Aber wir können noch mehr festhalten: Wir sehen auch einen Trend, der besorgniserregend ist. Wir sehen den Trend, diejenigen Institutionen im Land Berlin zu schwächen, relativ gesehen und zugleich gemessen an ihren künftig steigenden Aufgaben, die für die Kontrolle staatlichen Handelns stehen und als unverzichtbares Korrektiv im Zeitalter der Digitalisierung wirken.
Der Landesrechnungshof büßt genauso Ressourcen ein wie die Berliner Datenschutzbeauftragte und für Informationsfreiheit zuständige Behörde. Trotz unzweifelhaft wachsender Aufgaben erfährt sie keine Ressourcensteigerung. Kontroll- und Korrektivbehörden schwächen, digitale Bürgerrechte nicht angemessen alimentieren, das ist die Bilanz des Haushalts 2018/2019.
Mit den neuen europäischen Datenschutzvorgaben ab Mai 2018 wachsen hingegen die Rolle und die Verantwortung der Berliner Datenschutzbeauftragten. Ihr Aufgabenspektrum wird sich unzweifelhaft und signifikant ändern. Sie wird sich von einer Korrektiv- und Beratungsbehörde zu einer Vollzugsbehörde weiterentwickeln. Sie wird wesentlich mehr Aufgaben und Beratungsverantwortung wahrnehmen als bislang. Sie wird den Ausbau des behördlichen Datenschutzes begleiten. Sie wird die Einhaltung der Zweckbindung bei der Verarbeitung personengebundener Informationen intensiv
kontrollieren. Sie sichert insgesamt zusätzliche Beratung zu. Sie begleitet Gründer und Ideenträger. Und sie sorgt neu für den Vollzug. Das Aussprechen von Bußgeldern gegenüber privaten Unternehmen und die Anordnungsbefugnis zum Stopp der Verarbeitung personengebundener Daten im öffentlichen Bereich bei Verstößen gegen das neue Datenschutzrecht sind scharfe Instrumente. All das erfordert zusätzliche Ressourcen.
Stichwort behördlicher Datenschutz: Was tut denn der Senat hier? Wie ist der Stand? – Datenschutz ist im neuen Recht unzweifelhaft Führungsaufgabe, unteilbar und nicht mehr weiter delegierbar. Nichts ist bekannt vom Senat. Auch hier keine sichtbare derzeitige Initiative, weder bei der Vorlage notwendiger neuer landesgesetzlicher Ergänzungen und Vorgaben noch bei der verwaltungsseitigen Vorbereitung zusätzlicher datengesetzlicher Aufgaben aufseiten der Verwaltung. Auch hier keine Aktivität, keine Aussage in den Haushaltsberatungen!
Ja, ich bin auch ganz gerührt davon! – Wir erwarten vom Senat in dieser Legislatur keine Verbesserung in Sachen Datenschutz, keine Verbesserung in Sachen Grundrechtsschutz. Datenschutz steht aber im Einklang und auf Augenhöhe mit der Digitalisierung. Wir erwarten von Ihnen nichts in Sachen Informationsfreiheit und nichts in Sachen Transparenz. Wir werden selbst agieren.
Wir werden das Recht auf Selbstauskunft von Bürgerinnen und Bürgern durch eigene Initiative im Parlament neu priorisieren, informationelle Selbstbestimmung auszubauen versuchen, Transparenz zu erhöhen versuchen. Wir werden einen Vorschlag für ein Transparenzgesetz vorlegen.
Wir stellen uns dem Fortschritt. Wir beschleunigen den Fortschritt für eine funktionierende Stadt. – Vielen Dank!
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt eine Erwiderung angemeldet. – Herr Wesener, bitte, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin, vielen Dank! – Herr Schlömer! Sie haben ja keine Zwischenfrage gestattet. Deswegen versuche ich es jetzt mal auf diese Art und Weise. – Sie haben gesagt, Sie wollen es sachlich halten. Es war leider größtenteils falsch, was Sie erzählt haben.
Fangen wir damit an: Wir reden hier nicht über Senatsbeauftragte, sondern über unabhängige Beauftragte. Und wir stärken als Rot-Rot-Grün in dem nächsten Doppelhaushalt diese unabhängigen Beauftragten. Das gilt für den Rechnungshof. Das gilt für die Datenschutzbeauftragte. Und das gilt auch für den Landesbeauftragten.
Ansonsten habe ich noch eine einzige Frage: Herr Schlömer! Können Sie mir bestätigen, dass in diesem rotrot-grünen Doppelhaushalt der Datenschutz in den nächsten zwei Jahren zehn weitere Stellen, darunter eine Fremdsprachensekretärin/einen Fremdsprachensekretär, sowie eine Hebung erhält? Ein Ja als Antwort reicht mir. – Vielen Dank!
Bleiben Sie mal ruhig! Ich bleibe auch ganz sachlich und ruhig. Das Feldgeschrei irritiert mich da nicht.
Was Sie nicht erreicht haben, ist: Sie haben erst auf hohen Druck einen zusätzlichen Antrag eingebracht, dass zehn zusätzliche Stellen im niedrig besoldeten Bereich bereitgestellt werden. Stellenhebungen, wie sie von der unabhängigen Datenschutzbeauftragten vorgesehen waren, haben Sie nicht vollzogen. Es sind insbesondere für die Anwendung des Datenschutzrechts Kreativtätigkeiten notwendig, die nur von erfahrenen Juristen im höheren Dienst durchgeführt werden können. Diese Stellenzuwächse haben Sie nicht in der geeigneten Form zugelassen. Ich will die zwei A 16 jetzt mal weglassen. Das ist kein Erfolg von Regierungspolitik.
[Torsten Schneider (SPD): Zwei A 16 wollen Sie wegfallen lassen? Das nennt man jetzt Wortkrepierer!]
Weitere Wortmeldungen zu diesem Bereich liegen nicht vor. Die Abstimmungen zu den Einzelplänen finden am Ende der Sitzung statt.
Einzelplan 03, Kapitel: 03 30 (Wissenschaft), 03 40 (Forschung) 03 91 (Sekretariat der Kulturministerkonferenz)
sowie Einzelplan 12, Kapitel: 12 50 (MG 03 – Hochbaumaßnahmen Regierende Bürgermeisterin/Regierender Bürgermeister)
zur gemeinsamen Beratung und verknüpfe dies mit der Beratung über den Auflagenbeschluss des Hauptausschusses Nr. 30 Drucksache 18/0700. In der Rederunde beginnt die Fraktion der SPD. Hier hat die Abgeordnete Frau Dr. Czyborra das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die großartige Leistung, in den Hochschulverträgen und im Charité-Vertrag 3,5 Prozent jährlich und somit eine zuverlässige Grundlage, also Aufwuchs, für die Wissenschaft in Berlin zu legen und damit die höchste Steigerung aller Bundesländer zu vereinbaren, wurde schon alles in diesem Haus gesagt, aber über Wissenschaft und Forschung noch zu wenig, denn fast 2 Milliarden sollten schon gut begründet werden.
Selbstverständlich sind unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen ein wichtiges Rückgrat dieser Stadt, wollen wir in den Rankings ganz oben sein, international konkurrenzfähig und exzellent. Braucht Wissenschaft eine Rechtfertigung? – Nein! Sie ist die Grundlage zivilisierter Gesellschaften. Trotzdem ist die Frage nach dem Nutzen für uns alle eine sinnvolle.
Eine Ringvorlesung von unserem Weltrang-Top-Ten- Exzellenzcluster Topoi an der FU beschäftigt sich gerade im offenen Hörsaal mit der Frage von Identität, mit dem Eigenen, dem Fremden, der Multikulturalität, Geschlechterverhältnissen, Rassismus, Gruppenbildungen. Sie erforschen Mensch, Raum und Zeit. Wie wurden in der Geschichte gesellschaftliche Probleme gelöst: Wasserversorgung, Handel, Mobilität, Friedenssicherung? Auch von solchen abstrakt erscheinenden Forschungsansätzen können wir praktischen Nutzen ziehen.
Unsere Fragen nach Herkünften, Ursprüngen, Kulturen, Nationen, aber auch die Traumata und Zerrissenheiten können erforscht und vielfältig beantwortet, hinterfragt und aufgebrochen werden. Wissenschaft ist auch Einwanderungs- und Integrationspolitik.
Aber Wissenschaft und Forschung bringen auch Menschen in diese Stadt. Sie kommen zum Forschen, Studieren, zu Kongressen. Sie gründen Unternehmen aus den Einrichtungen heraus. Sie lassen sich an der Charité behandeln. Wissenschaft ist Wirtschaftspolitik und Gesundheitspolitik.
Berlin hat hier, und gerade auch mit diesem Haushalt, das Potenzial, weltweit an der Spitze mitzumischen. Und wenn Macrons Idee von den wahrhaft europäischen Universitäten Gestalt annimmt, muss auch Berlin mitreden. Wissenschaft ist auch Europapolitik.
Aber was ist mit den letzthin viel zitierten Sorgen und Nöten der Menschen im Alltag? – Zunächst einmal hilft gegen Angst nichts besser als Wissen. Aber es wird auch ganz praktisch: Ein Ärgernis in dieser Stadt, die meisten von uns kennen das, ist der Fahrraddiebstahl. Wenn ich einen Diebstahl anzeige, dann bekomme ich einige Wochen später die obligatorische Einstellung der Ermittlungen. Wenn ich z. B. alle Fahrräder meiner Familie versichern möchte, kostet mich das stolze 60 Euro im Monat. Das ist eine Menge Holz. Das Risiko des Fahrraddiebstahls scheint weitgehend privatisiert. – Und dann haben wir da ein kleines Forschungsprojekt am Institut für angewandte Forschung, das wir mit diesem Haushalt finanziell gestärkt haben. In dem forschen Fachhochschulen gemeinsam mit der Polizei darüber, wie man mit Geotracking dem Problem besser beikommen kann.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie könnten Ihr Fahrrad in dieser Stadt wieder relativ risikofrei abstellen! Wissenschaft ist also auch Innenpolitik.
Neurologie und Psychologie geben uns eine immer bessere Vorstellung davon, was Gewalterfahrung mit den Gehirnen macht, besonders bei Kindern. Wir lernen, welche immense langfristige Auswirkung innerfamiliäre Gewalt, jede Form von Gewalt hat. Bis hin zu den Problemen im Tiergarten ist es notwendig, besser zu verstehen, wie Menschen dorthin gekommen sind und wie man ihnen helfen kann. Wir brauchen bessere Methoden gegen Gewalt, bevor sie sich inklusive Bildungsversagen und Kriminalität Generation um Generation vererbt.
Wissenschaft ist Justiz- und Antigewaltpolitik. Wir haben in Berlin gerade das neue Internetinstitut eröffnet. Es wird getragen von Universitäten und dem Wissenschaftszentrum Berlin. Und es erforscht vor allem die soziologischen Fragen der digitalen Revolution: Wie werden wir