Protocol of the Session on September 28, 2017

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Schulze das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Worum geht es, wenn wir heute von Akkreditierung reden? Das ist nun schon von vielen Kolleginnen und Kollegen diskutiert und erklärt worden. Studiengän

ge, die neu eingerichtet werden, müssen sich seit etwa 15 Jahren begutachten lassen. Dies betraf und betrifft alle Studiengänge, die wir im Zuge der Bologna-Reform umstellen.

Das jetzige Akkreditierungssystem geht zurück auf die Hochzeit des marktorientierten Reformeifers im Hochschulwesen: Bildungsmärkte, Studiengebühren, Studierende als Kunden, Rückzug des Staates aus der Steuerung. Das Leitbild war damals, vor fast 20 Jahren, die unternehmerische Hochschule. Dazu passend entwarf man ein System der Qualitätssicherung, das die praktische Verantwortung bei externen privatrechtlich organisierten Agenturen sah. Diese Agenturen besetzten Expertenkommissionen, die Studiengänge prüfen und bewerten. Das Ganze kostet die Hochschulen viel Geld und macht noch mehr Aufwand, dessen Gegenwert in der Wissenschaft oft bezweifelt wurde; denn es gab und gibt trotz Akkreditierung schlecht organisierte Studiengänge, es gab trotz Akkreditierung auch fachlich unzureichende Studiengänge. Man kann festhalten: Das Qualitätssicherungssystem in seiner bisherigen Form hat nicht genug Qualität gesichert. Das System hat wie vieles am Bologna-Prozess mehr schlecht als recht funktioniert. Man muss aber sagen – das hat die Kollegin Schillhaneck schon getan –, diese Probleme wurden in der Regel nicht durch die Bologna-Vereinbarungen und auch nicht durch Europa verursacht, sondern waren auf die stümperhafte und häufig aufs Sparen orientierte Umsetzung des Bologna-Prozesses hier bei uns in Deutschland zurückzuführen. Auch unser Akkreditierungssystem war kein Import aus Europa, sondern es ist ein spezifisch deutsches: Der Staat, der bis dahin für die Begutachtung von Studien- und Prüfungsordnungen zuständig war, sollte sich am besten heraushalten.

Genau an dieser Stelle hakte das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr ein. Die Richter spielten den Ball zurück an die Politik: Der Staat und die Wissenschaft könnten die Verantwortung für die Qualität in der Lehre nicht ausschließlich an Externe delegieren. Es müsste zudem klare Regeln und Kriterien für die Qualitätssicherung geben. Das sehen wir Linke ganz genauso. Das heißt übrigens nicht, dass wir die gesamte Verantwortung zurück an das Land, an den Staat delegieren wollen. Es ist gut, wenn Externe, die häufig noch einmal einen anderen Blick haben, auf Studiengänge schauen. Die Verwaltung allein kann das nicht. Das Verfassungsgericht hat aber klar gesagt, der Staat muss Regeln und Kriterien vorgeben und seine Verantwortung für Studienqualität wahrnehmen.

So hatten die Länder die Pflicht, sich über neue Regeln zu verständigen, die uns jetzt zur Begutachtung vorliegen. Wir Linke meinen, dieser Staatsvertrag ist – wie könnte es anders sein? – ein pragmatischer Kompromiss, der sich nah am Urteil des Bundesverfassungsgerichts bewegt. Man hält an der Eigenverantwortung der Hochschulen

(Martin Trefzer)

und der Bedeutung externer Agenturen grundsätzlich fest. Dadurch wurde aber leider die Chance verpasst, das Thema Qualitätssicherung im Studium noch einmal grundsätzlich neu zu denken. Nun müssen wir mit dem Verhandlungsergebnis umgehen.

Wir hätten uns etwa eine Stärkung der Studierendenperspektive im zentralen Akkreditierungsrat gewünscht. Wir hätten uns mehr Beteiligung des Mittelbaus gewünscht, der ja heute den Großteil der Lehre trägt. Qualität in der Wissenschaft sollte endlich mehr als demokratischer Prozess in selbstverwalteten Hochschulen gesehen werden. Trotzdem bietet der neue Staatsvertrag aber auch die Chance, dem Flickenteppich im Akkreditierungswesen zu begegnen und mehr Einheitlichkeit bei den Qualitätskriterien zu schaffen. Noch wichtiger wird jedoch sein, dass die Hochschulträger, also die Länder und damit auch unser Land Berlin, ihre Verantwortung für ein gutes Studium wieder verstärkt wahrnehmen. Die rot-rot-grüne Koalition hat sich daher vorgenommen, die Studierbarkeit zu verbessern und mehr Freiheit ins Studium zurückzubringen, damit aus Bologna doch noch ein Erfolgsmodell werden kann. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Förster das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Tag vor dem Plenum fragen mich meinen beiden Großmütter – 90 und fast 90 Jahre alt – immer: Wozu redest du morgen, und was steht auf der Tagesordnung? Sie schauen jetzt wahrscheinlich zu – schöne Grüße! –, denn sie wollen auch immer wissen, was ihr Enkel Intelligentes von sich gibt.

[Antje Kapek (GRÜNE): Oh, wie süß! – Beifall von Paul Fresdorf (FDP), Stefan Gelbhaar (GRÜNE) und Antje Kapek (GRÜNE)]

Ich habe ihnen dann gesagt: Studienakkreditierungsstaatsvertrag oder, wie es korrekt heißt, Staatsvertrag über die Organisation eines gemeinsamen Akkreditierungssystems zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen. Das muss man erst einmal erklären. Meine Großmütter fragten dann: Wie ist das von der Bedeutung her einzuschätzen? – Da habe ich gesagt, das ist fast genauso wichtig wie die Schweinehaltung in Berlin.

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Das war natürlich Polemik – es ist schon etwas wichtiger, das ist keine Frage. Ich wollte aber mit diesem süffisan

ten Einstieg darauf hinweisen, dass es eher ein Feinschmeckerthema ist, das im Ausschuss gut aufgehoben ist. Dort werden wir ja auch noch einmal darüber sprechen. Für eine Plenardebatte ist es aber ein Thema, bei dem sich zumindest die Begeisterungsfähigkeit weiter Teile unserer Runde hier, aber auch draußen vor dem Fernseher, möglicherweise in Grenzen hält.

[Sven Kohlmeier (SPD): Was? – Zurufe von der CDU]

Das muss nicht unbedingt am Thema liegen.

Der Senat hat es denjenigen, die an dem Thema Interesse haben, nicht einfacher gemacht, denn in der Pressemitteilung vom 16. Mai 2017 steht zum Beispiel dieser schöne Satz zum Studienakkreditierungsstaatsvertrag:

Die wesentlichen Bestandteile des Systems werden dabei beibehalten, insbesondere das PeerReview-Prinzip, das Erfordernis der Einhaltung formaler und fachlich-inhaltlicher Standards, die System- und Programmakkreditierung und die Einbindung von Stakeholdern.

Das soll ein Otto Normalbürger verstehen? Der Senat sollte einmal seine Pressemitteilungen verständlicher formulieren. Das wäre vielleicht ganz hilfreich.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Danny Freymark (CDU)]

Die Neuordnung des Akkreditierungssystems ist verfassungsrechtlich geboten und trotz ihrer Komplexität bei allen Höhen und Tiefen, die meine Vorrednerinnen und Vorredner schon angesprochen haben, sicherlich von der Grundtendenz her richtig. Die Debatten sind im Übrigen schon in vielen Landtagen erfolgt. Was Herr Trefzer vorgetragen hat, entstammt fast alles einer Rede, die sein AfD-Kollege im Landtag von Rheinland-Pfalz gehalten hat.

[Vereinzelter Beifall und Heiterkeit bei der FDP und der LINKEN]

Das dreht eine Schleife, die dann in anderen Landtagen wieder ankommt.

Beim Bologna-Prozess ist es natürlich so: Wenn man sich auf gemeinsame europäische Standards verständigt, führt das auch dazu, dass ein Stück weit Freiheit und Flexibilität verloren gehen und das Korsetthafte an einigen Stellen der Tribut ist, den man dafür zahlen muss. Ich hätte mir meine Studienzeit unter den strengen Bologna-Kriterien eher nicht vorstellen können. Das ist im geisteswissenschaftlichen Bereich noch etwas anderes als bei den Naturwissenschaften, die schon immer verschulter waren. Das ist vollkommen richtig, Kollegin Schillhaneck hat auch darauf hingewiesen.

Dass die Kultusministerkonferenz eine länderübergreifende Gesamtlösung eingefordert hat, ist vernünftig. Wir wollen an solch einer Stelle nicht die deutsche Klein

(Tobias Schulze)

staaterei. Der Bildungsföderalismus treibt ja manchmal seltsame Blüten – Stichwort: Kooperationsverbot –, insofern ist es vernünftig, dass man hier einen einheitlichen Rahmen geschaffen hat. Ich will die einzelnen Punkte nicht alle noch einmal aufzählen, aber Verantwortung der Hochschulen für Qualitätssicherung und Entwicklung in Lehre und Studium, die Akkreditierung im Prinzip als externes wissenschaftsgeleitetes System und auch die Kompatibilität auf europäischer Ebene sind durchaus vernünftig und sinnvoll. Über einzelne Punkte kann man sicherlich im Ausschuss noch einmal sprechen. Das ist aber bei einem Staatsvertrag immer so. Der ist ausverhandelt und liegt vor.

Wenn man sich aber einmal die Stiftung ansieht, die eingesetzt wurde, um das Akkreditierungsverfahren durchzuführen und diesen Akkreditierungsrat einzusetzen, der das dann fachlich macht, hat man dort die üblichen Verdächtigen: Hochschullehrer, Hochschulrektorenkonferenz, Ländervertreter. Es gibt dort aber einige Missverhältnisse in den Proporzen: acht Hochschullehrende, aber nur zwei Studierende. Da muss man sich schon fragen, ob das Gremium in der richtigen Reihenfolge besetzt ist, denn es geht ja in erster Linie darum, dass diejenigen, die studieren, mit diesen Kriterien leben müssen und weniger diejenigen, die lehren.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Tobias Schulze (LINKE) und Anja Schillhaneck (GRÜNE)]

Dann noch ein süffisanter Ausstieg: Das vorliegende Papier bzw. der vorliegende Staatsvertrag, der unterzeichnet wurde, ist fast schon ein zeitgeschichtliches Dokument. Auf den letzten beiden Seiten haben die Ministerpräsidenten unterschrieben. Das war im Mai. Drei von ihnen sind mittlerweile schon nicht mehr im Amt, u. a. Herr Albig und Frau Kraft. Michael Müller steht dort auch noch. Vielleicht wird es einmal ein zeitgeschichtliches Dokument. Ich weiß nicht, ob das die letzte Unterschrift vom Regierenden Bürgermeister war. Wir werden sehen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 20 A

Geltendes Recht durchsetzen statt Kumpanei mit Hausbesetzern: Volksbühne umgehend räumen

Dringlicher Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0557

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0557-1

Der Dringlichkeit hatten Sie eingangs bereits zugestimmt. – In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion und hier der Kollege Trefzer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie immer, wenn der Regierende Bürgermeister einen Strauß mit seinen Senatskollegen von der Linkspartei auszufechten hat, ist auch hier eine Person nicht weit, die dieses Hohe Haus schon das ein oder andere Mal beschäftigt hat. Ich meine den Ex-Baustaatssekretär mit Erinnerungslücken, Andrej Holm. Auch an der Volksbühne war er seit Beginn der Besetzung wieder für das Politisch-Ideologische und Agitprop zuständig.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Hört, hört!]

Falls der Regierende Bürgermeister aus der Staatssekretärsposse und der widerrechtlichen Besetzung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Humboldt-Universität nichts gelernt haben sollte, sagen wir es ihm gern noch einmal ganz direkt: Machen Sie den gleichen Fehler nicht ein zweites Mal, Herr Müller!

[Beifall bei der AfD]

Lassen Sie sich nicht zum zweiten Mal von Andrej Holm und seinen linken Senatskollegen am Nasenring durch die Manege führen! Oder wie soll man es anders verstehen, Herr Kultursenator Lederer, was Sie heute Morgen hier in der Fragestunde aufgeführt haben? Glauben Sie, dass irgendein gesetzestreuer Berliner nachvollziehen konnte, was der Kultursenator ausgeführt hat?

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Ich schon!]