Protocol of the Session on October 19, 2017

Melden Sie sich doch danach!

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Herr Kollege Taş! Die Kollegin hat das Wort – und nur sie. – Bitte schön!

Danke schön! – Es zeigt ja offensichtlich, dass das einen wunden Nerv trifft.

Eine Bundesförderung in Höhe von 150 000 Euro wäre durch diese Streichung gefährdet.

Bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stehen wir – genau wie beim Gedenken an die Verbrechen der Nationalsozialisten – in einer historischen Verpflichtung. Dazu gehören für uns auch die Förderung von Menschenrechts- und Demokratiebildung und der Schutz unserer Grundwerte.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Genau in dieser Tradition steht das Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Es ist ein Förderprogramm für demokratiefördernde Arbeit. Hauptziele sind die Förderung einer demokratischen politischen Kultur, die Förderung einer Kultur der Anerkennung, des Respekts und der Menschenwürde.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ja, dann kümmern Sie sich mal um den Respekt vor Andersdenkenden in diesem Haus!]

Dieses Förderprogramm gibt es seit 15 Jahren. Es genießt, offensichtlich abgesehen von Ihnen, eine breite gesellschaftliche und politische Unterstützung. Das Programm ist in dieser Zeit von verschiedenen Koalitionen weiterentwickelt und ausgebaut worden. Auch wir als rotrot-grüne Koalition werden dieses Programm entsprechend den aktuellen Herausforderungen weiter ausbauen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielleicht ist das Thema dieser Aktuellen Stunde aber auch deshalb Linksextremismus, durch Sie angemeldet, weil Sie als AfD-Fraktion wirklich vermuten, dass der Kampf gegen rechts von Linksextremistinnen und Linksextremisten geführt wird. Ein bisschen klang es vorhin so, wenn Herr Gläser sagt: Linksextremismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft. – Dazu passt auch, dass Sie eine vermeintliche Zusammenarbeit zwischen Projekten, die im Rahmen des Landesprogramms gefördert werden, und linksextremistischen Organisationen durch Mitglieder Ihrer Fraktion systematisch abgefragt haben. Selbst Gewerkschaften wird eine Unterstützung linksextremistischer Aktivitäten unterstellt.

[Thorsten Weiß (AfD): So ist es!]

Um das zu veranschaulichen, möchte ich kurz aus einer Kleinen Anfrage des Kollegen Weiß mit dem schönen Titel „Linksextremistische Netzwerke“ aus diesem Sommer zitieren – ich zitiere:

Kam es seit 2010 zu Fällen von öffentlicher Unterstützung linksextremistischer Organisationen, Personen, Veranstaltungen oder Aktionen durch zum jeweiligen Zeitpunkt aktive ehemalige oder spätere Mitglieder der Gewerkschaft Verdi?

Oder auch sehr schön – ich zitiere weiter:

Kam es seit 2010 zu Fällen von öffentlicher Unterstützung linksextremistischer Organisationen,

Personen, Veranstaltungen oder Aktionen durch zum jeweiligen Zeitpunkt aktive, ehemalige oder spätere Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes?

Diese Diffamierung von Menschen, die sich für Menschenrechte und Demokratie starkmachen, weisen wir entschieden zurück.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Thorsten Weiß (AfD)]

Der Kampf gegen Rechtsextremismus, für eine demokratische und plurale Gesellschaft wird in dieser Stadt glücklicherweise von einer breiten Mehrheit getragen. Als Koalition ist es uns ein Herzensanliegen, die Engagierten zu unterstützen und bürgerschaftliches Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Vielfalt überall in dieser Stadt zu stärken, diesen Weg werden wir weitergehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Lenz das Wort.

[Zuruf von der LINKEN: Zeigen Sie ihnen die Rote Karte! – Frank-Christian Hansel (AfD): Der blaue Umschlag gefällt mir sehr gut!]

So! Jetzt ist es wieder gut, und der Kollege Lenz hat das Wort.

Ja, vielen Dank! – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde lautet: „Linksextremismus isolieren, finanzielle Förderung und gesellschaftliche Duldung stoppen“. Aus meiner Sicht ist diese Forderung durchaus berechtigt. Es ist auch richtig, heute einmal explizit hier im Parlament über dieses Themenfeld zu sprechen. Das gilt gerade deshalb, weil hier in Berlin ein Senat regiert, der in der Tat die notwendige Klarheit vermissen lässt, wenn es um die Abgrenzung zu Linksextremisten geht.

[Beifall bei der CDU und der AfD – Torsten Schneider (SPD): Ist ja unerhört!]

Wenn man keine Gelegenheit auslässt, um Rechtsextremismus zum Thema zu machen, dann muss man das auf der anderen Seite auch tun, aber hier hält sich der Senat mit Kritik auffällig und in merkwürdiger Form zurück. Es scheinen hier unterschiedliche Maßstäbe zu gelten. Das ist nicht nur merkwürdig, es ist auch gefährlich für unseren Staat.

Die Erlebnisse in Hamburg rund um den G-20-Gipfel haben in eindrücklicher Weise das Gefahrenpotenzial der linksextremistischen Szene deutlich gemacht. Es ist deswegen gut, hierüber zu sprechen, auch über die Haltung des Senats in dieser Frage. Aber bevor ich darauf noch detaillierter eingehe, gestatten Sie mir ein paar Bemerkungen zur Antragstellerin, zur AfD-Fraktion!

Ziel Ihres Antrags, Kollegen von der AfD, ist es sicher, sich einzureihen in die Reihe derjenigen, die sich Sorgen um unseren Staat, unser Land und unsere Stadt machen. Sie wollen dazugehören zu denen, die mit Recht verlangen, allen Extremisten die Stirn zu bieten. Sie wollen die Zustimmung all derer erhalten, die sagen, dass Staatsfeinde und Extremisten Feinde unseres Staates sind, unseres Rechtsstaats, unserer Demokratie, dass Staatsfeinde gesellschaftlich zu isolieren und mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen sind. So einfach werden Sie von der AfD dieses Ziel, sich bei diesen Leuten, die diese Vorwürfe erheben, einzureihen, nicht erreichen.

Und jetzt will ich Ihnen sagen, warum Sie dieses Ziel so einfach nicht erreichen werden. Es wird Ihnen nicht gelingen, weil Sie selbst in diesem Land nicht zu den staatstragenden Kräften gehören.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ja, noch nicht!]

Wenn ich das sage, dann kann ich nicht über jeden Kollegen Ihrer Fraktion sprechen. Ich nehme auch einzelnen Kollegen von Ihnen ab, dass sie sich durchaus bemühen, dazuzugehören. Ich kann aber nicht außer Acht lassen, was Ihre Partei tut. Die Praxis in der parlamentarischen Arbeit ist, was Sie verlautbaren. Die AfD lässt keine Gelegenheit aus, auch nicht in Berlin, unseren Staat zu diffamieren, zu diskreditieren. Sie sprechen verächtlich vom alten System. Uns Vertreter dieses Systems nennen Sie die Vertreter der Altparteien, der Systemparteien.

[Georg Pazderski (AfD): Ja, zu Recht!]

Sie selbst sehen sich auf der anderen Seite. Sie verachten unsere Verwaltung. Sie verachten unsere Justiz.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das stimmt doch gar nicht!]

Sie verachten unsere Presse. Und damit verachten Sie ganz wesentliche Teile unseres Staatswesens. Das kann man Ihnen nicht durchgehen lassen.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz von der AfD?

(Dr. Susanne Kitschun)

Später vielleicht. Ich werde das jetzt noch weiter zu Ende führen.

Bitte!

Jetzt wollen Sie sich heute aus Sorge um unser Gemeinwesen, unseren Staat dafür einsetzen, dass dieser Senat sein Verhältnis zum Linksextremismus klärt? So wird das nicht laufen. Wer selbst unser System ablehnt, der kann nicht gleichzeitig Sorgen um dessen Bestand haben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist doch lächerlich!]

Intellektuell ist das nicht redlich. Wer in einem Maße wie Sie Systemkritik betreibt, der ist kein guter Verteidiger dieses Systems, des demokratischen Rechtsstaats.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Sie werden über Jahre unser kleiner Partner!]

Wer wie die AfD letztlich einen anderen Staat will, der wird daher auch niemals der Union als Partner zur Seite stehen, auch dann nicht, wenn er – wie hier vorliegend – berechtigte Fragen stellt – auch dann nicht.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich will das noch etwas vertiefen. Es gibt noch einen weiteren Punkt, warum Sie kein geeigneter Unterstützer im Kampf gegen den Linksextremismus sind: weil Sie selbst mit zweierlei Maß messen. Sie selbst verharmlosen rechtsextremistische Handlungen und Aktivitäten. Sie selbst dulden Abgeordnete und Parteimitglieder in Ihren eigenen Reihen, die offenkundig selbst ein Extremismusproblem haben. Jetzt könnte man sagen, da handelt es sich um Ausnahmefälle. Die Entwicklung in Ihrer Partei weist aber ganz offenkundig in eine andere Richtung. Dieser Tage ist die Vorsitzende der Christen in der AfD, Anette Schultner, aus Ihrer Partei ausgetreten, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat in dieser Partei; weil sie sagt, der Radikalisierungsprozess in Ihrer Partei ist so weit vorangeschritten, dass er nicht mehr umkehrbar ist.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Das glauben Sie nicht ernsthaft!]

All das bleibt auch nicht ohne Konsequenzen auf unsere konkrete parlamentarische Arbeit hier im Hause. Bei den Haushaltsberatungen in der letzten Sitzung des Verfassungsschutzausschusses haben Sie sich gegen eine Verstärkung des Verfassungsschutzes gestellt. Sie haben sogar Streichungen gefordert und verdeutlicht, dass Sie den Verfassungsschutz eigentlich ablehnen. Sie haben das sogar schriftlich in Ihren Änderungsanträgen gemacht und sind nicht einmal davor zurückgeschreckt, Textblöcke der Linken und der Grünen aus der Vergangenheit abzuschreiben. Nicht einmal das haben Sie gelassen!