, damit die Pflegeschulen und die Ausbildungsbetriebe eine neue generalistische Ausbildung in die Wege leiten können. Ich denke, dass die generalistische Ausbildung nicht per se schlecht ist, und was Sie hierzu dargestellt haben, will ich an der Stelle zurückweisen.

Sehr wohl müssen wir nun schauen, wie wir das umsetzen, und hier will ich eine erneute Kritik an die Bundesebene richten – und es wäre schön gewesen, wenn auch Sie das in Ihrer Rede als Appell formuliert hätten –: Wir brauchen dringend die notwendigen Verordnungen, denn ohne die ist es schwierig, das Gesetz umzusetzen. – Wir sollten uns darauf konzentrieren, wie wir es gut umsetzen, statt generell eine Rückabwicklung zu fordern. Ich denke, es ist wichtiger, dass Sie aufgrund Ihrer fachlichen sozialpolitischen Kompetenz – ich schätze Sie dafür im Ausschuss durchaus – Ihren Parteioberen mal mitteilen, dass sie auf der Bundesebene anders agieren sollten.

An der Stelle, weil es einfach gut passt, möchte ich auch auf ein Gespräch zwischen Ihrem Parteivorsitzenden Herrn Lindner und dem Azubi Alexander Jorde im ZDFJahresrückblick hinweisen. Da hat Ihr Bundesvorsitzender Herr Lindner nicht geglänzt und wunderbar dargestellt, wo Sie stehen. Bei Ihnen steht nämlich in der Pflege nicht der Mensch im Vordergrund. Sie haben in Ihrer neoliberalen Politikwelt den einzelnen Menschen definitiv nicht im Blick. Was die Pflege braucht, ist etwas anderes. Die Pflege braucht eine bessere Bezahlung, bessere Tarifverträge, bessere Arbeitsbedingungen, bessere gesellschaftliche Anerkennung und natürlich auch die Akademisierung.

Sie wissen – und an der Stelle will ich das auch positiv erwähnen –, dass dieser Senat sein Bestes versucht.

[Georg Pazderski (AfD): Versuchen reicht nicht – machen!]

Es ist auch gut, mal positiv hervorzuheben, dass jüngst – und damit liefere ich Ihnen ein wunderbares Beispiel – bei den ambulanten Pflegediensten die Bezahlung um 6 Prozent erhöht wurde. Das ist schon mal ein Erfolg. Der vorliegende Antrag führt hingegen nicht weiter. – Vielen Dank für die Mühen!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Die Fraktion der FDP hat eine Kurzintervention angemeldet. – Herr Seerig, Sie haben das Wort. – Bitte!

Ich frage mich, worüber die Kollegin eben sprach. Offensichtlich hat sie keinen Blick in das Wahlprogramm der FDP geworfen – denn dort steht genau die Forderung, die wir als Antrag eingebracht haben, drin.

[Beifall bei der FDP]

Und eine Rückabwicklung sehe ich nicht. Den Mist, den die große Koalition an dieser Stelle in den letzten Jahren gemacht hat, konnten wir dummerweise im Bundestag nicht kritisieren. Das werden wir jetzt halt nachholen.

[Beifall bei der FDP]

Bitte, Frau Radziwill! – Sie haben das Wort.

Herr Kollege! Ich verstehe Ihre Worte und den Begriff „dummerweise“ so, dass das eher an Ihren Bundesvorsitzenden Herrn Lindner gerichtet ist.

[Paul Fresdorf (FDP): Sie haben es wieder nicht verstanden!]

Der hätte ja in die Jamaika-Koalition reingehen und versuchen können, das auf Bundesebene umzusetzen. Das hat er aber nicht. Also: Wo steht die FDP in der Pflegepolitik? – Nicht an der richtigen Stelle! Ihr Antrag ist nicht richtig. Wir lehnen das ab. Punkt.

[Paul Fresdorf (FDP): Sie verstehen es einfach nicht, Frau Radziwill! – Weitere Zurufe von der FDP]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Dr. Ludewig das Wort. – Bitte schön!

[Unruhe]

Meine Herren! Herr Ludewig hat jetzt das Wort.

Danke! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nicht so, dass Frau Radziwill und ich immer einer Meinung waren, aber wenn man den Antrag genau liest, der ja nur sage und schreibe zwei Zeilen umfasst, sieht man, dass es genau das ist, was Frau Radziwill ausgeführt hat: