Protocol of the Session on November 30, 2017

Sehr geehrte Damen und Herren der FDP-Fraktion! Glauben Sie wirklich, mit diesem Antrag substanziell dazu beizutragen, ein Problem zu lösen, welches viele Berlinerinnen und Berliner nervt? – Neben dem fehlenden Problembewusstsein haben Sie auch keine realistischen Vorschläge und Ansätze, wie man dieses Problem lösen kann. Sie schlagen vor, dass Berlin Beschwerde bei der Bundesnetzagentur über die mangelhafte Post- und Paketzustellung einreicht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Krestel?

Bitte, Herr Krestel! Sie haben das Wort.

Herr Dr. Altug! Sind Sie nicht der Meinung, dass es der richtige Weg wäre, wenn es dort Fehlverhalten bzw. Fehlsteuerungen durch den Hauptauftragsnehmer der Postzustellung in dieser Stadt gibt, nämlich der Deutschen Post, dass man zuvörderst der Bundesnetzagentur diese Beschwerden vortragen müsste, sofern man im Sinne der Bürger dieser Stadt handeln will?

Sehr geehrter Herr Kollege! Der Senat hat ja in dem Bereich gehandelt. Er hat sich auch bei der Bundespresseagentur gemeldet. Diese Missstände wurden dort vonseiten des Senats angemeldet. Das habe ich in meine Rede eingebaut.

[Sebastian Czaja (FDP): Wann denn?]

Das kommt gleich, wenn Sie etwas Geduld und Glück haben. – Sie schlagen vor, dass Berlin Beschwerde bei der Bundesnetzagentur über die mangelhafte Post- und Paketzustellung einreicht. Dieses grundsätzliche Problem ist der Bundesnetzagentur bekannt. Es gab mehrere Presseberichte dazu. Im Übrigen könnte die Bundesnetzagentur zunächst auch nichts weiter tun, als die Post zur Prüfung des Sachverhalts zu einer Stellungnahme aufzufordern. Zum Glück haben wir in Berlin eine Regierung, die ihre Hausaufgaben macht und in Person der grünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop bereits tätig geworden ist. Frau Pop hat es aber deutlich geschickter gemacht, als die FDP-Fraktion in ihrer Mannschaft das vorgeschlagen hat. Sie hat sich bereits – Sie haben eine Frage gestellt, ich antworte Ihnen – im Oktober nach den ersten Presseberichten an die Deutsche Post gewandt und eine zuverlässige und schnelle Versorgung Berlins mit Postdienstleistungen angemahnt. An dieser Stelle vielen Dank an Sie, Frau Senatorin Pop!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Die Deutsche Post hat bereits auf den Brief von Frau Pop reagiert und erklärt, dass sie sich des Problems der mangelhaften Zustellung in Berlin bewusst sei. Sie führt für den Oktober das Sturmtief Xavier als Beeinträchtigungsgrund an und berichtet weiterhin, dass es in den Monaten September und Oktober einen außerplanmäßig hohen Krankenstand gegeben habe und sie nicht alle Stellen habe besetzen können. Die Post berichtet allerdings auch, dass im Oktober bereits 137 Personen neu eingestellt worden seien und bis zum Jahresende weitere 100 dazukommen sollen.

(Carsten Ubbelohde)

Sehr geehrte Damen und Herren von der FDP-Fraktion! Neben der wenig sinnvollen Beschwerde bei der Bundesnetzagentur fordern Sie weiterhin in Ihrem Antrag, dass der Senator für Justiz und Verbraucherschutz, Dr. Behrendt, die Staatsanwaltschaft anweisen soll zu prüfen, ob ein gewerbsmäßiger Betrug durch einzelne Paketdienstleister vorliegt. Ich frage Sie: Welcher liberalen Denkrichtung entspricht denn diese Idee? Wie soll das konkret funktionieren?

[Holger Krestel (FDP): Wehe dem Rechtsstaat!]

Meinen Sie allen Ernstes, dass der Justizsenator Dr. Behrendt der Staatsanwaltschaft Weisungen auf Grundlage von Presseberichten erteilt?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Freymark?

Nein! – Es ist nicht die Aufgabe des Justizsenators, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, Ermittlungen aufzunehmen. Ermittlungen werden aufgenommen, wenn Strafanzeigen vorliegen. Dann sollen Sie Strafanzeige stellen!

Sehr geehrte Damen und Herren von der FDP-Fraktion! Ich bin kein Freund der Polemik.

[Holger Krestel (FDP): Bulimie hätte ich gerne, dann wäre ich dünner!]

Sie können dazwischenrufen, ich habe noch ein bisschen Zeit, Herr Kollege! – Ich bin kein Freund der Polemik. Wäre ich einer, würde ich Ihnen zurufen: Besser keinen Antrag schreiben als einen schlechten! – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.4:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 12

Das Land Berlin als Vorreiter gegen sachgrundlose Befristungen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Integration, Arbeit und Soziales vom 9. November 2017 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 17. November 2017 Drucksache 18/0659

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0429 Neu

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Wir sind bei einem neuen Tagesordnungspunkt; da würde ich gerne fortsetzen.

[Heiko Melzer (CDU): Alles klar!]

Darf ich mit dem neuen Tagesordnungspunkt fortsetzen, oder möchten Sie die Gespräche draußen fortführen?

[Holger Krestel (FDP): Wie Sie wollen!]

In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. Es hat die Abgeordnete Frau König das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal sind es die Details, die einen großen Unterschied machen.

[Mario Czaja (CDU): Ja! – Lachen bei der CDU]

So ist es zum Beispiel ein riesiger Unterschied, ob jemand einen sicheren oder einen unsicheren, einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag hat,

[Zuruf von Stefan Förster (FDP)]

denn: Es hat Einfluss auf fast alles im Leben, wenn die eigene Arbeit als gefährdet empfunden wird. Es hat Einfluss darauf, ob und wann man sich entscheidet, Kinder zu bekommen. Es hat Einfluss darauf, ob man optimistisch in die Zukunft blicken kann. Es hat Einfluss darauf, wie viel und was man konsumiert, und es hat Einfluss darauf, wie viel Sicherheit und Gelassenheit man seinen eigenen Kindern vermitteln kann. Weil das alles so ist und mittlerweile 45 Prozent der neu eingestellten Beschäftigten nur noch befristet angestellt werden, ist es richtig und wichtig, die befristete Beschäftigung einzuschränken.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Es ist ein großer Schritt für die vielen Betroffenen und ein großer Schritt hin zu einer Gesellschaft, in der sich die Menschen sicherer und aufgehoben fühlen können, hin zu einer Arbeitswelt, in der nicht die Flexibilität von

(Dr. Turgut Altug)

Unternehmen an erster, an wichtigster Stelle steht, sondern die Menschen an erster und wichtigster Stelle stehen. Genau deshalb setzt sich die Sozialdemokratie dafür ein, die sachgrundlose Befristung grundsätzlich und komplett abzuschaffen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Uns ist klar, dass wir das nicht in diesem Haus können, sondern dass wir das im Deutschen Bundestag durchsetzen müssen. Aber auch wir hier haben die Möglichkeit, einen Beitrag zu diesem längst überfälligen Schritt zu leisten, und wir tun es jetzt.

Das Land Berlin ist Arbeitgeber von vielen Tausend Menschen, und es ist eine beschämende Wahrheit, dass ein erheblicher Anteil unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch unter der Unsicherheit befristeter Arbeitsverhältnisse leidet. Hier können wir handeln, und hier müssen wir handeln. Darum ist es gut, dass wir heute beschließen werden, sachgrundlose Befristung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes im öffentlichen Dienst, in den Landesunternehmen sowie in den Töchterunternehmen auszuschließen. Gerade in einigen Töchterunternehmen – ich möchte hier nur CFM oder Vivantes Therapeutische Dienste nennen – ist es bisher nicht unüblich, Angestellte sachgrundlos zu befristen. Das wollen wir so nicht. Ich bin sicher, dass sich der Senat zügig daranmachen wird, den Beschluss umzusetzen; wir werden das sehr aufmerksam begleiten.

Auch wenn das nur ein erster Schritt hin zu besseren Arbeitsbedingungen ist, so ist es ein wichtiges Signal, das weit über Berlin hinaus vernommen werden wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang an den Mindestlohn erinnern. Auch hier waren wir in Berlin Vorreiter und haben über das Vergabegesetz einen Mindestlohn eingeführt, der seitdem für alle Unternehmen gilt, die von Aufträgen des Landes profitieren wollen. Mittlerweile gibt es einen allgemeinen Mindestlohn, der in ganz Deutschland gilt. Die Wirtschaft ist im Übrigen nicht davon zusammengebrochen, obwohl Arbeitgeberverbände und Unternehmen dies im Vorfeld lautstark verkündeten.

Ich wünsche mir, dass es bei der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ähnlich laufen wird – Berlin als Vorbild für den Bund. Wir Sozialdemokraten werden uns jedenfalls weiterhin an jeder Stelle, in jedem Parlament dafür einsetzen, dass Menschen sichere, gute und verlässliche Arbeitsplätze haben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Auch das Land Berlin als Arbeitgeber hat da noch weitere Hausaufgaben zu erledigen, bis wir überzeugend für gute Arbeit in jeglicher Hinsicht stehen können. Wir sind aber auf dem richtigen Weg. Wir werden die Menschen mit diesem Antrag vor unnötigen Unsicherheiten schützen.

Wir wollen, dass die Risiken nicht mehr einseitig auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Ich freue mich, dass es in Berlin eine Koalition gibt, die den Mut und die Kraft für diesen Schritt hat. Wir sind beim Thema gute Arbeitsbedingungen in Landesverantwortung im ersten Jahr Rot-Rot-Grün einen guten Schritt vorangekommen. Wir zeigen den Berlinerinnen und Berlinern, dass wir Wort halten und gemeinsam das Leben in dieser Stadt tatsächlich besser und gerechter machen, damit mehr Menschen in unserer Stadt optimistisch in die Zukunft blicken können. Wer für das Land Berlin arbeitet, tut dies künftig, wo immer es geht, mit sichereren Perspektiven, und das ist gut so. – Vielen Dank!