Protocol of the Session on December 14, 2017

Im vergangenen Jahr ist Berlin für niemanden spürbar besser geworden, und der Doppelhaushalt hat keinerlei Grundlagen dafür gelegt, dass in den nächsten Jahren Berlin spürbar besser wird für den Einzelnen in dieser Stadt. Ich glaube, dass der nächste Beweis Ihrer Chaoskoalition schon morgen auf der Berliner Tagesordnung steht, wenn Herr Lütke Daldrup und Herr Müller gemeinsam von dem nächsten großen herausfordernden Projekt sprechen werden. Ich meine den Flughafen BER, der nach wie vor das Sorgenkind Nr. 1 der Hauptstadt, das Sorgenkind Ihrer Koalition bleibt, wo Sie einst beschrieben haben, dass Sie nicht führen können, dass Sie nicht managen können und dass Sie nicht in der Lage sind, das Minimum in dieser Stadt zu leisten, nämlich die Stadt voranzubringen, so zu bauen, dass sie unserer Zukunft gerecht wird in allen Politikfeldern. Morgen der Eröffnungstermin, der möglicherweise wieder einmal verschoben wird – wir gehen alle fest davon aus –, zeigt genau Ihre Haltung in der Koalition. Sie werden Berlin nicht zu einer funktionierenden Stadt machen. Wir als Freie Demokraten werden dafür kämpfen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon viel in den letzten knapp zweieinhalb Stunden konkret zum Haushalt gesagt worden und darüber diskutiert worden, und die Senatsmitglieder werden dann auch noch mal in der Einzelberatung auf das eine oder andere Detail eingehen, aber es ist gut und richtig, dass man im Zusammenhang mit dem Haushalt auch wirklich eine Chance hat und mal zu einer Generalaussprache – von mir aus auch gerne Generalabrechnung –, aber eben auch zu einer Bestandsaufnahme kommt. Und da will ich schon zu Beginn sagen, dass es mich einigermaßen erschüttert,

(Sebastian Czaja)

welches Bild die Fraktionsvorsitzenden der Opposition hier von Berlin zeichnen,

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Antje Kapek (GRÜNE): Ja!]

und dass es neben der Kritik – für die Opposition ja auch da ist – nicht ansatzweise eigene Ideen oder Konzepte für diese Stadt gibt.

[Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Der Gipfel sind nun wirklich Herr Czaja und Herr Graf gewesen. Herr Czaja, der mal wieder den Lindner für Arme gibt, der es mit Digitalisierung probiert und innerer Sicherheit, bar jeder Sachkenntnis. Ich glaube, Sie haben ernsthaft gesagt, wir müssten 250 Leute mehr haben bei der Polizei.

[Sebastian Czaja (FDP): Zusätzlich!]

400 pro Jahr werden zusätzlich eingestellt,

[Sebastian Czaja (FDP): Plus 250!]

und bei der Feuerwehr kommen noch mal über 300 dazu. Das ist der Sachstand, lieber Herr Czaja!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Aber der absolute Gipfel war nun wirklich der Kollege von der CDU, Herr Graf. Herr Graf! Ich habe mich mal wieder gewundert, dass Herr Czaja Sie doch noch mal hat reden lassen –

[Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

vermutlich nur, um der eigenen Fraktion vorzuführen, dass da jetzt doch mal etwas zu entscheiden ist. Da war es wirklich ganz besonders erschreckend, wie Sie über das Thema Wirtschaftspolitik und in diesem Zusammenhang über Air Berlin und über die damit verbundenen Schicksale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechen. Herr Graf! Ich habe es Ihnen schon mal erklärt: In den letzten Jahren, über Jahre, haben die damalige Ministerpräsidentin von NRW, Frau Kraft, und ich über viele Initiativen probiert, dieses Unternehmen mit zu stabilisieren. Es ging dann nicht. Das ist dramatisch für Berlin und nochmal dramatisch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deswegen ist es Aufgabe der Politik, sich genau in so einer Situation um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu kümmern.

Und jetzt werde ich Ihnen sagen, was Ihre Parteifreunde beim Thema Transfergesellschaft gemacht haben, nachdem ich sie mehrfach direkt angesprochen habe, nicht nur per Brief. Diese Transfergesellschaft kommt zustande durch folgendes Engagement: Bayern 0 Euro, NRW 6 000 Euro, Berlin 11 Millionen Euro für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ihre Politik, lieber Herr Graf, diese Politik der Verweigerung, ist weder christlich noch sozial, sie ist bestenfalls liberal. Das mag sein, aber sie kommt nicht den Menschen in diesem Land zugute, nie und nimmer.

[Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Und das spiegelt sich auch wider bei der Debatte um Siemens oder auch GE. Wenn ich Ihre Rede richtig verfolgt habe, und ich glaube, ich habe zugehört, haben Sie gar nichts gesagt

[Zuruf von Florian Graf (CDU)]

zum Thema Industriearbeitsplätze, zum Thema große Unternehmen in unserer Stadt. Wo sind denn Ihre angebliche Wirtschaftskompetenz und Ihre guten Kontakte zur Wirtschaft?

[Zurufe von Heiko Melzer (CDU) und Frank-Christian Hansel (AfD)]

Nutzen Sie die doch mal! Ich würde mich darüber freuen, wenn wir uns gemeinsam engagierten bei einem Unternehmen, das 6 Milliarden Euro verdient hat,

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

bei einem Unternehmen, das an dem Flughafen in Schönefeld einen 100-Millionen-Euro-Auftrag hat! So ein Unternehmen – lieber Herr Graf, da würde ich mich über Ihr Engagement sehr freuen – hat auch eine soziale Verantwortung. Es gibt einen Grund, warum es soziale Marktwirtschaft heißt in unserem Land, und daran sollten solche Unternehmen gemeinsam erinnern, für die Menschen in unserem Land.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Bravo! von der SPD]

Ich will das nicht abstreiten, ich habe das hier öffentlich gesagt, ich sage es auch weiter: Es stimmt, Berlin hat Probleme. Es läuft nicht alles perfekt und nicht alles rund. Und ich bleibe auch bei meinen alten Formulierungen: Ich wünsche mir das eine oder andere auch schneller. Ich wünsche es mir schneller auf der Senatsebene genauso wie auf der Bezirksebene, wo wir auch in den unterschiedlichsten Farbkonstellationen in den Bezirksämtern gemeinsam Verantwortung tragen. Ich kann mich nur ausdrücklich an das anschließen, was Herr Verrycken hier eingangs gesagt hat: Vielleicht wäre es auch eine lohnende gemeinsame Kraftanstrengung, zu sehen, wie wir dieses Zusammenspiel zwischen Bezirken und Landesebene auf eine andere, vielleicht auf eine bessere und damit auch schnellere Entscheidungsbasis stellen können.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ja, aber ich will trotzdem diese Gelegenheit nutzen, um die Berliner Situation einzuordnen, denn ich glaube, wir können durchaus selbstbewusst nach vorne blicken, bei allem, was noch besser organisiert werden kann. Die

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Situation, in der wir uns befinden, konnte sich eben nicht so selbstverständlich über Jahrzehnte entwickeln, wie es in anderen Städten der Fall ist. Im Übrigen haben alle Städte ähnliche Probleme, um auch das zu sagen – ich komme ganz gut rum. Es gibt keinen Bürgermeister, der sich nicht mit den Themen der wachsenden Stadt auseinandersetzt. Wie kommt man schneller zu bezahlbarem Wohnraum, zu neuen Mobilitätskonzepten, zum Einsatz erneuerbarer Energien, zu Gesundheits- und Bildungsangeboten? Diese Fragen spielen weltweit eine Rolle.

Aber in anderen Städten konnte sich das eine oder andere auch anders entwickeln. Das ging bei uns nicht, und wir wissen, warum. Das hat auch etwas mit der Nachkriegsgeschichte, auch mit Blockade, mit deutscher Teilung zu tun, selbst mit dem Glücksfall unserer Geschichte, mit dem Fall der Mauer und der Wende. Denn es stimmt nicht, Herr Pazderski, was Sie gesagt haben, dass wir hier auf Kosten des Bundes leben. Nach dem Fall der Mauer war genau etwas anderes zu beobachten, dass der Bund sich aus seiner Verantwortung der Hauptstadt gegenüber entzogen hat.

[Ülker Radziwill (SPD): Richtig!]

Berlin war mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Und das, womit wir uns heute auseinandersetzen, hat auch noch mit dieser Situation zu tun, tatsächlich auch mit dem Fall der Mauer und dass Berlin sich aus eigener Kraft helfen musste. Weil die Bundeshilfen weg waren, weil zwei komplette Städte zusammenkamen, weil wir eine Verwaltung mit 200 000 Mitarbeitern hatten, weil wir drei Opernhäuser, zwei Zoologische Gärten hatten, weil das alles zu finanzieren war – das Zusammenwachsen der Stadt –, sind die Schulden, die Kosten explodiert.

Und was hat Berlin gemacht? – Aus eigener Kraft hat Berlin Anstrengungen unternommen, und das spüren die Berlinerinnen und Berliner bis heute. Das waren 10 Jahre des Kürzens und Sparens, wo wir an den Solidarpakt erinnern können, an 10 Prozent Gehaltsabsenkung für den öffentlichen Dienst. Das hat kein anderes Bundesland von denen gemacht, die alles besser wissen. Keiner hat das so gemacht wie wir – 10 Prozent Gehaltsabsenkung! Wir haben privatisiert. Ja, es war teilweise auch die politische Haltung damals, aber es war auch eine Notsituation. Wir haben in vielen sozialen Einrichtungen gekürzt und gespart. Und nach diesen zehn Jahren des Sparens sind wir jetzt seit drei Jahren in der Situation, dass wir uns wieder so erholt haben, dass wir etwas zurückgeben können, und dass jetzt, nach einem Jahrzehnt des Sparens, ein Jahrzehnt der Investitionen kommt. Das ist die Situation, mit der wir uns auseinandersetzen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Es stimmt, diese Trendwende ist nicht sofort in allen Bereichen spürbar. Ich verrate das große Geheimnis: Es wird auch in den nächsten Jahren schrittweise vorangehen. Diese Investitionen, die wir uns vorgenommen ha

ben, müssen nämlich auch umgesetzt werden. Und es ist nicht rot-rot-grünes Versäumnis und auch nicht das der Bezirke, dass dies auch schwer ist. Wir wollen 5,5 Milliarden Euro allein im Schulbereich verbauen – nicht im Bildungsbereich, da kommen noch die Milliarden aus dem Hochschulbereich hinzu –, dazu kommen die Investitionsmittel im Straßenbau, Hochschule, Krankenhäuser – Benjamin Franklin, Neukölln gehören dazu – , im Kulturbereich – das BE, das Bauhaus –, jede einzelne Baumaßnahme für sich. Nutzen Sie doch ein weiteres Mal Ihre guten Wirtschaftskontakte und reden Sie mit der Bauwirtschaft, wie schwierig es ist, die Kapazitäten für das zu bekommen, was wir an Investitionsmitteln zur Verfügung stellen. Das zu organisieren, ist eine große Kraftanstrengung!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Nichtsdestotrotz: Wir müssen und wir werden diesen Weg gehen. Er ist nicht einfach, aber dafür sind wir gewählt. Es ist unsere Aufgabe, diesen Weg so gut es geht – auch wenn es mit diesen Rahmenbedingungen schwer ist – zu bewältigen. Rot-Rot-Grün hat sofort nach Regierungsbildung erste eigene Akzente gesetzt

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

und schon deutlich gemacht, dass wir einen anderen politischen Weg gehen. Ich denke an solche Dinge wie das Sozialticket, wo sofort mit einer sozialen Maßnahme reagiert wird, das Einfrieren von Wohnungsmieten im sozialen Wohnungsbau bis hin zu der Frage, wie wir mit dem Stadtwerk umgehen, wo es im Übrigen auch um eine soziale Frage geht, dauerhaft bezahlbare Energie zu sichern. Auch das hat etwas mit der sozialen Situation zu tun. Nach diesen ersten Akzenten hat Rot-Rot-Grün jetzt die Chance, erstmals mit einem eigenen Haushalt für die nächsten zwei Jahre deutlich zu machen, was für uns moderne, ökologische und soziale Politik in dieser Stadt bedeutet.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Das ist ein Paradigmenwechsel.

Das Konsolidieren wird weiter eine Rolle spielen. Darauf lege ich persönlich großen Wert, denn ich glaube, wir müssen diese guten Jahre Berlins auch nutzen, um von den 58, 59 Milliarden Euro Schulden wegzukommen. Das Konsolidieren wird eine Rolle spielen, aber eben auch das Investieren, das Zurückgeben dieser Kraftanstrengung der letzten Jahre an die Berlinerinnen und Berliner, denn diese haben das mitgetragen. Sie haben auf Gehalt verzichtet. Sie haben die Kürzung in allen Bereich Berlins tatsächlich gespürt. Deshalb ist es richtig: Wir investieren nun auch in alle Bereiche, in Personal und in Bau, in Schule – ich habe es schon genannt –, aber auch Polizei, Justiz, öffentliche Verwaltung. Alles das spielt eine Rolle.

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)