Protocol of the Session on November 30, 2017

Wer wie Sie von diesem rechtsstaatlichen Mittel keinen Gebrauch macht, wer nicht einmal versucht, wer dies nicht einmal beim zuständigen Gericht beantragt, wer das persönliche Freiheitsrecht gefährlicher Straftäter über den Anspruch des unbescholtenen Bürgers auf Schutz vor diesen Straftätern stellt, der kapituliert vor seinen eigenen diffusen, komplexbeladenen Skrupeln, der wird seiner Verantwortung nicht gerecht, und der muss sich fragen, ob er nicht seinen Anspruch verwirkt, unser Land zu führen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank!

[Benedikt Lux (GRÜNE): Frechheit!]

Für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Schubert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die AfD hier fordert, ist schlicht rechtswidrig,

(Burkard Dregger)

das hat der Kollege Zimmermann deutlich gemacht. Das Aufenthaltsgesetz beschränkt die Abschiebehaft. Sie darf nur angewandt werden, wenn es kein milderes Mittel gibt, Familien und Minderjährige sind in der Regel ausgeschlossen, und sie ist zeitlich begrenzt.

Was die AfD fordert, ist aber vor allem politisch wieder unterirdisch. Ihr Antrag stellt alle Menschen, die aus was für Gründen auch immer ausreisepflichtig sind, unter den Generalverdacht des Terrorismus und schwerer Verbrechen, und das ist unverantwortlich.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Ach, Blödsinn!]

Sie schüren weiter an einem gesellschaftlichen Klima der Denunziation von geflüchtet Menschen, von Ausgrenzung und Abwertung. Sie sind gesellschaftliche Brandstifter.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Unsinn! – Weitere Zurufe von der AfD]

Das können Sie jeden Tag hören, immer wieder, weil das genau das ist, was Sie tun. Sie zündeln und stellen das Gemeinwesen infrage. Das Land Berlin hält sich an Gesetze,

[Stefan Franz Kerker (AfD): Immer dieselben Floskeln! Sie haben nur Floskeln drauf!]

und das Gesetz kennt Auslegungsmöglichkeiten.

Wir haben im Koalitionsvertrag einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlings- und Integrationspolitik festgelegt, und das ist gut so.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir setzen im Gegensatz zu diesen Antragstellern, im Gegensatz zur Union und offensichtlich neuerdings auch im Gegensatz zur FDP auf Willkommen, auf umfassende Beratung geflüchteter Menschen, auf Teilhabe und Integration, auf Eröffnung von Bleibeperspektiven, wo immer das rechtlich möglich ist. Wo es keine Bleibeperspektive gibt, geht eine freiwillige Rückkehr und eine entsprechende Beratung immer vor einer Abschiebung.

Da haben wir noch einiges zu tun. Das Instrument der Ausbildungsduldung müssen wir besser nutzen. Es eröffnet jungen Menschen Bildungs- und Berufsperspektiven, völlig unabhängig davon, was sie später machen.

[Marcel Luthe (FDP): Es kommt darauf an, ob sie Bleiberecht haben!]

Das gibt Unternehmen, die bereit sind, Geflüchtete einzustellen, in die Ausbildung zu nehmen, die Sicherheit, dass die jungen Menschen das auch bis zum Ende machen können.

Zu unserem Paradigmenwechsel: Ja, dazu gehören auch die Sprachkurse für alle Geflüchteten, und zwar unabhängig von ihrem Status. Dass ein Innenminister de Maizière jetzt die Sozialsenatorin rügt, steht ihm a) nicht zu, denn es könnte allenfalls der Regierende Bürgermeister sie rügen, und b) gibt es für eine Linken-Politikerin kaum eine höhere Adelung, als dass Herr de Maizière sie rügt, sie ist also auf einem guten Weg.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Flüchtlingspolitik der vereinten rechten Opposition beschränkt sich mehr oder weniger auf Abwehr. Die Hitlisten der Bundesländer von Abschiebungen zeugen von einem Wettbewerb der Schäbigkeit, denn vor lauter Zahlenhuberei scheinen Sie zu vergessen, dass es hier immer um Menschen, um Schicksale, um Hoffnung und auch um erlittene Traumata geht.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Dass die Bundesregierung meint, nach Afghanistan abschieben zu können, ist ein Skandal. Es gibt dort keine sicheren Gebiete.

[Marcel Luthe (FDP): Frechheit, diese Behauptung!]

Ob Taliban, ob Daesh – überall laufen junge Männer Gefahr, zwangsrekrutiert zu werden, laufen Frauen Gefahr, ermordet und versklavt zu werden. Die Pläne der Unionsinnenminister, ab Mitte 2018 wieder nach Syrien abzuschieben, sind noch verantwortungsloser. Sie glauben doch nicht ernsthaft, der Bürgerkrieg sei dort vorbei, weil der Diktator Assad einige Gebiete zurückerobert hat. Nein, Kolleginnen und Kollegen! Diese Politik zeugt von Unmenschlichkeit, von wenig Christlichkeit, und sie ist beschämend.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – [Gunnar Lindemann (AfD): Davon haben Sie keine Ahnung! – Lachen bei der AfD]

Selbstverständlich muss Terrorismus bekämpft werden. Die wenigsten Geflüchteten gehören Terrorgruppen an, im Gegenteil. Sie sind genau vor denen geflohen. Deshalb darf und kann es keinen Generalverdacht geben, und Straftaten müssen hier verfolgt werden. Es konnte mir noch niemand erklären, warum es so wahnsinnig vorteilhaft ist, potenzielle Terroristen abzuschieben. Was ist denn gewonnen, wenn sie anderenorts schwere Verbrechen begehen?

[Zurufe von der AfD – Lachen bei der AfD]

Der Terror ist längst global, und die Opfer übrigens auch. Viel wichtiger ist es doch, Gewaltprophylaxe zu intensivieren, Menschen, die auffällig sind und möglicherweise Kontakte in terroristische und salafistische Gruppen haben, schnell anzusprechen, Ausstiegsprogramme anzu

bieten, damit sie nicht zu Terroristen, zu Verbrechern werden.

[Zurufe von der AfD – Lachen bei der AfD]

Zum Glück ist unsere R2G-Koalition auf diesem Feld gut unterwegs, und zum Glück regieren wir hier und nicht die vereinte Opposition der Rechten. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): So nicht mehr lange! – Weitere Zurufe von der AfD]

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Luthe das Wort.

[Holger Krestel (FDP): Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf! Das musste mal gesagt werden!]

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Schubert! Ich möchte Ihnen das gern erklären. Wir sind zuständig für die Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Auch Sie sind dafür zuständig. Einen Terroristen abzuschieben, sorgt dafür,

Sie erklären uns jetzt die AfD-Anträge!]

dass wir genau dieser Aufgabe, für die die Menschen in einem Staat Steuern entrichten dafür, dass sie sicher sind, nachkommen, und dieser Aufgabe ist weder der Vorgängersenat noch dieser Senat nachgekommen.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Georg Kössler (GRÜNE): Aber Sie würden!]

Und wie, Herr Kollege! – Nehmen wir doch mal nicht den schrecklichen Tiergartenmord, nehmen wir doch die Ereignisse des 19. Dezember 2016. Nehmen wir noch mal Ihr Zitat, Herr Kollege Taş, jede Abschiebung sei eine zu viel.

[Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Aber wörtlich haben Sie das gesagt. Es waren ja genug Leute im Innenausschuss dabei. – Daraus schließe ich, dass Sie Anis Amri nicht hätten abschieben wollen. Das bedaure ich zutiefst. Das bedauere ich vor allem, wenn ich mir Ihre Rolle anschaue, Ihre Verantwortung für die Sicherheit der Menschen in Berlin.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Anis Amri war illegal in Deutschland aufhältig. Er ist illegal aus Italien eingereist, nachdem er dort vier Jahre

aufhältig war. Er hatte keinerlei Recht, sich in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Es geht aber noch weiter: Seit dem 24. Oktober 2016, also gut zwei Monate vor dem Anschlag, wäre mit den Informationen des Bundeskriminalamtes die zuständige Stelle in der Lage gewesen, Anis Amri abzuschieben. Die Identität war zweifelsfrei festgestellt.