Protocol of the Session on November 30, 2017

[Frank Zimmermann (SPD): Aber keine Berliner Stelle!]

Für die Gefahrenabwehr, lieber Kollege Zimmermann, ist insbesondere dann – – Das ist genau Ihr Spielchen, das ist auch das Spielchen, dass Sie bereits vorhin an anderer Stelle veranstaltet haben, Herr Stroedter hatte es angesprochen, die komplette Verantwortungslosigkeit, ob beim BER oder ob bei der inneren Sicherheit – das kleine Im-Kreis-Zeigen, wer denn jetzt gerade verantwortlich ist, ob Nordrhein-Westfalen, Berlin oder sonst irgendjemand verantwortlich ist. Ich sage Ihnen eines: Wenn ein Terrorist oder irgendein beliebiger Straftäter hier in Berlin durch die Gegend läuft und Straftaten begeht, dann will niemand in dieser Stadt die Ausrede hören: So richtig war ich gar nicht zuständig, vielleicht war es jemand anders. – Natürlich gibt der § 58a auch der örtlich zuständigen Verwaltung die Möglichkeit einzugreifen. Diese Frage der örtlichen Zuständigkeit dessen, wo der Täter gerade aufhältig ist, und dann selbstverständlich auch des Berliner Innensenators. Auch der kann in Haft nehmen.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Taş?

Immer gern!

Danke, Herr Luthe! Sie sind auch Mitglied im Untersuchungsausschuss. Teilen Sie die Auffassung von Herrn Mazanke, dass Berlin aufenthaltsrechtlich für Herrn Amri in Berlin nicht zuständig war?

[Holger Krestel (FDP): Aufenthaltsrechtlich!]

Noch eine weitere Frage, wenn Sie erlauben: Herr Innensenator Geisel hat die Zahlen neulich im Innenausschuss genannt. Bis Ende Oktober sind 1 500 Personen von Berlin aus direkt abgeschoben worden. Können Sie mir eventuell Zahlen nennen? Gab es unter diesen 1 500 Personen irgendeinen Gefährder oder eine Person, die als Gefährder eingestuft worden ist?

[Benedikt Lux (GRÜNE): Gute Frage! – Karsten Woldeit (AfD): Steilvorlage!]

(Katina Schubert)

Lieber Herr Kollege Taş! Fangen wir mit dem Ersten an: Wir reden hier nicht von der Frage der Aufenthalts- bzw. ausländerrechtlichen Zuständigkeit, sondern von der Aufgabe der Gefahrenabwehr, und für die Gefahrenabwehr ist der Innensenator zuständig.

[Udo Wolf (LINKE): Nein, wir reden über Aufenthaltsrecht!]

Was die Frage der Personen angeht, haben Sie einen sehr guten Punkt angesprochen: Ich frage regelmäßig die Zahl der Abschiebungen ab. Zum Stand 31. August gab es 1 300 Abschiebungen in Berlin. Ein Quartal später gab es 200 weitere. Was sagt uns das über die Zahl? – Die Zahl der Abschiebungen auch an dieser Stelle sinkt. Das, was Sie wollen, was Sie formuliert haben – jede Abschiebung sei eine zu viel –, funktioniert ganz offensichtlich auch.

[Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Sie betreiben es. Sie sorgen auch dafür, mit einer Vielzahl von Duldungen, die offensichtlich relativ beliebig ausgesprochen werden, denn auch das ist eine Ausnahmeregelung im Gesetz. Sie soll im Einzelfall angewendet werden und nicht bei dem überwiegenden Teil der vollziehbar Ausreisepflichtigen.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Benedikt Lux (GRÜNE): Wird sie ja auch!]

Genau damit besorgen Sie das Geschäft derer, von denen Sie behaupten, dass sie zündeln; weil Sie geltendes Recht eben gerade nicht anwenden, und das kann nicht sein in einem Rechtsstaat.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Frank Zimmermann (SPD): Können Sie das einmal begründen und nicht einfach nur behaupten? – Zuruf von Holger Krestel (FDP): Ihre Rede war eine Behauptung!]

Lieber Kollege Zimmermann! Die Zahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen wächst jedes Mal weiter; ich habe das jetzt drei Mal abgefragt. Das heißt, Sie schieben quasi einmal den Berg vor sich her, er wächst mit Duldungen aus beliebigen Gründen, auch mit der schönen Formulierung, man müsse dieses Instrument weiter nutzen, also möglichst noch Scheinausbildungsverhältnisse begründen lassen, damit weniger Leute abgeschoben werden. Jeder Einzelne, der als Resultat einer vollständigen rechtsstaatlichen Überprüfung seiner angeblichen Asylgründe nicht berechtigt ist, in Berlin zu bleiben – und das ist Rechtsstaatlichkeit –, wenn Gerichte entschieden haben, dass er vollziehbar ausreisepflichtig ist, dann hat er verdammt noch mal auch auszureisen. Es ist Sache der Exekutive, diese gerichtliche Entscheidung auch umzusetzen und das nicht zu konterkarieren.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Benedikt Lux (GRÜNE): Das machen wir doch auch!]

Herr Kollege! Sie müssen zum Schluss kommen.

Lieber Kollege Lux! Die Zahl, die kontinuierlich weiterwächst – die 11 600 vollziehbar Ausreisepflichtigen, jedes Quartal mehr –, zeigt, dass Sie genau das nicht tun, sondern dass Sie versuchen, eine Statistik zu bereinigen, um an dieser Stelle netter auszusehen, als Sie es mit Ihrer Regierungsarbeit tatsächlich sind, denn Sie sind sicher kein Gewinn für die innere Sicherheit in dieser Stadt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Halten Sie die Rede als Gastredner auf dem nächsten AfD-Parteitag? Nur noch Nationalliberale bei der FDP! – Zuruf von der LINKEN: Das hatten wir doch schon mal!]

Vielen Dank! – Dann hat der Kollege Lux für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die AfD, FDP und die CDU versuchen, in der Bevölkerung die Ängste vor Menschen, die kein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik haben, weiter zu schüren.

[Herbert Mohr (AfD): Tätä, tätä!]

Ich muss sagen, ich habe nach diesen Reden Angst davor, dass Sie in diesem Land tatsächlich einmal parlamentarische Mehrheiten erlangen könnten.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Marc Vallendar (AfD): Diese Angst ist berechtigt! – Frank-Christian Hansel (AfD): Schneller als Sie denken! – Weitere Zurufe von der AfD]

Zum Glück sind die Vereinigten Staaten auch noch ein Rechtsstaat, weil die rechtsstaatlichen Systeme funktionieren, intakt sind und auch ein paar Hampelmänner wie Sie überstehen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Lachen bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Darauf reagieren wir gar nicht!]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Krestel?

Von wem?

Von Herrn Krestel!

Ich habe doch noch gar nicht ausgeführt.

[Zurufe von der FDP und der AfD: Doch!]

Ich werde die Frage später zulassen. Ich hatte mich vorhin auch eingedrückt, da haben Sie auch eine Frage von mir nicht zugelassen, obwohl Herr Dregger es angekündigt hat. – Aber, Herr Krestel, versprochen: Nachher können Sie noch eine Frage stellen, wenn die Präsidentin das zulässt. Okay?

Im Antrag steht: Alle ausreisepflichtigen Ausländer sollen in Abschiebehaft genommen werden. Wann ist ein Ausländer ausreisepflichtig? – Wenn er kein Aufenthaltsrecht mehr hat.

[Beifall von Holger Krestel (FDP)]

Inwiefern beantragen Menschen ein Aufenthaltsrecht in Deutschland? – Zum Beispiel zum Zweck der Aufnahme eines Studiums oder der Arbeit. Die meisten der Fälle, über die wir hier reden, sind Personen, die zum Beispiel ihre Studienzeit überbrücken oder es nicht schaffen, einen Abschluss zu machen, oder die von der Arbeit freigestellt werden und dann nicht mehr den erforderlichen Mindestlohn mit einbringen, um ein Aufenthaltsrecht zu haben – das sind übrigens 2 000 Euro. Das sind keine selbst verschuldeten Schicksale, sondern das ist Ausfluss dessen, dass Deutschland nie rechtlich nachvollzogen hat, ein Einwanderungsland zu sein. Deswegen brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, das die legale Einwanderung ermöglicht, gerade von den Menschen, die Deutsch sprechen, die integriert sind, die studieren, die hier etwas leisten wollen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Fragen Sie einmal herum, es gibt etliche Beispiele: Studenten, die es nicht schaffen, in der Regelstudienzeit fertig zu werden und dann in die Gastronomie gehen, meinetwegen sogar zwei Kneipen eröffnen und Leute einstellen. Was passiert? – Sie sind ausreisepflichtig, möglicherweise vollziehbar ausreisepflichtig. Und Sie wollen solche Leute in Haft nehmen!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Einzelfallprüfung! Was soll denn das!]

Sie wollen Fachkräfte, die hier hergekommen sind, in Haft nehmen, wenn zum Beispiel ihr Arbeitgeber ihnen die Mittel zur Verfügung stellt und sie ihren Arbeitsplatz verlieren.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Was soll das? – Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Das sind die Haupanwendungsfälle Ihres Antrags, und es ist schlichtweg menschenverachtend, was Sie hier produzieren und vorgelegt haben.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Sie verdrehen das Gesetz, in dem steht, dass die Abschiebungshaft nicht anzuwenden ist, wenn es ein milderes Mittel gibt. Wir haben Ihnen gesagt, dass wir in den problematischen Fällen direkt abschieben. All das ignorieren Sie und stellen wüste Behauptungen auf, ohne Ihre Vorhalte zu belegen. Auch das ist Zeichen Ihrer fiesen Demagogie.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Europäische Menschenrechte, bundesverfassungsgerichtliche, bundesverwaltungsgerichtliche Entscheidungen, Rückführungsrichtlinie der EU, all das ist Ihnen völlig egal – Hauptsache, Sie können hetzen und sagen, dass Sie noch mehr abschieben wollen!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der AfD]