Von den großen Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, war in der Vorstellung Ihrer Bilanz gar nicht die Rede: kein Satz zum miesen Neubauklima, kein Wort zur Stärkung der Verkehrsinfrastruktur, zur Offenhaltung von Tegel und Ihrem Umgang mit direkter Demokratie in unserer Stadt nicht eine Silbe.
Last but not least: Auch den BER – immerhin das größte, wichtigste und teuerste Investitionsvorhaben und Infrastrukturprojekt der Region – hat Michael Müller mit keinem Satz, keinem Wort, keiner Silbe erwähnt, bis er von verwunderten Journalisten direkt darauf angesprochen wurde. Ich fasse das mal mit aktuellen Worten eines SPD-Politikers, Ihres ehemaligen Baudirektors Hans Stimmann zusammen:
Dabei macht das Beispiel BER wie kein zweites deutlich, warum es nach einem Jahr Rot-Rot-Grün nichts, aber auch gar nichts zu feiern gibt für die Berlinerinnen und Berliner. Ein Jahr Rot-Rot-Grün heißt auch: über 2 000 Tage seit der Nichteröffnung dieses vermeintlichen Berliner Großflughafens, über 2 000 Tage, in denen wir in diesem Haus gemeinsam gelitten, gehofft, gestritten und manche sicher auch für den Erfolg dieses Projekts gebetet haben.
[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE) Aber seit der letzten Woche wissen wir einmal mehr – wir konnten es schwarz auf weiß nachlesen –: Genützt hat das nichts. Stattdessen mussten wir uns gestern von Flughafenchef Lütke Daldrup im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen erklären lassen, dass er bis heute keinen verläss- lichen Status des Großprojekts nennen kann. Er hat uns zwar bestätigt, dass die Medienberichte über einen aktu- ellen – den inzwischen vierzehnten – TÜV-Bericht zu- treffen, der – Zitat – „wesentliche systemische Mängel“ im Bereich der Brandschutzanlage im Main Pier Nord beschreibt. Doch welche Schlussfolgerungen daraus kon- kret gezogen werden, wusste er auf Nachfrage nicht zu sagen. Er hat uns außerdem bestätigt, dass die Prüfinge- nieure der Firma RKS, die den Terminplan zur baulichen Fertigstellung des Terminals im August 2018 überwa- chen, für „stark gefährdet“ halten. Doch welche Schluss- folgerungen daraus konkret gezogen werden sollen, wuss- te er nicht zu sagen. Was er uns aber zu sagen wusste, das hat es in sich, fand ich: Er wusste uns zu sagen, dass diese Berichte des TÜV und der RKS-Ingenieure „ganz normale Projektinformationen“ seien. – Wenn das, was diese beiden Berichte uns beschreiben – und es sind nur zwei von vielen, wie Herr Lütke Daldrup uns gestern bestätigt hat – immer noch Normalität auf Deutschlands größter Dauerbaustelle ist, dann gnade Gott den Berliner Steuerzahlern. [Zuruf von Frank Zimmermann (SPD)]
Vier Jahre habe ich mit Ihnen, Herr Otto, und einigen anderen Kollegen dieses Hauses im BER-Untersuchungsausschuss zugebracht. Wir haben uns gemeinsam mit der Chronologie des Versagens auseinandersetzen dürfen, die uns alle miteinander inzwischen bald 6,5 Milliarden Euro teuer zu stehen kommt. Zum Vergleich – wir haben gestern nachgefragt –: Für die dauerhafte Offenhaltung und Ertüchtigung des Flughafens Tegel wären nach den gestrigen Aussagen des Flughafenchefs gerade einmal 1,1 Milliarden Euro zu investieren. Das ist im Vergleich geradezu ein Schnäppchen. In vier Jahren Untersuchungsausschuss haben wir uns mit Fehlern der Vergangenheit beschäftigt. Wir haben uns bemüht, für die Zukunft Lehren daraus zu ziehen. Wir haben gewarnt – da waren Sie, Herr Otto, an der Spitze –, die Politik möge sich künftig aus dem Flughafenbau heraushalten. Wir haben angemahnt, den Parlamenten und der Öffentlichkeit gegenüber zu jeder Zeit offen und transparent zu sein, um wieder Vertrauen herzustellen. Herr Otto! Erinnern Sie sich daran denn gar nicht, wenn Sie heute jeden rot-rot-grünen Unsinn mittragen? Man muss nach einem Jahr den Eindruck gewinnen, dass niemand in dieser rotrot-grünen Koalition etwas aus diesen Erfahrungen der Vergangenheit, aus unserer mühevollen gemeinsamen Arbeit gelernt hat.
Ich will dieses Jahr Rot-Rot-Grün mal kurz zusammenfassen – Sie haben ja so getan, als hätte am Wahltag 2016 die kritische Geschichte des BER geendet und es habe ein Aufbruch zum Besseren begonnen –: Erst lässt sich Micheal Müller entgegen allen unseren Warnungen wieder zum BER-Aufsichtsratsvorsitzenden wählen. Dann zwingt er seine Koalitionäre Lederer und Behrendt gleich mit in den Aufsichtsrat. Anschließend feuert er den Flughafengeschäftsführer, weil der zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der Bauchef des BER ganz offensichtlich die Fertigstellung des Terminals nicht im Griff hat, dass er überfordert ist. Der neue Flughafenchef – ein von Michael Müller installierter SPD-Politiker – holt den Bauchef zurück. Michael Müller hat sich dann selbst aus dem
Aufsichtsrat zurückgezogen. Aktuell – nur wenige Monate später – lesen wir wieder von anhaltenden, gravierenden Problemen auf der Baustelle. Dem Ganzen setzt die Krone auf, dass der neue Flughafengeschäftsführer – wie sein Vorgänger – zu der Erkenntnis kommt, dass der Bauchef offensichtlich mit dem Projekt überfordert ist. Da kann ich nur sagen: Täglich grüßt das Murmeltier. Der Versuch, einen neuen Baufachmann in die Geschäftsführung zu holen, ist kläglich gescheitert – zur Abwechslung mal nicht am Widerstand Berlins, sondern am Widerstand Brandenburgs. Ich finde allerdings nicht, dass das die Sache besser macht. In der Konsequenz hat sich jetzt Herr Lütke Daldrup kurzerhand selbst zum Baugeschäftsführer erklärt. An dieser Stelle stehen wir jetzt. Ich kann nur sagen: Wir sind nach diesem Jahr Rot-Rot-Grün vom Regen in die Traufe gekommen.
Über 2 000 Tagen nach dem großen Knall haben Sie ihn immer noch nicht gehört. Das ist wirklich der längste Treppenwitz der Geschichte. Leider ist es auch der traurigste, weshalb den Berlinern das Lachen im Halse stecken bleibt.
Während Herr Lütke Daldrup weiter versucht, mit seinen Buttermessern einen Flughafen zu bauen, sollten Sie sich allmählich auf Ihre politische Verantwortung besinnen. Die neuen Entwicklungen müssen auch dem Letzten von Ihnen endlich klarmachen, dass wir einen Plan B brauchen für den äußerst wahrscheinlichen Fall, dass der BER wieder einmal den gesetzten Terminplan sprengen wird – und im Übrigen auch für den Fall, dass der BER, wenn er dann in Betrieb gegangen ist, immer noch mit hohen Betriebsrisiken verbunden bleibt. Wir sehen dafür nur eine Option, und das sind unverzügliche und nachhaltige Investitionen in den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel.
Dass wir den Weiterbetrieb aufgrund der absehbaren Kapazitätslücke ohnehin für notwendig halten – so, wie es eine deutliche Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner ja beim Volksentscheid auch entschieden hat –, ist Ihnen nicht neu. Das wissen Sie längst; dafür hätten wir keine Aktuelle Stunde gebraucht.
Aber diese aktuellen Erkenntnisse, über die wir heute diskutieren, werden hoffentlich auch Sie endlich erkennen lassen, dass wir ernsthaft darüber verhandeln müssen, wie wir gemeinsam die Grundlagen für die Umsetzung des Tegel-Volksentscheids schaffen können, anstatt uns zu verstecken hinter vorgeschobenen Argumenten wie der nicht absehbaren Positionierung der künftigen Bundesregierung, wie der Haltung des Landes Brandenburgs. Sie ducken sich weg hinter Herrn Paetow – ich kann nur sagen: Es ist Zeit, dass Sie endlich aus Ihrem großen
Unsere Hand ist ausgestreckt, wenn es darum geht, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die Offenhaltung von Tegel von Berlin aus voranzubringen und endlich mehr Transparenz und Effizienz in die Arbeit am BER zu bringen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mal nicht mit Herrn Evers anfangen. Dazu komme ich noch – so bedeutend war die Rede dann doch leider eben nicht.
Wir diskutieren mal wieder über den BER – und natürlich auch über das Thema Tegel, weil alles mit allem zusammenhängt.
Fünfeinhalb Jahre nach der geplatzten Eröffnung ist es wichtig, noch einmal grundsätzlich an dieses Thema heranzugehen. Es gab drei wesentliche Fehlentscheidungen, warum der Flughafen BER immer noch nicht eröffnet ist, und die will ich heute noch einmal nennen. Erstens: Es war falsch, das Bauvorhaben ohne Generalunternehmer in eigener Regie mit ausschließlich kleinen und mittleren und wenigen großen Firmen durchzuführen.
Zweitens: Die vom Architekten Gerkan und anderen Planern konzipierte Entrauchungs- und Sprinkleranlage – jeder kennt sie mittlerweile – ist viel zu kompliziert und nach meiner Auffassung in dieser Form nirgendwo installiert worden. Durch permanente Planänderungen und weitere Veränderungen ist das Problem größer und nicht kleiner geworden.
Und drittens – auch das gehört zur Wahrheit: Im Jahr 2012 hätte bei der Absage des damaligen Eröffnungstermins ein kompletter Neustart vorgenommen werden müssen. Das heißt, man hätte die gesamte Technik ausbauen müssen und auf der Basis eines Rohbaus einen echten Neubeginn mit einfachen Systemen machen müssen. Ich darf sagen, dies war damals bereits meine Auffassung, und der Vorsitzende der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft, Dr. Lütke Daldrup hat dies bei der gestrigen Anhörung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen ausdrücklich bestätigt.
Diese Anhörung war übrigens hervorragend und wichtig, und Herr Evers, Ihr Auftritt dort im Stadtentwicklungsausschuss war unter aller Sau – um es mal so zu sagen.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Holger Krestel (FDP): Das Phrasenschwein ist gleich voll!]
Es bringt nichts, wenn Sie eine Anhörung dort verhindern wollen und am nächsten Tag aus ihr zitieren! Die Koalition hat recht: Die Anhörung hat stattgefunden.
Dies erklärt, warum auch fünfeinhalb Jahre nach der Absage von 2012 weder eine Eröffnung erfolgt noch ein Eröffnungstermin in den nächsten beiden Jahren wahrscheinlich ist.
Es ist erforderlich, dass jetzt endlich das Bauvorhaben komplett abgeschlossen wird, weil erst dann die eigentliche Prüfungsphase, ob die Systeme funktionieren, beginnt. Es sollte das Ziel sein, dass die Bauarbeiten am Flughafen BER spätestens Ende 2018 abgeschlossen sein müssen, um überhaupt eine Eröffnung 2020 zu realisieren.
Hierzu halten wir es für erforderlich, dass verbindliche schriftliche Vereinbarungen mit den großen Firmen über die Fertigstellung getroffen werden. In dem Zusammenhang muss einmal gesagt werden, und zwar deutlich: Was sich hier teilweise weltweit agierende Firmen leisten, ist absolut inakzeptabel.
Hier herrscht eine Abkassiermentalität, die nicht gerade durch Leistung unterlegt ist. Wenn man sieht, wie zum Beispiel Siemens hier in Berlin aktuell massiv Arbeitsplätze abbaut, dann macht das den Skandal noch größer.
Wenn man die Reden der Opposition so hört, dann hat man den Eindruck, hier baut der Senat von Berlin allein einen Flughafen. Sie haben ja auch wieder eben gesagt: Wir können alles alleine. – Dies ist jedoch nicht der Fall. Hier gibt es drei Gesellschafter: der Bund, Brandenburg und Berlin. Es gibt eine Flughafengesellschaft und eine Vielzahl von Firmen und Planern, die bei diesem Bauvorhaben Verantwortung tragen.
Und, liebe CDU, Sie tun dann so, als ob Sie mit diesem Bauvorhaben gar nichts zu tun haben. Sie waren zwischen 2011 und 2016 in der Regierung und mit Herrn Henkel fünf Jahre im Aufsichtsrat vertreten. Dies ist nach einem Jahr Opposition, liebe Berliner CDU, komplett lächerlich und leider genau das Niveau, für das der aktuelle Generalsekretär der Berliner CDU steht.
Leider ist es so, dass wir dieser immer noch nicht erfolgten Eröffnung des BER die komplett sinnlose Kampagne zur Offenhaltung von Tegel zu verdanken haben. – Sie haben ja eben wieder etwas dazu gesagt, Herr Evers, und Herr Czaja wird das sicherlich dann ergänzen.
Auch hier muss klar gesagt werden: Weder rechtlich noch wirtschaftlich macht der Weiterbetrieb von Tegel Sinn, und er geht eindeutig zulasten der Anwohnerinnen und Anwohner, die vom Fluglärm betroffen sind. Wie irrsinnig das ist, kann jeder aktuell sehen, wenn man sieht, wie der Jumbo-Jet in Tegel einfliegt. Dort wird von der Lufthansa eine Maschine eingesetzt, die ungeheuer laut ist, während durchschnittlich 350 Passagiere pro Maschine in Tegel einfliegen. Das Sicherheitsrisiko ist enorm – aber auch bei der Lufthansa geht der Profit eindeutig vor die Bedürfnisse der betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner. Ich verurteile das!
Ja, Herr Czaja, wenn man dort nicht wohnt, ist es einfach, darüber zu reden! Es ist eine Katastrophe für die Leute dort vor Ort!
Der Ausgang des Volksentscheids für die Offenhaltung von Tegel hat die reale Situation noch nicht verändert. Wie erwartet, haben der Bund und Brandenburg ihre Haltung bekräftigt, dass sie am Single-Standort BER festhalten. Es wird demnächst ja dann auch eine Expertise von Gutachtern geben, inwieweit rechtlich das überhaupt möglich ist.
Darüber hinaus kann sich die Flughafengesellschaft das Ganze auch gar nicht leisten. Auch das wissen Sie. Alle Zahlen, die Lütke Daldrup genannt hat, sind richtig. Aber man muss das natürlich à la longue sehen: Wenn man nach BER-Standard den Schallschutz macht, sind das zwei Milliarden. Eine Milliarde Investitionskosten, Dauersubventionen – wer will das?
Und in diesem Zusammenhang, Kollege Evers – Sie haben das ja eben nicht erwähnt, aber ich will das dann mal tun: Glauben Sie ernsthaft, dass die Kanzlerin ihre sachlich richtige Position überdenkt, nur weil Frau Grütters – hört und sieht die jemand in der Berliner Politik? – ihr einen Brief schreibt? Da eben die Jamaika-Koalition in den Sand gesetzt worden ist – von wem auch immer; ob das die FDP oder die CDU war –, erwarten Sie doch nicht ernsthaft, dass die SPD, der Sie ja jetzt hinterherlaufen und die Sie fast anflehen, in eine Koalition einzutreten, einen solchen Unsinn noch unterstützen würde! Das ist absurd – wir werden das entsprechend nicht mitmachen!
Für den BER ist wichtig, dass die Fertigstellung bis Ende 2018 funktioniert. Da will ich dann nicht über den 31. August reden oder über den 30. September. Entscheidend ist, dass 2018 das Bauvorhaben abgeschlossen wird, trotz der enorm komplexen Systeme, deren Abnahme dann erfolgen kann, damit 2020 der Flugbetrieb vom BER endlich beginnen kann.