Protocol of the Session on December 14, 2017

Wissenschaft ist Justiz- und Antigewaltpolitik. Wir haben in Berlin gerade das neue Internetinstitut eröffnet. Es wird getragen von Universitäten und dem Wissenschaftszentrum Berlin. Und es erforscht vor allem die soziologischen Fragen der digitalen Revolution: Wie werden wir

morgen arbeiten? Wie wehren wir uns gegen ausbeuterische Geschäftsstrategien? Was hat das alles mit Arbeitsplatzsicherheit, Finanzierung des Gemeinwesens und vielem anderen zu tun? Wie muss sich unser Bildungswesen verändern? Welche Chancen und Risiken liegen in diesen Entwicklungen? Und müssen wir das ergeben hinnehmen, oder können wir gestalten?

Wissenschaft ist Bildungs-, Arbeits- und Finanzpolitik. Die Mathematik trägt ebenfalls zu Lösungen vieler aktueller Probleme bei: Errechnung optimaler Verkehrs- und Energieflüsse; die Biologie zum Pflanzenschutz, zu Anbaumethoden, Welternährungsfragen. Wissenschaft ist Zukunfts- und Friedenspolitik.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Eine einseitig ideologische wie z. B. neoliberal ausgerichtete Wirtschaftswissenschaft kann auch Schaden anrichten,

[Lachen bei der AfD und der FDP]

insbesondere wenn dann auf nicht einmal eintreffenden Prognosen, wo nicht einmal der Anspruch besteht, dass sie eintreffen sollten, weitreichende Empfehlungen in Lohn- und Rentenpolitik ausgesprochen werden. Aber selbst wenn uns wissenschaftliche Ergebnisse nicht gefallen, müssen wir mit wissenschaftlicher Methodenkritik daran gehen, sie im Zweifel widerlegen und nicht die Forscherinnen und Forscher niederschreien. Wissenschaft ist auch Freiheit und Demokratie.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Deswegen ist eine starke öffentliche Finanzierung der Wissenschaft auch Geld für innere Sicherheit, für Sozial- und Jugendpolitik, Arbeitsmarkt, Integration, Verkehr, Energie und Umwelt, für Frieden und Sicherheit in der Welt und auch Geld für die Kultur, die unsere Gesellschaft im Inneren zusammenhält. Daher bitte ich um Zustimmung zu Einzelplan 03. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Die bekommen Sie!]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Dr. Hausmann das Wort. – Bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Um die Wissenschaft und Forschung steht es in Berlin nicht schlecht. Das hat mehrere Gründe. Einer von ihnen ist, dass der Bund durch unterschiedliche Programme enorm viele Geldmittel in den Berliner Landeshaushalt pumpt. So unterliegen wir in Berlin, aber auch Sie als

Koalition natürlich der Gefahr, dass man sich gerne einmal mit fremden Federn schmückt. Der Ehrlichkeit halber steht das in der Beschlussvorlage auch eindeutig drin. Dort steht Seite 18, Zitat:

Mit Hilfe von Bundesmitteln können auch in den kommenden Jahren Studienanfängerzahlen weit über die Verpflichtung Berlins nach dem Hochschulpakt hinaus abgesichert werden.

Zur Wahrheit gehört auch, dass es in dem Entwurf auch Positives gibt. So bilden die Haushaltspläne auf fünf Jahre angelegte Hochschulverträge ab, die den wissenschaftsbezogenen Aufwärtskurs aus den letzten Haushaltsplänen fortsetzen. Das ist richtig. Aber natürlich sind auch hier wieder Bundesmittel im Spiel.

Es gibt leider auch Negatives. Angesichts des dramatischen Lehrermangels sollen die Universitäten die Zahl ihrer Absolventen für das Lehramtsstudium auf 2 000 verdoppeln. Es ist – Verzeihen Sie mir! – aus meiner Sicht schon ein wenig lächerlich, wenn die Koalition hier mit zusätzlichem Geld versucht, das Interesse der Studenten am Lehramtsstudium zu wecken. Es handelt sich hierbei vielmehr um ein strukturelles Problem, um ein Anreizproblem und nicht um ein Problem, welches wir über Hochschulverträge oder über Haushaltspläne lösen können, zumindest nicht primär lösen können.

[Beifall von Martin Trefzer (AfD)]

Dann wird laut Haushaltsplan das Institut für Islamische Theologie finanziell ausgestattet. Auch hier tritt der Denkfehler bei der Koalition offen zutage, in den Beirat nur konservative Islamverbände zu installieren. Da kommen dann im Wissenschaftsausschuss teils sogar groteske Aussagen, dass dieses Institut ja einzig und allein der Wissenschaft diene. – Richtig ist, dass dieses Institut genauso wissenschaftspolitisch dienlich ist und sein muss, wie es integrationspolitisch und gesellschaftspolitisch dienlich sein muss. Wenn Sie sich von Anfang an, liebe Koalition, gegen liberale Islamverbände stellen, dann können Sie das Institut mit noch so viel Haushaltsmitteln unterlegen, wie Sie möchten, aber ein solches Institut wird dann eben nicht die Werte unserer Stadtgesellschaft tragen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Torsten Schneider (SPD): Das ist Kokolores!]

An den Berliner Hochschulen wurden Bewerbungen von Bachelor-Absolventen abgelehnt, die sich für ein Masterstudium an genau den Hochschulen beworben haben, wo sie den Bachelor gemacht haben, leider erfolglos. Hier besteht im Haushaltsplan auf jeden Fall Bedarf, über den Plan hinaus Mittel einzustellen, um gezielt Masterangebote zu schaffen. Das sehe ich nicht. Hier ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Und wenn dem Land so viel Geld zur Verfügung steht wie lange nicht mehr, egal ob durch Mittel des Bundes oder durch erhöhte, vermehrte Steuereinnahmen, frage ich: Warum schaffen Sie es nicht,

(Dr. Ina Maria Czyborra)

Studentenunterkünfte auf den Weg zu bringen? Es herrscht unter den Studenten schlicht Wohnungsnot. Und es passiert hier in Berlin nichts bzw. so gut wie gar nichts. Da muss an der Stelle dringend etwas getan werden. Aus meiner Sicht lassen Sie die Studierenden hier im Stich.

[Beifall bei der CDU]

Keine Sorge, liebe Koalition! Ich werde hier nicht noch den Daumen in die Wunde legen,

[Daniel Wesener (GRÜNE): Den Daumen?]

dass Sie die Kinderrettungsstation vom BenjaminFranklin-Krankenhaus im Stich lassen. Wenn ich aber im Haushaltsplan lese, was für riesige Summen hier der Berliner Haushalt zur Verfügung hat, bleibt der Plan an wichtigen Punkten hinter den Erwartungen der Berliner zurück. Das ist sehr schade, denn ich bin fest davon überzeugt, dass hier für Berlin noch einiges mehr nach oben möglich gewesen wäre. – Danke sehr!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulze das Wort. – Bitte schön!

[Torsten Schneider (SPD): Mach es doch einfach wie Gläser! Gebt der Koalition recht!]

Ich will Ihre Gespräche nicht unterbrechen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Hausmann! Ich möchte meine Redezeit jetzt gar nicht damit verwenden, Ihre ganzen Halbwahrheiten zu widerlegen, weil es so viele am Stück waren. Sie haben das alles schön aufgezählt. Dazu ist mir die Zeit, ehrlich gesagt, ein bisschen zu schade. Ich würde etwas über Brain-City und die Stadt des Wissens sagen. Mit Wissen hatte Ihre Rede jetzt gerade leider nicht so viel zu tun. Was bedeutet eigentlich Stadt des Wissens? – Stadt des Wissens ist mehr als Wirtschaft. Stadt des Wissens heißt Kreativität, neue Wege, Austausch und Kommunikation, Digitalisierung, und Stadt des Wissens heißt auch Selbstbestimmung. Dahinter steht auch ein Strukturwandel. Berlin hat das größte Wirtschaftswachstum aller Bundesländer, aber dahinter steht eben nicht mehr das Wachstum klassischer industrieller Arbeitsplätze, wie wir leidvoll erfahren, sondern es sind neue Branchen, die hier Arbeitsplätze schaffen. Wir haben es mit einem umfassenden ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturwandel zu tun, der gerade in den Metropolen die Wertschöpfung auf neue Füße stellt. Wissen ist dabei mehr denn je die Triebfeder der Veränderungen in Gesellschaft und Ökonomie, und damit steigt die Bedeutung von Qualifikation,

aber es steigt auch die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung in dieser Stadt.

Diese Koalition setzt hier deswegen auch einen klaren Schwerpunkt. 2 Milliarden Euro werden allein im Einzelplan 03 für Wissenschaft und Forschung durch das Land Berlin aufgewendet. Berlin ist damit bundesweit Spitzenreiter in der Wissenschaftsfinanzierung gemessen am Bruttoinlandsprodukt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Kein anderes Bundesland gibt mehr für das Wissen von morgen aus, und übrigens, wer es wissen möchte: Das Schlusslicht ist Bayern.

[Paul Fresdorf (FDP): Ist aber erfolgreicher!]

Manche Kolleginnen und Kollegin auch hier im Haus fragen sich, ob das viele Geld – ich sehe ein paar Haushälter hier sitzen – nicht in einem schwarzen Loch oder auch in einem hellen Elfenbeinturm versenkt wird. – Wer fragt? – Sie fragen, das sehe ich hier.

[Paul Fresdorf (FDP): Sie haben schon Antworten!]

Nein, im Gegenteil! Die Wissenschaft, die Hochschulen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Stadt arbeiten in der Stadt und für die Stadt. So steigert Rot-Rot-Grün die Zahl der Studienplätze genau für die Bereiche, die der wachsenden Stadt dienen: an den Unis bei der Ausbildung von Lehrkräften, die wir verdoppeln. – Ich glaube, das sieht jeder ein. An den Fachhochschulen investieren wir in die Bereiche mit dem größten Personalmangel: Gesundheits- und Pflegeberufe, soziale und Erziehungsberufe, Verwaltung und Polizei. – Ich glaube, auch das sieht jeder ein.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aber auch die Forschung findet nicht im luftleeren Raum statt, denn die Wissenschaftsfreiheit steht weltweit unter Druck. Bei der Einstein-Stiftung haben wir ein Förderprogramm aufgelegt, das sich explizit an diejenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler richtet, deren Arbeitsbedingungen sich wegen der politischen Lage in ihren Ländern verschlechtert, sei es Großbritannien wegen des Brexits, sei es die Türkei, seien es die USA. Berlin ist offen für offene Wissenschaft aus aller Welt, und wir laden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Zensur oder Verfolgung befürchten müssen, nach Berlin ein.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Aber wir wollen auch, dass Forschung die Fragen der wachsenden Stadt beantwortet. Wie kann man preiswert, aber ökologisch viele Wohnungen bauen? Wie erreicht man eine gute Pflege in einer multikulturellen Stadt? Wie kommen wir zu guter Luft, weniger Lärm und sauberem Wasser in Berlin? Wie können wir als Start-up-City und

(Dr. Hans-Christian Hausmann)

Dienstleistungsmetropole gute und sichere Arbeitsplätze schaffen? Die Antworten zu diesen und vielen weiteren Fragen können auch unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler liefern. Ich weiß von vielen auch aus dem persönlichen Gespräch, dass sie gern mehr für ihre Stadt arbeiten und forschen würden.

Rot-Rot-Grün wird die Wissenschaft, Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft daher an einen Tisch holen und gemeinsame Forschungsfragen erarbeiten, und ab 2020 wollen wir diese stadtbezogene Forschung auch über das Land Berlin noch mal gesondert fördern.

Zum Abschluss möchte ich noch etwas über E-Government und über offene Daten sagen. Wissen nützt nur dann allen, wenn es allen zur Verfügung steht.

[Beifall bei der LINKEN]

In unserer Stadt und in unseren Verwaltungen schlummert ein riesengroßer Schatz aus Wissen, aus Daten. Zukünftig wird dieser Schatz mit der weiteren Digitalisierung der Akten in Ämtern und Behörden weiter stark anwachsen. Lassen Sie uns auch dieses Wissen in den Dienst der guten Entwicklung Berlins stellen! Lassen Sie uns eine Smart-City gestalten, die Daten und Wissen öffnet und zum Gemeingut macht! In unseren öffentlichen Unternehmen, bei Vivantes, der BVG, der BSR, in Bürger- und Jugendämtern, aber eben auch an den Hochschulen ist viel Wissen, sind viele Daten vorhanden, die es für die wachsende Stadt zu nutzen gilt. Geben wir den Menschen dieser Stadt dieses Wissen, diese Daten zurück! Auf in die Open-City! – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Trefzer das Wort.